Mit Röntgen auf Kurs – Das Röntgenröhrenwerk der Siemens AG in ...

herabgedrückt war, so empfängt man diese rein menschliche Anteilnahme der freien
Welt als ein besonderes Geschenk.“ 1089 Ungelenk sollte nicht mehr nach Rudolstadt
zurückkehren. 1090 Er trat 1956 in den Ruhestand und starb am 18. Oktober 1978 mit
88 Jahren in Erlangen. 1091
Ab wann genau und in welcher Form es nach Gründung der Bundesrepublik und der
DDR wieder zu geschäftlichen Beziehungen zwischen den beiden Werken in
Rudolstadt und Erlangen kam, ist unklar. Daß die Kontakte irgendwann wieder
aufgenommen wurden, zeigen die Zahlen: Im Geschäftsjahr 1988 / 1989, also noch
vor der Wende, bezog der Siemens-Konzern jährlich Röntgenkomponenten für etwa
zwei Mio. DM aus Rudolstadt. Vorher wurde in den 50er Jahren im ehemaligen
Siemens-Werk die gesamte Röntgenröhrenfertigung der DDR konzentriert und
zuletzt mehr als 75 % der Produktion im Wert von etwa 40 Mio DM in den Ostblock,
vor allem in die Sowjetunion, exportiert. 1092 Direkt nach dem Fall der Mauer begann
die Siemens AG ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der DDR
entscheidend auszuweiten, zunächst um Kontakte zu knüpfen, später um
Kooperationen einzugehen oder ganze Betriebe zu übernehmen: „Strategisches Ziel
war es, in Ostdeutschland schnell eine Position zu erreichen, die in etwa der Stellung
von Siemens auf dem Markt der alten Bundesrepublik entsprach.“ 1093 In Zahlen
bedeutete diese Zielvorgabe, einen mittelfristigen Jahresumsatz von fünf Mrd. DM zu
erreichen, dem geplante Investitionen von rund einer Mrd. DM gegenüberstanden.
Das Rudolstädter Röntgenröhrenwerk war Teil der Pläne. Bereits am 1. Oktober
1990, also noch zwei Tage vor der Wiedervereinigung, erhob die Siemens AG in
einem Schreiben an das Landratsamt Rudolstadt vermögensrechtliche Ansprüche
auf die Grundstücke der ehemaligen SRW AG „nebst Gebäuden, Inventar und
Konten“. 1094 Durch die Umbruchssituation der Nachwendezeit erging auf diesen
Antrag erst nach rund acht Jahren der Bescheid durch das Thüringische Landesamt
zur Regelung offener Vermögensfragen (TLzRoV): Eine Rückübertragung des
Besitzes sei nicht möglich, da eine juristische Person im Gegensatz zu einer
natürlichen Person darauf keinen Anspruch mehr habe. 1095 Daraufhin nahm die
Siemens AG den Antrag auf Rückführung wegen „Aussichtslosigkeit“ zurück. Die
Forderung nach einer Ausgleichszahlung wurde jedoch aufrechterhalten,
1089
Brief von Ungelenk an Anderlohr vom 14.01.1952 in SMAZ [Wichtige Persönlichkeiten „T – W“].
1090
Vgl. Interview mit Margarethe Paulovsky, geb. Ungelenk am 17. Oktober 2007.
1091
Vgl. Kurzlebenslauf von Ungelenk in SMAZ [Wichtige Persönlichkeiten „T – W“].
1092
Vgl. Siemens AG [1993], S. 88.
1093
Ebd., S. 18.
1094
Vgl. Schreiben der Siemens AG an das Landratsamt Rudolstadt vom 01.10.1990 in TLzRoV 0876 / 01-33.
1095
Vgl. Schreiben des TLzRoV an die Siemens AG vom 08.10.1999 in TLzRoV 0876 / 01-33.
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