Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Bernhard Debatin _ Herausforderungen und ethische Standards für den Multi-Plattform Journalismus im World Wide Web.<br />
25 |<br />
Bernhard Debatin<br />
Herausforderungen und ethische Standards<br />
für den Multi-Plattform Journalismus im World Wide Web.<br />
Multi-Plattform Journalismus breitet sich auch in<br />
Deutschland immer mehr aus. Zeitungen erscheinen<br />
nicht mehr allein auf Papier, sondern zeitgleich auch als<br />
Online <strong>Ausgabe</strong>n, die neben traditionellem Text- und<br />
Photo material auch Video, Audio und Bilderstrecken<br />
enthalten, sowie animierte Hintergrundberichte, Dossiers<br />
und Daten aller Art, oder auch Blogs von Mitarbeitern.<br />
Rundfunkstationen produzieren nicht mehr<br />
nur Video- und Audiomaterial für das Sendeprogramm,<br />
sondern auch Texte für die Onlineausgabe, sowie Photos,<br />
kurze V ideo- und Audioclips, sowie anderes Hintergrundmaterial,<br />
oftmals präsentiert in einer dynamischen<br />
Animationsumgebung, wie etwa interaktive Graphiken<br />
oder datenbankgenerierte Tabellen und Schaubilder.<br />
Hinzu kommen benutzerorientierte Interaktions- und<br />
Feedbackangebote, wie Meinungsumfragen oder Kommentarfunktionen,<br />
und in manchen Fällen auch die Einbindung<br />
von nutzergenerierten Inhalten durch Userblogs,<br />
Fotoupload, oder soziale Online Netzwerke.<br />
Im Folgenden will ich die Frage behandeln, was die<br />
nicht-intendierten Nebenfolgen dieser Entwicklung sind<br />
und welche ethischen Orientierungen für Online Journalisten<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Nebenfolgen I:<br />
Finanzierungsnöte und die Selbstvernichtung<br />
der Information<br />
Zweifellos hat das Online Medium den Journalismus<br />
revolutioniert. Diese Revolution spielt sich jedoch nicht<br />
ohne Nebenfolgen ab: Die Finanzkrise im Printjournalismus<br />
und das verbreitete Zeitungssterben in Europa und<br />
den USA sind ebenso wie die wachsende Unsicherheit der<br />
Rundfunkfinanzierung eine direkte Folge der Umorientierung<br />
des Journalismus auf ein Medium, das jedenfalls<br />
bislang keine stabile Form der Finanzierung etablieren<br />
konnte (Reichert & Kramp 2009). Bisherige Modelle<br />
von abonnementbasierten Online Angeboten haben sich<br />
als wenig erfolgreich erwiesen, und auch Werbung ist im<br />
Internet im Vergleich zu Print- und Rundfunkmedien<br />
weit weniger zur Deckung von Kosten geeignet. Die<br />
Gründe für diese Finanzierungsnöte sind vielschichtig.<br />
Sie haben zum größten Teil mit den spezifischen Medieneigenschaften<br />
des Onlinemediums zu tun: Nutzer<br />
sind kaum bereit, für Online Inhalte zu bezahlen, da sie<br />
per Mausklick ohne einen Medienwechsel vornehmen<br />
zu müssen ähnliche Inhalte anderswo im Netz umsonst<br />
haben können. Die universale Präsentationsplattform<br />
des Netzmediums zieht die Differenzen zwischen verschiedenen<br />
Anbietern ein. So werden Publikationen, die<br />
ehemals Nachbarn mit hohen Zäunen und Zollschranken<br />
zwischen Ihren Domänen waren, nun gleichsam<br />
zu Mitgliedern einer großen Familie mit nur geringen<br />
Grenzziehzungen.<br />
Dies hat auch Auswirkungen auf den Wert der Informationen,<br />
mit denen der Journalismus sein Brot verdient:<br />
Das ehemals knappe Gut »Information«, das von geschulten<br />
Journalisten aufbereitet und über institutionalisierte<br />
Medien verbreitet wurde, ist nun im Internet frei<br />
erhältlich und kann von jedermann ohne große Mühe<br />
und mit nur geringer Fachkompetenz ausfindig gemacht<br />
und verbreitet werden. Der Medienökonom Robert G.<br />
Picard (2009, S. 2) hat dies so formuliert:<br />
»In the past, limitations on distribution mechanisms<br />
and the cost structures of operating media promoted monopolies<br />
and oligopolies in communication supply. This<br />
increased the economic value of content by excluding<br />
provision by other suppliers. Today that additional value<br />
is gone because a far wider range of sources of news and<br />
information exist and all provide functional, emotional,<br />
and self-expressive benefits. The primary value that is<br />
created today comes from the basic underlying value of<br />
the labour of journalists. Unfortunately, that value is now<br />
near zero.«<br />
Solange Produktionskosten (Papier, Druck, Rundfunktechnik)<br />
und Spezialisierungsanforderungen (v. a. im<br />
Rundfunk) hoch waren, musste die Nachrichten- und<br />
Informationsproduktion über aufwändige und kapitalintensive<br />
Medienorganisationen abgewickelt werden. Dies<br />
erzeugte hinreichend hohe Zugangsschwellen, so dass<br />
Journalismus sich als Profession eigenen Rechts verstehen<br />
konnte, obwohl ihm im Unterschied zu vielen anderen<br />
Professionen und aufgrund seiner notwendigen Offenheit<br />
(in einer Demokratie soll im Prinzip jede/r ö ffentlich<br />
publizieren dürfen) Zertifizierungs- und andere strenge<br />
Mitgliedsregeln fehlen. Mit dem Internet können die<br />
Zugangschranken zum Journalismus zunehmend umgangen<br />
werden. Die allgemeine und kostengünstige<br />
Zugänglichkeit des Internet als Informationsquelle und<br />
Publikationsmedium führt deshalb zu einer Entdifferenzierung<br />
und Entprofessionalisierung des Journalismus.<br />
Aus systemtheoretischer Sicht kann dies so formuliert<br />
werden, dass Journalismus nicht (mehr) über