10.03.2013 Aufrufe

Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Olaf Hoffjann _ Im Auftrag des Vertrauens.<br />

117 |<br />

Olaf Hoffjann<br />

Im Auftrag des Vertrauens.<br />

Dualisierende und entdualisierende Strategien der PR<br />

Die erste Selbstverpflichtung eines Mitgliedes der Deutschen<br />

Public Relations Gesellschaft lautet: »Ich habe wahrhaftig<br />

zu sein.« (DPRG). Während des Konfliktes um<br />

die Versenkung der Ölplattform Brent Spar 1995 hat sich<br />

Shell offenkundig daran gehalten. Shell behauptete damals,<br />

dass sich noch etwa 150 Tonnen Schadstoffe in den<br />

Tanks befänden, während Greenpeace von 5.500 Tonnen<br />

sprach. Eine Expertenkommission nannte schließlich<br />

eine Menge zwischen 74,3 und 102,7 Tonnen (vgl. Shell<br />

1995; Vorfelder 1995). Shells Darstellung war vermutlich<br />

nicht nur wahrhaftig, sondern kann – aus einer realistischen<br />

Perspektive – auch als wahr bezeichnet werden.<br />

Damit wäre aus dieser erkenntnistheoretischen Perspektive<br />

eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen in Shell<br />

und Misstrauen gegenüber Greenpeace gegeben. »[A]<br />

däquate Wirklichkeitsrekonstruktion der PR und der<br />

Medien ist eine sozial begründete Notwendigkeit, die mit<br />

Vertrauensverlusten sanktioniert wird, wenn sie durchbrochen<br />

wird« (Bentele 2005: 158). Doch das Ende ist<br />

bekannt: Shell verlor nicht nur den Konflikt, sondern litt<br />

noch lange unter den Folgen des Brent Spar-Konfliktes.<br />

Das Beispiel zeigt, dass eine realistische Begründung von<br />

Vertrauen – jenseits aller erkenntnistheoretischen Grundsatzkritik<br />

insbesondere aus konstruktivistischer Perspektive<br />

– angesichts zahlreicher Inszenierungen auf öffentlichen,<br />

halböffentlichen und nichtöffentlichen Vorder- und<br />

Hinterbühnen unterkomplex bleibt. Offenkundig kann<br />

mit Bezug auf eine ontische Realität Vertrauen nicht<br />

ausreichend erklärt werden. Daher soll in diesem Beitrag<br />

eine alternative Perspektive gewählt werden. Erkenntnistheoretisch<br />

wird in dem Beitrag eine non-dualistische<br />

Perspektive nach Mitterer (1992, 2001) eingenommen<br />

werden. Der in der Kommunikationswissenschaft bislang<br />

wenig beachtete Ansatz (vgl. als Ausnahmen z. B. Weber<br />

2005) berücksichtigt die Vorläufigkeit und damit Kontingenz<br />

aller Beschreibungen ebenso wie die Folgen für Vertrauens-<br />

bzw. Misstrauenshandlungen. Sozialtheoretisch<br />

wird eine systemtheoretische Perspektive eingenommen.<br />

Ein solcher Standpunkt bietet sich an, weil damit die spezifische<br />

Selektivität der PR berücksichtigt wird.<br />

Um die zentrale Forschungsfrage des Beitrags – Wie<br />

schafft PR Vertrauen? – zu beantworten, wird zunächst<br />

Vertrauen in PR zu erläutern sein. Anschließend wird<br />

zwischen zwei idealtypischen Strategien der Vertrauensgewinnung<br />

unterschieden, um in einem abschließenden<br />

Fazit zu fragen, warum PR in der heutigen Gesellschaft<br />

noch mit Vertrauen rechnet.<br />

1. Vertrauen in PR<br />

Vertrauen ist ein zentraler Begriff in der PR-Forschung,<br />

bei dem schon ein inflationärer Gebrauch zu beobachten<br />

ist (vgl. Bentele 1994: 150). PR wird auch als Vertrauensexperte<br />

(vgl. Löhn/Röttger 2009) und als Vertrauensvermittler<br />

(vgl. Bentele 1994) bezeichnet. Bereits in<br />

den 50er und 60er Jahren war Vertrauen in praktizistischen<br />

Arbeiten zur PR wie bei Hundhausen (1951) oder<br />

Oeckl (1960) eine zentrale Kategorie. Vertrauen wird<br />

hier zumeist als praktische Zielvorgabe erfolgreicher PR-<br />

Arbeit genannt.<br />

Von einer ernstzunehmenden theoretisch-fundierten<br />

PR-Forschung zum Vertrauen kann erst seit den Arbeiten<br />

von Bentele gesprochen werden. Ausgehend von<br />

seiner Habilitationsschrift zum öffentlichen Vertrauen<br />

(1988, hier: 2008) hat er sich zunehmend mit Fragen von<br />

Vertrauen und PR beschäftigt (u. a. 1994). Diese Arbeiten<br />

sind bis heute zentraler Referenzpunkt für dieses<br />

Themenfeld in der deutschen und internationalen PR-<br />

Forschung. Ohne den Ansatz hier ausführlich erläutern<br />

und würdigen zu können, ist sein erkenntnistheoretisches<br />

Fundament kritisch einzuordnen, das in seiner<br />

Vertrauens theorie eine zentrale Rolle einnimmt. In letzter<br />

Konsequenz wird laut seinem Ansatz Vertrauen geschenkt,<br />

wenn Medien- bzw. PR-Realität einem Realitätscheck<br />

standhalten (vgl. Bentele 2005: 158). Bentele<br />

stellt dadurch mit der Objektivität eine Kategorie in den<br />

Mittelpunkt, deren Erreichbarkeit bzw. Überprüfbarkeit<br />

in den Kommunikationswissenschaften seit einigen Jahren<br />

aus ganz unterschiedlichen theoretischen Perspektiven<br />

in Zweifel gezogen wird.<br />

Bevor im Folgenden ein alternativer Ansatz internen<br />

und externen Vertrauens in PR vorgestellt wird, sollen<br />

zunächst kurz die vertrauenstheoretischen und PR-theoretischen<br />

Annahmen skizziert werden.<br />

Als Vertrauen soll mit Luhmann ein Mechanismus zur<br />

Reduktion sozialer Komplexität und zudem eine riskante<br />

Vorleistung verstanden werden. Luhmann spricht nur<br />

dann von Vertrauen, wenn die vertrauensvolle Erwartung<br />

bei einer Entscheidung ausschlaggebend ist (vgl.<br />

Luhmann 1989: 23f ). In modernen Gesellschaften hat<br />

sich neben personalem Vertrauen ein besonderer Vertrauenstyp<br />

ausdifferenziert: das Systemvertrauen (vgl. ebd.:<br />

50ff ). Der Erfolg des Tauschmediums Geld basiert zwar<br />

auch auf persönlichem Vertrauen – der andere könnte<br />

einem ja auch Falschgeld geben –, insbesondere aber

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!