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Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

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Michael Nagenborg _ Überwachen und Überreden<br />

49 |<br />

Michael Nagenborg<br />

Überwachen und Überreden<br />

Einleitung<br />

Wo »Werbung« zum Gegenstand medienethischer Überlegungen<br />

gemacht wird, kann u. a. ein spezifischer Aspekt<br />

der Medienwirkung im Mittelpunkt stehen, der sich mit<br />

der Frage adressieren lässt, ob es Formen der Kommunikation<br />

gibt, die verwerflich sind, weil sie auf Manipulation<br />

statt Information der Adressaten abzielen. Dies ist<br />

etwa bei Propagandamaßnahmen der Fall.<br />

In seinem Buch »Propaganda and the Ethics of Persuasion«<br />

(2003) definiert Randal Marlin »Propaganda«<br />

als »organisierten Versuch mittels Kommunikation die<br />

Überzeugungen, Einstellungen und Handlungen eines<br />

größeren Publikums auf eine Art und Weise zu beeinflussen,<br />

welche das individuelle, rationale Urteil unterwandert<br />

oder unterdrückt.« (Randal 2003, S. 22; Übersetzung<br />

von M. N.) Propaganda (in diesem Sinne) zeugt<br />

insofern von einer mangelnden Achtung vor den Empfängern<br />

der Botschaft als dass die Botschaft sich eben<br />

nicht an autonome Subjekte richtet, die über die Botschaft<br />

urteilen und darüber entscheiden können, ob und<br />

wie sie aufgrund der Botschaft handeln wollen. Vielmehr<br />

zielt die Kommunikation unmittelbar darauf, eine vom<br />

Sender vorbestimmte Haltung gegenüber einem Gegenstand<br />

einnehmen zu lassen, ein bestimmtes Verhalten<br />

auszulösen oder zumindest zu fördern.<br />

Zwischen der offensichtlich verwerflichen Propaganda<br />

und Werbung besteht dabei eine Parallele, sofern auch<br />

Werbung darauf abzielt, das Verhalten der Adressaten<br />

in eine bestimmte Richtung zu lenken und dabei nicht<br />

(allein) auf sachliche Information setzt. Aufgrund dieser<br />

Ähnlichkeit ist es auch nicht überraschend, dass Randal<br />

in seinem Buch ein Kapitel den ethischen Aspekten von<br />

Werbung und Public Relation (PR) widmet. Damit soll<br />

nun nicht behauptet werden, dass »Propaganda«, »Werbung«<br />

und »PR« in der gleichen Liga spielen, wohl aber<br />

das in allen drei Gebieten zu fragen ist, inwieweit der<br />

Versuch der Verhaltensbeeinflussung durch Kommunikation<br />

moralisch legitim ist bzw. wo Grenzen zu ziehen<br />

sind. Dass nicht jede Form von Werbung legitim ist, wird<br />

am Beispiel der – durch die nach deutschem Recht und<br />

durch europäische Vereinbarungen – verbotenen unterschwelligen<br />

Werbung deutlich.* Es scheint in der Gegenwart<br />

jedoch geboten, darüber zu nachzudenken, ob<br />

dies der einzige Kandidat für moralisch verwerfliche<br />

Formen der verhaltensbeeinflussenden Kommunikation<br />

ist.<br />

Leider spielt in der medienethischen Reflektion der Gegenwart<br />

(zumindest in der deutschsprachigen Literatur)<br />

die Frage nach der Grenze von verhaltens beeinflussenden<br />

Kommunikationsformen keine zentrale Rolle.* * Es ist<br />

nicht das Ziel dieses Beitrages, diese L ücke zu schließen.<br />

Es soll im Folgenden jedoch verdeutlicht werden, dass es<br />

gerade in Zusammenhang mit der moralischen Bewertung<br />

von Überwachungsmaßnahmen reizvoll sein könnte,<br />

über einen Maßstab für Formen der unfairen Kommunikation<br />

zu verfügen.<br />

Aus diesem Grund soll im Folgenden gezeigt werden,<br />

wie Überlegungen zu Überwachungsmaßnahmen und<br />

zur persuasiven Kommunikation zusammengebracht<br />

werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Arbeiten<br />

des kanadischen Soziologen David Lyon zur »Surveillance<br />

Society« (so der Titel seines 2001 erschienen<br />

Buches). In Anlehnung an Michel Foucaults Aufsatz<br />

»Macht und Subjekt« (1982) wird dann vorgeschlagen<br />

werden, den Versuch menschliches Verhalten durch<br />

Medien unmittelbar zu beeinflussen als eine Form von<br />

symbolischer Gewalt zu fassen. Diese Verwendungsweise<br />

des Ausdrucks »symbolischer Gewalt« entspricht sicherlich<br />

nicht der üblichen Auffassung des etwas schillernden<br />

Begriffs, erscheint aber als gut geeignet, um das hier zu<br />

adressierende Problem zu benennen. In Anschluss daran<br />

werden zwei Arten der Kritik an Überwachungsprozessen<br />

zu unterscheiden sein, wobei die erste Art bei der Art<br />

der Datenerhebung und -verarbeitung, die zweite bei<br />

der Art und Weise, wie auf das Verhalten von Menschen<br />

eingewirkt werden soll, ansetzt. Es wird dabei aufzuzeigen<br />

sein, dass sich nicht nur im Zusammenhang mit<br />

digitalen Medien Überwachungsprozesse beobachten<br />

lassen und deswegen hinsichtlich der Produktion von<br />

Medienangeboten im Allgemeinen zu fragen ist, welche<br />

Daten im Produktionsprozess genutzt wurden. Im letzten<br />

Abschnitt wird dann auf das allgemeine Interesse an<br />

Techniken der Überredung und an einer die Nutzerinnen<br />

und Nutzer ›überredenden‹ Technik hingewiesen werden.<br />

Gerade auch in Hinblick auf diese Technologien könnte<br />

ein Maßstab für die Grenzen fairer Kommunikation von<br />

Interesse sein, wie im Schlussteil ausgeführt wird.

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