Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />
180 |<br />
Besprechung von Olaf Hoffjann<br />
Handbuch Medienethik<br />
Herausgegeben von Christian Schicha<br />
und Carsten Brosda erschienen im<br />
VS-Verlag <strong>2010</strong><br />
Es gehört zu den Pflichten einer Redaktion einer Medienethik-Zeitschrift,<br />
ein Handbuch Medienethik zu<br />
rezensieren. Aber wie geht man mit dem Umstand um,<br />
dass die Herausgeber der Zeitschrift und des Handbuchs<br />
weitgehend identisch sind? Droht dann die Aufweichung<br />
des Trennungsgebotes von Information und Werbung,<br />
auf das einer der beiden Herausgeber im Handbuch hinweist<br />
(S. 267)? Oder sind gar die Transparenz, Offenheit<br />
und Freiheit von äußeren Zwängen bedroht, die die Herausgeber<br />
als Beispiele ethischer Anforderungen an Medienkommunikation<br />
in ihrem Vorwort benennen (S. 12)?<br />
Um jeglichen Verdacht unmoralischer Grenzüberschreitung<br />
und fehlender Unabhängigkeit auszuräumen, kurz:<br />
um nicht als bestellter ›Jubelperser‹ zu erscheinen, bleibt<br />
einem Rezensenten in einer solchen Situation nur ein<br />
Ausweg: Er muss einen Verriss schreiben – auch wenn<br />
das möglicherweise nicht seiner eigentlichen Meinung<br />
entspricht.<br />
Aber auch dies ist im Falle des Handbuches Medienethik<br />
›leider‹ nicht möglich. Denn ein Verriss des Bandes<br />
müsste angesichts seiner beeindruckenden Qualität<br />
zwangsläufig unglaubwürdig bleiben. Das 580 Seiten umfassende<br />
Werk, das Anfang <strong>2010</strong> nach rund zweijähriger<br />
Vorbereitungszeit erschienen ist, ist ein rundum gelungener<br />
Band. Auf den ersten Blick beeindruckt die Breite der<br />
aufgegriffenen Themen, auf den zweiten Blick die Qualität<br />
der Einzelbeiträge sowie die offenkundig intensive<br />
Betreuung der Autoren durch die Herausgeber.<br />
Im grundlegenden ersten Hauptkapitel werden die verschiedenen<br />
theoretischen Begründungskontexte medienethischer<br />
Konzeptionen skizziert. Die Bandbreite reicht<br />
von der philosophischen Ethik und individualethischen<br />
Ansätze über die konstruktivistische und systemtheoretische<br />
Perspektive bis hin zur Diskursethik und theologischen<br />
Perspektiven. Was hier in fast allen Beiträgen<br />
besonders überzeugt, ist die vergleichbare Systematik:<br />
Ethik wird zunächst aus der jeweiligen theoretischen Perspektive<br />
allgemein beschrieben und theoretisch reflektiert,<br />
bevor die Anwendung auf den Medienbereich erfolgt.<br />
Damit wird die spezifische Perspektive deutlich herausgearbeitet<br />
und erleichtert einen Vergleich zwischen den<br />
verschiedenen Beiträgen.<br />
Im zweiten Hauptkapitel werden verschiedene Institutionen<br />
der Medienethik vorgestellt und erörtert, in denen<br />
medienethische Standards durchgesetzt werden, in denen<br />
es aber auch Hürden gibt, die diesen im Wege stehen.<br />
Hier werden u. a. Redaktionen,<br />
die Selbstkontrolle,<br />
der Deutsche Presserat,<br />
Medienunternehmungen,<br />
das Publikum die Zivilgesellschaft<br />
thematisiert. Für<br />
eine s icherlich zu erwartende<br />
zweite Auflage wäre<br />
wünschenswert, wenn hier<br />
der Vergleich zwischen<br />
unterschiedlichen Institutionen<br />
der Selbstkontrolle<br />
ausführlicher ausfallen<br />
würde. So werden der<br />
Werberat und der Deutsche Rat für Public Relations zwar<br />
kurz erläutert, ein Vergleich mit dem Deutschen Presserat<br />
verspräche jedoch einen großen Gewinn, da einerseits<br />
die unterschiedlichen Regelungen untersucht werden<br />
könnten, vor allem aber die verschiedenen Kontexte und<br />
Funktionen der Selbstkontroll-Instanzen in den jeweiligen<br />
Bereichen vergleichend analysiert werden könnten.<br />
Im dritten Hauptkapitel werden u. a. mit dem Journalismus,<br />
der Public Relations, Werbung verschiedene<br />
Anwendungsfelder der Medienethik erörtert. Die Beiträge<br />
sind für sich genommen überzeugend, gerade zur<br />
Herausarbeitung der Unterschiede in den genannten<br />
Anwendungsfeldern wäre hier aber eine einheitlichere<br />
Gliederung wünschenswert gewesen. Nach den Spannungsfeldern<br />
zwischen Ethik und Profit, Qualität sowie<br />
Recht folgen im fünften Hauptkapitel Beispiele<br />
medienethischer Grenzbereiche. Die sehr lesenswerten<br />
Beiträge belegen eindrucksvoll die Allgegenwärtigkeit<br />
medienethischer Themen. Im letzten Hauptkapitel werden<br />
medienethische Debatten und Mechanismen in<br />
verschiedenen Ländern vorgestellt. Angesichts der Vielzahl<br />
möglicher medienethischer Themen können in den<br />
Beiträgen nur schlaglichtartig zentrale Themen aus den<br />
jeweiligen Ländern bzw. Regionen vorgestellt werden –<br />
dies gelingt in der Regel sehr überzeugend. Wer weiter<br />
lesen möchte, findet in einer kommentierten Auswahlbibliographie<br />
schließlich weitere einführende Werke bzw.<br />
weiterführende Werke zu ausgewählten medienethischen<br />
Frage- und Problemstellungen.<br />
Es gibt in der Kommunikationswissenschaft wohl nur<br />
wenige Themen, die so lange auf ein Handbuch warten<br />
mussten wie die Medienethik. Es ist ein Glücksfall, dass<br />
sich Christian Schicha und Carsten Brosda an<br />
diese Aufgabe gemacht haben und zu fast allen Themen<br />
seit Jahren einschlägig publizierende Autoren gewinnen<br />
konnten. So dürfte das Handbuch Medienethik schon<br />
jetzt das lange erwartete Standardwerk für jedes medienethische<br />
Seminar sein. Und es ist zu hoffen, dass es dazu<br />
beiträgt, dass das Thema Medienethik vom Rand der<br />
Kommunikationswissenschaften weiter in die Mitte<br />
des Faches rückt.