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Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

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Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />

86 |<br />

Mathias Rentsch<br />

Weicher Stachel im Fleische?<br />

Medienjournalismus als Instanz der Medienselbstkontrolle<br />

An den Medienjournalismus werden verschiedene normative<br />

Ansprüche herangetragen. Medienjournalisten<br />

wird dabei auch das Potenzial zugesprochen, als Instanz<br />

der Medienselbstkontrolle aufzutreten. Stapf (2005: 19)<br />

ordnet den selbstreflexiven Journalismus neben beispielsweise<br />

Medienräten, Kodizes und der Medienforschung<br />

auf der professionellen, institutionell vermittelnden<br />

Ebene der Medienselbstkontrolle ein.<br />

Im Vergleich mit anderen Formen der Selbstkontrolle<br />

birgt der Medienjournalismus ein spezifisches Leistungsvermögen,<br />

aber auch besondere -hemmnisse. Auf<br />

Grundlage der Befunde einer Befragung von Medienredakteuren<br />

(n=78)* wird die Frage diskutiert, inwiefern<br />

Medienjournalisten tatsächlich als Instanz der Medienselbstkontrolle<br />

zu wirken willens und in der Lage sind.<br />

Leistungsvermögen des Medienjournalismus<br />

Gegenüber anderen Kontrollinstanzen hat der Medienjournalismus<br />

einige Vorzüge, die sich aus seiner Natur als<br />

selbstreflexiver Journalismus ableiten. Berichterstattung<br />

von Medien über Medien kann verstanden werden als<br />

eine »Situation, in der das Mediensystem die Funktion<br />

auf sich selbst anwendet (oder anwenden muss), die es<br />

ansonsten für das übergeordnete System ›Gesellschaft‹<br />

beziehungsweise deren andere Subsysteme übernimmt«<br />

(Quast 1998: 225). In Erfüllung dieser Funktion stellt<br />

Medienjournalismus eine Öffentlichkeit für Medienfragen<br />

her, kontrolliert und kritisiert den Journalismus konsequenterweise<br />

auch.<br />

Medienjournalismus verfügt dabei über eine ›doppelte<br />

Reichweite‹: Er wirkt sowohl in den Journalismus als auch,<br />

zumindest wenn es sich um Medienjournalismus bei der<br />

Publikumspresse handelt, auch in die breite Öffentlichkeit<br />

hinein. Damit ist er in der Lage, Fehlentwicklungen<br />

im Journalismus über die Fachöffentlichkeit hinaus zum<br />

Thema zu machen (vgl. etwa Fengler 2003: 151f.). Indem<br />

Medienjournalismus selbständig Öffentlichkeit für<br />

Medienfragen herzustellen in der Lage ist, unterscheidet<br />

er sich von anderen Formen der institutionellen Medienselbstkontrolle.<br />

Denn diese sind weitgehend darauf<br />

angewiesen, dass ihre Kritik durch die Medien, nämlich<br />

durch Medienjournalismus, einer breiten Öffentlichkeit<br />

bekanntgemacht wird. Nur durch Öffentlichkeit aber<br />

entsteht jener Erwartungsdruck, der Medien und Journalisten<br />

drängt, sich Defiziten anzunehmen und sie zu<br />

beheben (vgl. Kepplinger 1993: 161, Malik 2004: 191).<br />

Medienjournalisten gelten als professionelle Beobachter<br />

und Kritiker, bei denen Fach- und Sachkompetenz zusammenfallen,<br />

und als Kenner des Mediengeschäfts mit<br />

einem geringeren Risiko von Fehleinschätzungen (vgl.<br />

Eilders 2006: 125). Für Fengler (2003: 150), die den<br />

Medienjournalismus in den USA untersucht hat, deutet<br />

vieles darauf hin, dass Journalisten Kritik am ehesten<br />

von Ihresgleichen akzeptieren. Anderen Kontrollgruppen<br />

werde in Umfragen immer wieder die Erfahrung<br />

oder Glaubwürdigkeit abgesprochen, Journalismus zu<br />

beurteilen.<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint das Leistungspotenzial<br />

des Medienjournalismus beachtlich: Er prüft qualifiziert<br />

journalistisches Verhalten, konfrontiert Journalisten<br />

öffentlich mit den Ergebnissen und übernimmt auf diese<br />

Weise Verantwortung für den eigenen Berufsstand. Als<br />

Instanz kollegialer Verantwortung vermag Medienjournalismus,<br />

Vertrauen in den Journalismus zu generieren<br />

und zu dessen Legitimation beizutragen.<br />

Hemmschuhe des Medienjournalismus<br />

Der Medienjournalismus hat aber auch besondere<br />

Hemmschuhe. Da ist zuallererst wiederum die starke<br />

Kollegenorientierung im (Medien-)Journalismus, die<br />

eben nicht nur für, sondern auch gegen ihn spricht. Aus<br />

der Nähe zu den Kontrollierten ergeben sich Tabus,<br />

blinde Flecken und die Angst, als Nestbeschmutzer zu<br />

gelten und isoliert zu werden (vgl. Fengler 2002: 70,<br />

Kepplinger 1993: 182).<br />

Auch wird Journalisten grundsätzlich der Wille abgesprochen,<br />

eine öffentliche und kritische Diskussion über<br />

die Arbeit anderer Journalisten und dabei vor allem über<br />

mögliches Fehlverhalten zu führen (vgl. Kepplinger<br />

1985: 258ff.).<br />

Außerdem wird Medienjournalisten vorgeworfen, sich<br />

für die Interessen des eigenen Mediums instrumentalisieren<br />

zu lassen, ja gar kein Journalismus zu sein, sondern<br />

Selbstbeweihräucherung, Cross-Promotion oder Hofberichterstattung<br />

(vgl. Russ-Mohl 1999: 203). Karmasin<br />

(2006: 14f.) beschreibt mit dem Pluralismusmodell und<br />

dem Propagandamodell die zwei Zielalternativen im Medienjournalismus:<br />

eine Art Unternehmenskommunikation<br />

für das eigene Medium auf der einen – unabhängiger,<br />

kritischer und objektiver Watchdog-Journalismus auf der<br />

anderen Seite.

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