Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />
182 |<br />
Freiheit) abverlangt, die Setzung von Prioritäten, Zielen<br />
und Wertmaßstäben. Daraus folgert Heintel, dass die<br />
heutige Nachhaltigkeit »sich intensiver mit der Macht<br />
der eigenen Freiheit, ihrer möglichen Einseitigkeiten und<br />
Selbstentfremdungen (Sachzwang) auseinanderzusetzen«<br />
(S. 36) hat. Wie relevante Normen hierzu entwickelt oder<br />
abgeleitet werden können, erklären verschiedene Ethikansätze<br />
unterschiedlich. Der Ansatz der AutorInnen des<br />
Bandes greift auf die Diskursethik und die Prozessethik<br />
zurück. Gemäß der ethischen Konzeption der Prozessethik<br />
Heintels können Normen und Werte nicht von<br />
außen vorgeschrieben werden, sondern müssen innerhalb<br />
von Prozessen, die es auch zu organisieren gilt, durch<br />
die von ihnen Betroffenen festgelegt werden. Als eine<br />
Art »regulative Idee« – in Anlehnung an Kant ist dieser<br />
Maß- und Differenzbegriff selbst nicht vollkommen<br />
bestimmbar, aber ein Maß für Theorie und Praxis – bedarf<br />
Nachhaltigkeit der Erarbeitung von Werten, die im<br />
konkreten Handeln von Menschen relevant und in Bezug<br />
auf die regulative Idee ausgelegt werden und dabei auch<br />
fragen, was mit ihr gewollt werden kann (vgl. Heintel,<br />
S. 30).<br />
In diesem Ansatz steckt, nach Krainer und Trattnigg,<br />
eine transzendentalphilosophische Perspektive, die »nach<br />
den Bedingungen von Möglichkeit der Etablierung Kultureller<br />
Nachhaltigkeit als adäquates Konzept für die<br />
gemeinsame und bewusste Gestaltung unserer Zukunft<br />
fragt.« (S. 12) Erforderlich wird eine »Systemtranszendenz,«<br />
(S. 11) da die dominante ökonomisch-technische<br />
Kultur den Bestrebungen teilweise entgegenläuft, bzw.<br />
selbst »nachhaltig« in dem Sinne ist, dass sie sich fest etabliert<br />
hat. Wenn also die Frage gestellt wird, was wir sinnvoll<br />
für unsere Zukunft wollen können, dann impliziert<br />
dies einerseits, dass Zukunft überhaupt gestaltbar (und<br />
nicht vorgegeben) ist, und dass der notwendige Wandel<br />
der Kultur gegen den Widerstand bestehender Kultur(en)<br />
in der Gesellschaft trifft, ohne dass die vorherrschenden<br />
Systeme wirklich abgeschafft werden können. Daher, so<br />
eine These des Bandes, gilt es »diese dominanten Kulturen<br />
und Wertfiguren in den Diskurs mit einzubeziehen.«<br />
(S. 11) Wie aber entwickelt eine Gesellschaft Vorstellungen<br />
und Bilder über die Zukunft? Und wie kann es gelingen,<br />
ȟber kollektive Aushandlungsprozesse zu einer anderen<br />
Qualität von Entscheidungen zu gelangen« (S. 11)?<br />
Entscheiden, so Krainer, meint immer »zugleich einen<br />
Prozess und ein Resultat« (S. 176). Entscheidungen sind<br />
dann nachhaltig, »wenn im Prozess ihrer Entscheidungsfindung<br />
alle Interessengruppen Aussicht haben, gehört,<br />
verstanden und berücksichtigt zu werden; wenn Entscheidungen<br />
also so getroffen werden können, dass Interessenkonflikte<br />
in ihnen einen Ausgleich finden können,<br />
mit dessen Resultat alle Interessenparteien (mindestens<br />
gerade noch) leben können.« (S. 184). Zum Anderen sind<br />
Entscheidungen von nachhaltiger Wirkung, »wenn ihr<br />
Implementieren gewährleistet wird und ihre Umsetzung<br />
einer regelmäßigen Überprüfung (durch jene, die von<br />
ihr betroffen sind) unterworfen wird, wenn also auch die<br />
Möglichkeit besteht, sie an veränderte Gegebenheiten<br />
und neue Herausforderungen anzupassen oder auch sie<br />
prinzipiell zu hinterfragen.« (S. 185) Je größer allerdings<br />
die Entscheidungsmaterie, je komplexer muss das Verfahren<br />
und umso höher die Anforderung an die Steuerung<br />
solcher Entscheidungsfindungsverfahren sein. (vgl.<br />
S. 188)<br />
Wie diese dominanten Kulturen und Werte überwunden<br />
und kulturelle Nachhaltigkeit gesichert werden können,<br />
behandeln die Autoren nach den theoretischen Grundlegungen<br />
im ersten Teil in den interdisziplinären Anknüpfungspunkten<br />
und Konkretisierung von Nachhaltigkeit<br />
im zweiten Teil des Bandes. Hier fordern die Autoren die<br />
nachhaltige Zukunftsgestaltung durch Einbindung der<br />
Gesellschaft sowie eine »Kultur des Politischen« (S. 259)<br />
(Stichwort Partizipation) und »neue Formen der Politikgestaltung«<br />
(Governance) (S. 303). Auch die Medien sowie<br />
Wissenschaften sind gefragt in der Überwindung des<br />
bisherigen Systems.<br />
Was die Einbindung der Gesellschaft angeht, fordert<br />
Renate Hübner eine Veränderung des »sehr ressourcenintensiven<br />
Konsumstils« (S. 223) in unserem Wirtschaftssystem<br />
hin zu einer Habitualisierung neuerer<br />
Verhaltensformen, die auch »kulturell anschlussfähig«<br />
(S. 224) sind. Hierzu müsse sich Nachhaltigkeit, so Rita<br />
Trattnigg, von einem Randthema zu einem wichtigen<br />
gesellschaftlichen Thema entwickeln (vgl. S. 298f.) und<br />
Zukunftsgestaltung (und Orientierung) zum »obersten<br />
politischen Prinzip« werden (S. 300). Bedeutet Politik<br />
nämlich »verantwortungsvolles Handeln für die Zukunft«<br />
(S. 259), dann ist nachhaltige Entwicklung auch<br />
eine Frage der »Kultur des Politischen« und »Kulturelle<br />
Nachhaltigkeit postuliert die Wichtigkeit bewusster Zukunftsgestaltung«<br />
(S. 259). Bei der Frage der Zukunft<br />
und Zukunftsfähigkeit wird bürgerschaftliches Engagement<br />
relevant. Denn für ein »prozedurales, prozesshaftes<br />
Nachhaltigkeitsverständnis,« welches das inhaltsorientierte<br />
Verständnis abgelöst und das Prinzip der<br />
Partizipation zum »zentralen Anker der Nachhaltigkeit«<br />
gemacht macht (S. 316), spielt, so Helmut Friessner.<br />
die Zivilgesellschaft eine wesentliche Rolle. Hier sollten<br />
die Medien den Anstoß geben, »für den Diskurs Kommunikationsräume<br />
für alle Betroffenen, ggf. für die gesamte<br />
Gesellschaft, zu eröffnen und darüber hinaus die<br />
Brücken funktion der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten<br />
zum Komplex der politischen Kompetenz bzw. der Bürokratie<br />
oder anderen gesellschaftlichen Funktionsträgern<br />
zu dokumentieren,« (S. 319) um Reflexivität in den betroffenen<br />
Systeme zu fördern.<br />
Neben den inter- und transdisziplinär ausgerichteten<br />
Wissenschaftlern sieht Krainer die Journalisten dazu