Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Christian Schicha _ Inhaltsleere Medienrituale?<br />
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Der ›Visualisierungszwang‹ innerhalb der Nachrichtenberichterstattung nutzt jedoch<br />
noch bei Weitem nicht die Möglichkeiten, die das Medium zu bieten hat. Auch hier wird<br />
in der Regel nach konventionellen und traditionellen Kriterien vorgegangen.<br />
Gleichwohl sind die vielfach über die Medien dargestellten wenig konstruktiven Auseinandersetzungen<br />
zwischen den um Stimmen konkurrierenden politischen Protagonisten<br />
wenig hilfreich, um Vertrauen in die klassische Politik zu erreichen: »Die Politikberichterstattung<br />
im Fernsehen ist neben dem Negativismus auf Personalisierung, Betonung von<br />
Konflikten, Vernachlässigung wichtiger Sachthemen, sound-bite-Berichterstattung und<br />
horse-race-Journalismus. Diese Kritikpunkte an der Politikvermittlung können die Politikverdrossenheit<br />
der Politiker mit verursachen.« (Arnsfeld 2005, S. 161)<br />
Komplexe politische Inhalte werden häufig nicht angemessen vermittelt. Während die<br />
öffentlich-rechtlichen Fernsehanbieter ein verhältnismäßig breites Politikangebot haben,<br />
verzichten die privat-kommerziellen Anbieter fast völlig darauf oder bieten derartige<br />
Programme zu extrem späten Sendeterminen an. Jugendliche schauen hingegen kaum<br />
ARD und ZDF, sondern wenden sich den privat-kommerziellen Anbietern zu.<br />
Fernsehnachrichten<br />
»Fernsehnachrichten, als Teil eines Inszenierungs- und Unterhaltungsmediums, sind auf<br />
Darsteller, Bühnen, und Bühnenbild angewiesen. Politischer Alltag in Fernsehnachrichten<br />
zeigt sich daher häufig als routinierter, ritualisierter Medienalltag: vorfahrende Limousinen,<br />
Händeschütteln, Zeremonien, kurze Debatten- und Redeausschnitte, sowie<br />
der einträchtige Willkommensgestus am Kabinettstisch.« (Kamps 1998, S. 41)<br />
Es ist zu differenzieren, zwischen den – bereits skizzierten – politischen Ritualen, über<br />
die in den Medien berichtet wird und den rituellen Ablauf von Nachrichtensendungen.<br />
Diese laufen stets nach dem gleichen Muster ab. Nach der eingeblendeten Uhr mit der<br />
spezifischen Erkennungsmusik erfolgt die Begrüßung des Moderators mit Meldungen,<br />
Einspielfilmen, Interviews, Korrespondentenberichten, der Wetterkarte und der Verabschiedung.<br />
Auch inhaltlich zeigen sich immer wiederkehrende Muster im Programmablauf.<br />
Bei der Tageschau beginnt die Sendung in der Regel mit der Innenpolitik. Es<br />
folgen die Außenpolitik, Wirtschaftsmeldungen, der Sport und die Wetterkarte (vgl.<br />
Fahlenbrach/Brück/Bartsch 2008).<br />
Die Form der Präsentation von Nachrichten erzeugt einen Ritualcharakter durch die<br />
Invariantenbildung der gleichbleibenden Sendezeiten und die formale Standardisierungen<br />
der Präsentation durch die Sprecher bzw. Moderatoren. Das Vorlesungsritual und<br />
die gleichbleibende Studiokulisse signalisieren Statik und Erwartungssicherheit (vgl.<br />
Bleicher 1999). Goethals konstatiert (1998, S. 317): »Die täglichen Nachrichtensendungen<br />
präsentieren ritualisierte Berichte über die ›Wirklichkeit‹. Es handelt sich dabei<br />
um sorgfältig konstruierte Erzählungen, die in Worten und Bildern zusammengestellt<br />
werden, und welche die Geschehnisse erklären sollen. Den Erfolg von Fernsehritualen<br />
können wir daran ermessen, dass die meisten von uns die Nachrichten nicht als symbolische<br />
Konstruktion betrachten, sondern viel eher als symbolische Darstellung der Realität.«<br />
Konventionelle Formate von Nachrichten sendungen greifen auf ein immer wiederkehrendes<br />
rituelles Muster der Darstellung von Politik zurück und erzeugen damit<br />
Erwartungssicherheit und Systemvertrauen. Dort werden eigene rituelle Abläufe geprägt,<br />
die etwa bei der ARD-Tagesschau durch die immer wieder gleichen starren