Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />
98 |<br />
2.2 Kulturvielfalt in der Medienpraxis und<br />
Medienausbildung<br />
Die Produktion von Medieninhalten in multikulturellen<br />
Teams sowie die Distribution an ein häufig unspezifisch<br />
definiertes Publikum aus unterschiedlichen Kulturkreisen<br />
gehören heute zur Realität in internationalen Medienunternehmen.<br />
Die Internationalisierung des Faches<br />
beginnt bereits in der Ausbildung.<br />
Aus professionsethischer Sicht sind ethische Idealnormen<br />
wie Gerechtigkeit, Wahrheit, Partizipation, Verantwortung<br />
und Nachhaltigkeit erstrebenswert. Doch<br />
welche unterschiedlichen Normen fordern unterschiedliche<br />
Wertesysteme und journalistische Kulturen? Die<br />
Heterogenität der Journalismuskulturen und Medienlandschaften<br />
sowie die Intransparenz globaler Medienverflechtungen<br />
stellen dabei besondere Herausforderungen<br />
dar. Aus Forschungssicht erscheinen Prozesse und<br />
Auswirkungen der trans- und interkulturellen Medienprofessionalisierung<br />
und Medienproduktion bislang jedoch<br />
wenig beleuchtet.<br />
In der Ethical News (Fall 2007, Vol. 11, No 1) der AEJMC<br />
Media Ethics Division stellen amerikanische Lehrende<br />
der Medienethik praktische Überlegungen an, ob und<br />
wie eine globale Medienethik gelehrt werden könne. Der<br />
Einbezug globaler Fälle der Medienethik in das Curriculum<br />
wird empfohlen, etwa durch Fallbeispiele mit globalem<br />
Bezug wie der »Karikaturenstreit« um die Abbildung<br />
von Mohammed in Presseberichten 2006 oder ein Vergleich<br />
der Professionsnormen des arabischen Nachrichtensenders<br />
Al-Jazeera mit westlichen Medienreaktionen.<br />
Aus Perspektive der Medienpolitik befasst sich<br />
Barbara Thomass (2007) mit der Frage nach dem<br />
Verhältnis von Media Governance und Medienethik<br />
und bezieht dabei auch die Personalebene der Journalisten<br />
ein. Sie stellt dabei zwei mögliche Beziehungen<br />
her: Einerseits könne Medienethik eine Dimension von<br />
Governance und damit praktizierte Medienethik bedeuten,<br />
andererseits könne Medienethik Antworten auf<br />
Probleme geben, die sich mit der Formulierung medienpolitischer<br />
Fragen unter der Governance-Perspektive<br />
beschäftigen und somit ein normatives Fundament von<br />
Media Governance liefern. Sie nennt sechs Ebenen eines<br />
ausdifferenzierten Mediensystems für die journalistische<br />
Ethik (Thomass 2007: 233): eine metaethische<br />
Ebene, die übergeordnete Prinzipien für den Journalismus<br />
formuliert wie etwa das Prinzip der Freiheit; eine<br />
gesellschaftspolitische Ebene, die den historischen und<br />
gesellschaftlichen Kontext einbezieht wie etwa akzeptierte<br />
Werte wie Meinungs- und Informationsfreiheit<br />
in pluralistischen Gesellschaften; eine medien politische<br />
Ebene, innerhalb der sich ein Mediensystem organisieren<br />
kann; eine Organisationsebene, in der das Handeln<br />
einzelner Medienunternehmen im Mittelpunkt steht<br />
wie beispielsweise unterschiedliche Auslegungen von<br />
Pressefreiheit von Boulevardmedien oder öffentlichrechtlichen<br />
Sendern; eine berufsbezogene Ebene, die<br />
normative Handlungsmöglichkeiten berücksichtigt; sowie<br />
eine personale Ebene, die den einzelnen Journalisten<br />
und dessen Gestaltungsmöglichkeiten einschließt. Die<br />
Individualebene journalistischen Entscheidungshandels<br />
lässt sich damit verorten und für unterschiedliche Kulturen<br />
und Medienlandschaften diskutieren. Eine ähnliche<br />
Überlegung formuliert Bernhard Debatin (2003b) für<br />
die Abkehr von der Individualethik in der Ausbildung:<br />
Die medienethische Ausbildung solle das verantwortungsethische<br />
Wechselspiel von Individuum, Organisation<br />
und Gesellschaft betonen, und nicht die Last der<br />
Verantwortung einseitig auf die Subjekte legen.<br />
2.3 Medienprofessionalisierung und Didaktik von medienethischen<br />
Normen<br />
Wie Kaase et al (1997) konstatieren, erfolgt die Professionalisierung<br />
im Journalismus vor dem Hintergrund<br />
der inneren Medienfreiheit und journalistischen Selbstkontrolle,<br />
daher gelten Professionsverbände und Ausbildungsinstanzen<br />
als entscheidende Akteure professioneller<br />
Normierung und Wertsetzung. Viele Länder weltweit<br />
verfügen erst in Anfängen über Mechanismen der beruflichen<br />
Sozialisation. Wie aus einer Studie der Internationalen<br />
Weiterbildung und Entwicklung GmbH (InWEnt)<br />
hervorgeht (vgl. Fengler et al. 2008), nehmen sich Berufsverbände<br />
in unterschiedlichen Ländern, insbesondere<br />
auch Transformationsstaaten, verstärkt des Themas Medienethik<br />
an.<br />
In der Forschungsliteratur zur Didaktik von Medienethik<br />
werden im Wesentlichen zwei Schwerpunkte betont.<br />
Einerseits werden medienethische Grundlagen in<br />
Form klassischer Vorlesungen und Seminare vermittelt,<br />
die zweite Veranstaltungsform sind praktische Fallstudien.<br />
Empfehlungen für das Lehren von Medienethik<br />
in der Aus- und Fortbildung von Medienberufen stellen<br />
Bernhard Debatin und Rüdiger Funiok vor<br />
(Debatin / Funiok 2003). Theoretisch unterscheiden<br />
sie eine ethisch-philosophische, eine demokratietheoretische<br />
und eine kommunikationswissenschaftliche Fundierung<br />
des Ausbildungskontextes. Zur Überbrückung<br />
der Theorie-Praxis-Kluft formulieren die Autoren die<br />
Lernziele: Wahrnehmung eines berufsethischen Problems,<br />
das Besprechen mit anderen (Kommunizieren), das<br />
Argumentieren mit Normen und Prinzipien, das Urteilen<br />
sowie das nachfolgende Handeln. Eine Vermittlung<br />
von medienethischer Urteilsfähigkeit beschränke sich<br />
dabei nicht auf klare Handlungsanweisen, sondern solle<br />
zu einer moralischen Entwicklung einer »reflektierten<br />
Regel- und Pflichtethik« (Debatin / Funiok 2003: 8)<br />
führen. Die Autoren folgern, dass medienethische