Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />
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immer weniger in den Blickpunkt rücken. Aufgrund der prominenzzentrierten Perspektive<br />
ergebe sich eine Konzentration auf das bühnenöffentliche Akteursverhalten durch<br />
Personalisierung, aus dem sich handlungs theoretische Kurzschlüsse bei der Bewertung<br />
politischer Prozesse ergäben.<br />
Durch die primär fernsehfixierte Perspektive sei eine Reduktion der Wirklichkeit auf das<br />
Fernsehbild zu konstatieren. Überhaupt werde die Prozessdimension von Politik durch<br />
die Berichterstattung vernachlässigt. Beteiligungs- und Austauschprozesse innerhalb der<br />
Medienöffentlichkeit seien schließlich angewiesen auf die Vermittlungsleistungen der<br />
Medien und daher abhängig von den spezifischen Rahmenbedingungen der Nachrichtenproduktion,<br />
von Nachrichtenfaktoren, Medienformaten und anderen medienspezifischen<br />
Einflüssen. Langwierige verhandlungsdemokratische Entscheidungsprozesse würden<br />
im Rahmen der politischen Berichterstattung in der Regel nicht dargestellt, da sie<br />
den Zeitrahmen der entsprechenden Medienformate sprengen würden. Insofern ist die<br />
Darstellung von politischen Ritualen ein probates Mittel zur Reduktion von Komplexität.<br />
Ob dadurch aber das Interesse an Politik bei den Rezipienten steigt, ist kritisch<br />
zu hinterfragen. Schließlich geht die Wahlbeteiligung seit vielen Jahren kontinuierlich<br />
zurück. Während zur Bundestagswahl 1972 noch 91,1% an die Urne gegangen sind, reduzierte<br />
sich diese Zahl bis zur Bundestagswahl 2009 auf 70,8%. Obwohl drei Viertel der<br />
Bundesbürger politisch interessiert sind, wie Umfragen zeigen, kann sich rund die Hälfte<br />
der Befragten vorstellen, bei der kommenden Bundestagswahl nicht mehr abzustimmen.<br />
(Embacher 2009). Sicher liegt dieser negative Trend nicht nur an der konventionellen<br />
Berichterstattung über Politik selbst. Gleichwohl scheinen die gängigen Politikformate<br />
aber auch nicht motivierend dazu beizutragen, sich intensiver mit Politik zu beschäftigen.<br />
Der nachfolgende Beitrag, der auf einem Vortrag beim IX. Symposium zur Medienethik<br />
»Medien – Rituale – Jugend« an der Hochschule der Medien in Stuttgart vom 14. Januar<br />
<strong>2010</strong> basiert, widmet sich der Frage, in welcher Form und Ausprägung speziell im öffentlichen<br />
Fernsehen Politikvermittlung erfolgt. Hierbei wird exemplarisch der Blick auf das<br />
traditionelle Format der ARD-Tagesschau und ausgewählte politische Talkshows gerichtet.<br />
Dabei ist zu untersuchen, inwiefern politische Rituale selbst in der Berichterstattung<br />
auftauchen und wo sich konkret rituelle Abläufe im Rahmen der Nachrichten und Gesprächssendungen<br />
zeigen. Es stellt sich die Frage, ob derartige Sendungen angemessene<br />
Informationen über politische Zusammenhänge vermitteln oder nicht. Zunächst richtet<br />
sich der Blick jedoch auf politische Rituale, die aufgrund der prägnanten visuellen Darstellungsmöglichkeiten<br />
häufig auch in Fernsehnachrichten gezeigt werden.<br />
Politische Rituale im Fernsehen<br />
Rituale reduzieren Komplexität Sie dienen der Orientierung und Ordnung, vermitteln<br />
Sinn und Sicherheit und sorgen für die Integration kollektiver Gemeinschaften (vgl.<br />
Lord 2008).<br />
Da Politik ein abstraktes Geschehen ist und sich politische Willens- und Entscheidungsprozesse<br />
im Gegensatz zu Unfällen, Katastrophen und Sportereignissen kaum filmen<br />
lassen, müssen weitergehende Mechanismen und Strategien greifen, um Politikvermittlung<br />
zu gewährleisten.<br />
Gerade die Politiker, die aufgrund ihrer privilegierten Position in den Medien regelmäßig<br />
die Möglichkeiten erhalten, sich im Rahmen von Medienritualen professionell