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Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

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Ilka Desganges _ »Investieren Sie in Ihre Zukunft – Halten Sie sich an den Pressekodex!«<br />

93 |<br />

Ilka Desganges<br />

»Investieren Sie in Ihre Zukunft – Halten Sie sich an den Pressekodex!«<br />

Ziffer 7 regelt mehr als die Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten –<br />

Ziffer 7 garantiert ein Stück Pressefreiheit.<br />

Es handelt sich um einen Praxisbericht, der Erfahrungen<br />

aus der medienethischen Diskussion in unterschiedlichen<br />

Kontexten enthält:<br />

Bei der Journalistenausbildung in einem Zeitungsverlag<br />

bzw. Zeitungsverbund, bei der Diskussion mit Studierenden,<br />

bei der praktischen Beschäftigung mit Verstößen gegen<br />

Ziffer 7 als Mitglied einer der Beschwerdekammern<br />

des Deutschen Presserates. Und bei der täglichen Arbeit in<br />

der Redaktion einer Regionalzeitung.<br />

In jedem der vier Bereiche wird medienethisch auf unterschiedliche<br />

Weise und mit unterschiedlicher Intensität<br />

diskutiert.<br />

Je weiter von der Praxis entfernt, umso höher die individualethischen<br />

Ansprüche. Je näher an der Praxis, umso<br />

größer der Druck. Das heißt, es gilt die Arbeitsbedingungen<br />

zu berücksichtigen, wenngleich das nicht heißen darf,<br />

dass die ethischen Standards sozusagen der Konjunktur<br />

angepasst werden sollen.<br />

Der Titel des Vortrages ist bewusst schlagzeilenhaft gewählt.<br />

Er ist appellativ, werbend, um nicht zu sagen: laut.<br />

Ich habe ihn so gewählt, weil ich denke, dass man nicht<br />

laut genug werben kann für einen Pressekodex und speziell<br />

für die Trennung von redaktionellen Inhalten und<br />

Werbung.<br />

Zunächst möchte ich die Arbeitsbedingungen von Journalisten<br />

skizzieren:<br />

1. Erst kommt die Auflage, dann die Moral? –<br />

Ein paar Fakten zur Entwicklung des Journalismus<br />

in Deutschland<br />

Der Journalismus hat in den letzten zehn Jahren eine rasante<br />

Entwicklung genommen. Journalisten sind dabei,<br />

einen Teil ihrer ursprünglichen Aufgabe – die Kontrolle<br />

und die Kritik – aus den Augen zu verlieren. Für gründliche<br />

Recherche bleibt vielfach keine Zeit. Die Pressemitteilung<br />

ersetzt allzu oft den Gesprächspartner.<br />

Festangestellte haben weniger Kollegen, mehr Aufgaben,<br />

mehr Zukunftssorgen. Kündigungen, Einstellungsstopps,<br />

das Zusammenlegen von Redaktionen, schrumpfende<br />

Redaktionsetats sind an der Tagesordnung.<br />

Freie Journalisten kämpfen um ihre Existenz und ihre<br />

Zahl wächst. Nach Schätzungen des Deutschen Journalistenverbandes<br />

sind es derzeit etwa 25.000. Sie verdienen<br />

im Schnitt zwischen 1.000 und 2.500 Euro im Monat.<br />

Viele müssen sich eine zusätzliche Tätigkeit zur journalistischen<br />

suchen, um überleben zu können.<br />

Von daher kann der Satz aus dem Medienkodex des<br />

Netzwerkes Recherche »Journalisten machen keine PR« als<br />

eine wichtige Forderung verstanden werden. Eine Forderung<br />

jedoch, die bedauerlicherweise mit der Realität<br />

vielfach nicht vereinbar ist.<br />

Lange schon gibt es den so genannten »PR-Journalisten«.<br />

Hier werden zwei Tätigkeiten zusammengeführt,<br />

die im Grunde nicht zusammen passen. Es versteht sich<br />

von selbst, dass Artikel, die ein Unternehmen bei einem<br />

PR-Journalisten in Auftrag gibt, keine kritischen Artikel<br />

sind.<br />

Freie sind häufig gezwungen, zu Dumping-Preisen zu<br />

arbeiten, um überhaupt Aufträge zu bekommen. Ökonomisch<br />

betrachtet können sich viele Freie die solide Recherche,<br />

das Nachfragen und Nachhaken nicht leisten.<br />

Die Unterschiede zwischen unabhängiger Information<br />

und PR schwinden. Schützen können sich Redaktionen<br />

davor nur, wenn sie den schleichenden Einfluss von PR<br />

auch erkennen. Im Pressekodex ist der Umgang mit Presseerklärungen<br />

geregelt: In Richtlinie 7.2 heißt es: »Die<br />

Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet<br />

besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material«.<br />

Parallel zu Honorarkürzungen und Entlassungswellen<br />

wird nach wie vor die Qualitätsdebatte geführt.<br />

Den Sparern stehen die Mahner gegenüber. Ein paar<br />

Beispiele:<br />

ZDF-Intendant Markus Schächter bei den Mainzer<br />

Medientagen 2009: »Wir dürfen die Medien nicht der<br />

Finanzwirtschaft überlassen«.<br />

Alexander Güttler, Präsident der Gesellschaft Public<br />

Relations Agenturen und Mitglied der Beschwerdekammer<br />

Online im Deutschen Rat für PR, sagte der Wirtschaftswoche<br />

im Oktober 2009: »Wer von der Industrie gepampert<br />

wird, soll das zugeben.« Er fordert einen Verhaltenskodex<br />

auch für Blogs, in denen gesponserte Produkt-Rezensionen<br />

stehen.<br />

DJV-Vorsitzender Michale Konken beim Verbandstag<br />

am 10. November 2009 in Berlin: »Im Journalismus<br />

sind in der gegenwärtigen Krise die Freien am stärksten<br />

betroffen. Weder Politiker noch Verleger dürfen die<br />

Hände in den Schoß legen. Wir erwarten entschlossenes<br />

Handeln für den Erhalt des Qualitätsjournalismus.«

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