Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Ilka Desganges _ »Investieren Sie in Ihre Zukunft – Halten Sie sich an den Pressekodex!«<br />
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Ilka Desganges<br />
»Investieren Sie in Ihre Zukunft – Halten Sie sich an den Pressekodex!«<br />
Ziffer 7 regelt mehr als die Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten –<br />
Ziffer 7 garantiert ein Stück Pressefreiheit.<br />
Es handelt sich um einen Praxisbericht, der Erfahrungen<br />
aus der medienethischen Diskussion in unterschiedlichen<br />
Kontexten enthält:<br />
Bei der Journalistenausbildung in einem Zeitungsverlag<br />
bzw. Zeitungsverbund, bei der Diskussion mit Studierenden,<br />
bei der praktischen Beschäftigung mit Verstößen gegen<br />
Ziffer 7 als Mitglied einer der Beschwerdekammern<br />
des Deutschen Presserates. Und bei der täglichen Arbeit in<br />
der Redaktion einer Regionalzeitung.<br />
In jedem der vier Bereiche wird medienethisch auf unterschiedliche<br />
Weise und mit unterschiedlicher Intensität<br />
diskutiert.<br />
Je weiter von der Praxis entfernt, umso höher die individualethischen<br />
Ansprüche. Je näher an der Praxis, umso<br />
größer der Druck. Das heißt, es gilt die Arbeitsbedingungen<br />
zu berücksichtigen, wenngleich das nicht heißen darf,<br />
dass die ethischen Standards sozusagen der Konjunktur<br />
angepasst werden sollen.<br />
Der Titel des Vortrages ist bewusst schlagzeilenhaft gewählt.<br />
Er ist appellativ, werbend, um nicht zu sagen: laut.<br />
Ich habe ihn so gewählt, weil ich denke, dass man nicht<br />
laut genug werben kann für einen Pressekodex und speziell<br />
für die Trennung von redaktionellen Inhalten und<br />
Werbung.<br />
Zunächst möchte ich die Arbeitsbedingungen von Journalisten<br />
skizzieren:<br />
1. Erst kommt die Auflage, dann die Moral? –<br />
Ein paar Fakten zur Entwicklung des Journalismus<br />
in Deutschland<br />
Der Journalismus hat in den letzten zehn Jahren eine rasante<br />
Entwicklung genommen. Journalisten sind dabei,<br />
einen Teil ihrer ursprünglichen Aufgabe – die Kontrolle<br />
und die Kritik – aus den Augen zu verlieren. Für gründliche<br />
Recherche bleibt vielfach keine Zeit. Die Pressemitteilung<br />
ersetzt allzu oft den Gesprächspartner.<br />
Festangestellte haben weniger Kollegen, mehr Aufgaben,<br />
mehr Zukunftssorgen. Kündigungen, Einstellungsstopps,<br />
das Zusammenlegen von Redaktionen, schrumpfende<br />
Redaktionsetats sind an der Tagesordnung.<br />
Freie Journalisten kämpfen um ihre Existenz und ihre<br />
Zahl wächst. Nach Schätzungen des Deutschen Journalistenverbandes<br />
sind es derzeit etwa 25.000. Sie verdienen<br />
im Schnitt zwischen 1.000 und 2.500 Euro im Monat.<br />
Viele müssen sich eine zusätzliche Tätigkeit zur journalistischen<br />
suchen, um überleben zu können.<br />
Von daher kann der Satz aus dem Medienkodex des<br />
Netzwerkes Recherche »Journalisten machen keine PR« als<br />
eine wichtige Forderung verstanden werden. Eine Forderung<br />
jedoch, die bedauerlicherweise mit der Realität<br />
vielfach nicht vereinbar ist.<br />
Lange schon gibt es den so genannten »PR-Journalisten«.<br />
Hier werden zwei Tätigkeiten zusammengeführt,<br />
die im Grunde nicht zusammen passen. Es versteht sich<br />
von selbst, dass Artikel, die ein Unternehmen bei einem<br />
PR-Journalisten in Auftrag gibt, keine kritischen Artikel<br />
sind.<br />
Freie sind häufig gezwungen, zu Dumping-Preisen zu<br />
arbeiten, um überhaupt Aufträge zu bekommen. Ökonomisch<br />
betrachtet können sich viele Freie die solide Recherche,<br />
das Nachfragen und Nachhaken nicht leisten.<br />
Die Unterschiede zwischen unabhängiger Information<br />
und PR schwinden. Schützen können sich Redaktionen<br />
davor nur, wenn sie den schleichenden Einfluss von PR<br />
auch erkennen. Im Pressekodex ist der Umgang mit Presseerklärungen<br />
geregelt: In Richtlinie 7.2 heißt es: »Die<br />
Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet<br />
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material«.<br />
Parallel zu Honorarkürzungen und Entlassungswellen<br />
wird nach wie vor die Qualitätsdebatte geführt.<br />
Den Sparern stehen die Mahner gegenüber. Ein paar<br />
Beispiele:<br />
ZDF-Intendant Markus Schächter bei den Mainzer<br />
Medientagen 2009: »Wir dürfen die Medien nicht der<br />
Finanzwirtschaft überlassen«.<br />
Alexander Güttler, Präsident der Gesellschaft Public<br />
Relations Agenturen und Mitglied der Beschwerdekammer<br />
Online im Deutschen Rat für PR, sagte der Wirtschaftswoche<br />
im Oktober 2009: »Wer von der Industrie gepampert<br />
wird, soll das zugeben.« Er fordert einen Verhaltenskodex<br />
auch für Blogs, in denen gesponserte Produkt-Rezensionen<br />
stehen.<br />
DJV-Vorsitzender Michale Konken beim Verbandstag<br />
am 10. November 2009 in Berlin: »Im Journalismus<br />
sind in der gegenwärtigen Krise die Freien am stärksten<br />
betroffen. Weder Politiker noch Verleger dürfen die<br />
Hände in den Schoß legen. Wir erwarten entschlossenes<br />
Handeln für den Erhalt des Qualitätsjournalismus.«