Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Klarissa Lueg _ Soziale Herkunft und Bewerberauswahl als medienethische Kategorien<br />
103 |<br />
Klarissa Lueg<br />
Soziale Herkunft und Bewerberauswahl als medienethische Kategorien<br />
Zur Bedeutung von Habitus und Herkunft am Beispiel von Journalistenschülern<br />
1. Einleitung<br />
Die soziale Herkunft von Journalisten sowie die herkunftsgekoppelten<br />
Zugangschancen zu dem Berufsfeld<br />
Journalismus stellten lange Zeit kein Thema<br />
der Medienethik dar. Die Bedeutung sozialer Ausleseprozesse<br />
ist ein Forschungsschwerpunkt von Bildungs-<br />
und Elitesoziologen unterschiedlichster Fokussierung<br />
(Hartmann, Kopp 2001; Hartmann 2004;<br />
Allmendinger 2005; Becker 2000). Auch innerhalb<br />
der Kommunikationswissenschaft gibt es ein verstärktes<br />
Interesse an der sozialen Herkunft (Weischenberg,<br />
Malik, Scholl 2006) sowie an Lebensstil und Milieus<br />
von Journalisten (Raabe 2000, 2007; Hradil 2007).<br />
Eine empirische Untersuchung zu Karriereverläufen im<br />
journalistischen Berufsfeld mit spezieller Berücksichtigung<br />
seiner exklusivsten Ausbildungswege und medienethisch<br />
relevanter Kategorien liegt bisher allerdings<br />
nicht vor. Dabei erscheint es angesichts der starken Differenzierung<br />
journalistischer Berufsbilder und der damit<br />
einhergehenden ungleichen Verteilung von Einkommen,<br />
Macht und Einfluss (Weischenberg/Malik/Scholl<br />
2006; Hanitzsch 2007; Meyen/Riesmeyer 2009)<br />
sinnvoll, die spezifischen sozialen Mechanismen der Bildung<br />
journalistischer Eliten zu untersuchen.<br />
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der medienethischen<br />
Dimension sozialer Ungleichheit im Zugang<br />
zu dem prestigeträchtigen Ausbildungsweg ›Journalistenschule‹.<br />
Auf der Basis empirischer Daten und vor dem<br />
theoretischen Hintergrund der Bourdieuschen Konzepte<br />
Feld, Habitus und Kapital soll der Frage nachgegangen<br />
werden, welche mit der sozialen Herkunft korrespondierenden<br />
Kriterien bei der Bewerberauswahl eine<br />
Rolle spielen. Mit diesem Thema steht der Beitrag als<br />
Bindeglied zwischen soziologischer Eliteforschung, subjektbezogener<br />
Journalismusforschung und medienethischer<br />
Reflexion. Zentrales Ziel des vorliegenden Beitrags<br />
ist es zu zeigen, dass die Rekrutierungskultur von Journalistenschulen<br />
im Hinblick auf soziale Offenheit medienethisch<br />
relevant ist. Im Einzelnen gibt dieser Beitrag<br />
Antworten auf die Fragen, aus welchen Herkunftsgruppen<br />
Journalistenschüler stammen, welche schichtspezifischen<br />
Karriereorientierungen sie angeben und mittels<br />
welcher Mechanismen soziale Ungleichheit im Zugang<br />
zu Journalistenschulen konkret erzeugt wird.<br />
2. Journalismus und Eliten<br />
Seine Relevanz erhält das Thema aus der Tatsache,<br />
dass Journalisten im Hinblick auf ihre Herkunft<br />
»nicht der Spiegel der Gesellschaft« sind<br />
(Weischenberg, Malik, Scholl 2006, S. 69). Die<br />
große Mehrheit der Journalisten rekrutiert sich aus Angestellten-<br />
oder Beamtenhaushalten. Seit Herausbildung<br />
des Berufes waren Journalisten häufig akademisch gebildet<br />
und bildungsbürgerlicher Herkunft (Requate 1995).<br />
Ob man Journalisten damit schon als Herkunftselite<br />
bezeichnen kann, ist zweifelhaft, ein Herkunftsprivileg<br />
zeichnet sich aber eindeutig ab. Die Frage nach der<br />
Herkunft von Journalisten verknüpft sich an dieser Stelle<br />
jedoch mit einem anderen Elite-Merkmal: der Macht.<br />
Die Zugehörigkeit zu Elite definiert sich sehr heterogen<br />
und (im eigentlichen demokratischen Sinne des Wortes,<br />
Hartmann <strong>2010</strong>) nicht nur über die soziale Herkunft.<br />
Die personengebundene Macht, Entscheidungen von nationaler<br />
und internationaler Tragweite zu treffen, haben<br />
Medienmacher im Sinne von Mills’(1958) Power Elites<br />
nicht. Macht im Sinne eines Monopols auf Themenselektion,<br />
Agenda-Setting (McCombs, Shaw 1972) und<br />
Deutungshoheit hingegen besitzen Journalisten durchaus.<br />
Die Macht der Medien über andere Felder – z. B.<br />
über politische Eliten mit dem Effekt der Anpassung<br />
der Inszenierung an die Vorgaben der Medienindustrie<br />
– haben zahlreiche Autoren besprochen (Bourdieu 1998;<br />
Meyer 2001; Hachmeister 2007). Meyer spricht von<br />
den »mediengesellschaftlichen Erben des vormaligen Bildungsbürgertums«<br />
(Meyer <strong>2010</strong>, S. 20), die im mittleren<br />
bis gehobenen Angestelltenbereich angesiedelt sind und<br />
entsprechende, »privilegierte« (ebd.) Interessen vertreten.<br />
Dieser Interessensvertretung kommt die »herausgehobene<br />
Rolle in den Deutungsapparaten der Mediengesellschaft«<br />
(ebd.) zu Gute. Da der »Elitejournalismus«<br />
mitbestimmt, wer zur »politischen und kulturellen Elite<br />
zählt« (Hachmeister 2002, S. 13ff ), lassen sich seine<br />
Akteure zur Machtelite zählen.<br />
Die Macht dieser herkunftshomogenen Gruppe hat<br />
Konsequenzen für den Pluralismus des Angebots: Über<br />
die schichtspezifische Wahrnehmung, Bewertung und<br />
Selektion von Themen wären die Berichterstatter gefährdet,<br />
den Rezipienten einseitige Angebote zu unterbreiten.<br />
Der Gedanke an einen der einheitlichen Herkunft