Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Ilka Desganges _ »Investieren Sie in Ihre Zukunft – Halten Sie sich an den Pressekodex!«<br />
95 |<br />
Ziffern 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16<br />
Anzahl 73 247 11 4 0 4 72 121 54 5 66 124 21 7 0 0<br />
Inhaltlicher Schwerpunkt und Anzahl der Eingaben und Beschwerden 2009<br />
Die Übersicht zeigt, dass es 2009 die meisten Beschwerden<br />
wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht gab. Verstöße<br />
gegen das Trennungsgebot liegen in diesem Ranking<br />
an vierter Stelle.<br />
2009 gab es 46 Eingaben zu Ziffer 7 (2008 insgesamt:<br />
40). Die Beschwerdeausschüsse sprachen allein aufgrund<br />
der Verstöße gegen die Ziffer 7 in <strong>2010</strong> Jahr bereits etliche<br />
Rügen und Missbilligungen aus.<br />
Die Zahl der Beschwerden zu Ziffer 7 ist gestiegen, daraus<br />
lässt sich aber nicht zwingend ableiten, dass auch die<br />
Zahl der Verstöße generell steigt.<br />
Der Grund: Nur ein Bruchteil der Verstöße endet als<br />
Beschwerde beim Deutschen Presserat und wird dort<br />
behandelt.<br />
Die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse in Deutschland<br />
wird gerne und oft auf das Verhandeln von Fällen<br />
in den Gremien des Deutschen Presserates reduziert. Das<br />
aber ist zu kurz gegriffen. Wird ein Fall beim Presserat<br />
verhandelt, ist der Fehler bereits geschehen.<br />
Mindestens ebenso wichtig wie das Behandeln von<br />
Fällen erscheinen mir zwei andere Funktionen, die der<br />
Presserat als Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle<br />
ebenfalls ausüben kann und will.<br />
Da wäre zunächst die Prävention. Um es ganz einfach<br />
zu sagen: Nur wer den Pressekodex kennt, kann sich auch<br />
daran halten. Wichtig ist also nach wie vor die gründliche<br />
Aus- und Fortbildung von Journalisten.<br />
Eine Forderung, die einleuchten wird, aber nicht ganz<br />
so einfach einzulösen ist. Wenn die Zahl der freien Journalisten<br />
und die Zahl der Seiteneinsteiger steigt, steigt<br />
möglicherweise auch die Zahl derer, die weniger gut oder<br />
anders ausgebildet sind. Wer den Pressekodex aber nicht<br />
kennt, wird sich nicht daran halten.<br />
Und dann gibt es auch noch die Vermittlung. Die Beschwerdeordnung<br />
sieht vor: »(2) Der Presserat kann zwischen<br />
den Beteiligten vermitteln. Die Behandlung einer<br />
Beschwerde wird während eines solchen Vermittlungsverfahrens<br />
ausgesetzt, Fristen sind unterbrochen. Bei<br />
erfolgreicher Vermittlung ist das Beschwerdeverfahren<br />
beendet. Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung,<br />
wird das Beschwerdeverfahren fortgesetzt.«<br />
Prävention, Vermittlung und Behandlung von Beschwerdefällen<br />
gelten selbstverständlich für den gesamten<br />
Pressekodex.<br />
Doch kommen wir zurück zu Ziffer 7:<br />
»Jeder PR-Artikel, den die Redaktion nicht druckt, ist<br />
ein guter PR-Artikel«. Diesen lange zurückliegenden<br />
Satz eines Anzeigenleiters habe ich noch immer im Ohr.<br />
Auch so kann man die Bedeutung des Trennungsgebotes<br />
umschreiben. Für Journalisten liegt die Bedeutung der<br />
Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung aber<br />
nicht in der größeren Möglichkeit, Anzeigen zu verkaufen.<br />
Für Journalisten liegt sie darin, dass sie glaubwürdig<br />
bleiben. Denn, daran soll noch einmal erinnert sein, deren<br />
Aufgabe besteht in Wertung und Kritik, nicht in platter<br />
Werbung.<br />
Umso unverständlicher sind Fälle wie dieser: Ein Journalist<br />
einer überregionalen Tageszeitung berichtet über<br />
einen Flug in der ersten Klasse einer großen Fluggesellschaft.<br />
Selbstverständlich hätte er darüber positiv berichten<br />
dürfen. Er aber konnte nicht umhin, den Flug lauthals<br />
zu bejubeln.<br />
Die Grenze zur Werbung war weit überschritten. Es<br />
gab eine Beschwerde beim Presserat und dessen Urteil<br />
lautete: begründet, Rüge! In Fällen wie diesem geben<br />
Journalisten ohne Not ihre Glaubwürdigkeit preis.<br />
Die Ressorts, in denen die Grenze zu PR und Werbung<br />
häufiger verwischt werden, sind bekannt: Reise und Motor<br />
gehören dazu.<br />
Doch die Beschwerden beim Deutschen Presserat über<br />
unerlaubte Werbung zeigen, dass Leserinnen und Leser<br />
ein solches Verhalten sehr wohl übel nehmen.<br />
Somit zeigt sich, dass freiwillige Selbstkontrolle die Sache<br />
vieler ist, nicht nur die des Deutschen Presserates, dessen<br />
Mitglieder Journalisten und Verlegervertreter sind.<br />
Freiwillige Selbstkontrolle lediglich als das Handeln des<br />
Deutschen Presserates zu definieren reicht folglich nicht<br />
aus. Es reicht auch nicht aus, den Deutschen Presserat<br />
lediglich als Gremium zu definieren, das ›Fälle‹ behandelt,<br />
Verstöße also gegen den Pressekodex.<br />
Ich möchte die Freiwillige Selbstkontrolle weiter fassen.<br />
Und ich möchte sie differenzieren:<br />
Journalisten brauchen rechtliche und ethische Kenntnisse.<br />
Sie müssen also solide ausgebildet werden – und<br />
die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden.<br />
Journalisten brauchen Orientierung. Die bietet ihnen<br />
u. a. der Pressekodex. Die bieten ihnen aber auch die Beispielfälle,<br />
die der Presserat veröffentlicht.<br />
Journalisten brauchen Rückhalt. Sie müssen sich auf die<br />
jeweils Verantwortlichen in den Redaktionen verlassen<br />
können.