Komplette Ausgabe 2010 - synpannier
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Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />
Nina Köberer<br />
»Journalismus für lau«<br />
Gratiszeitungen als medienethisch relevantes Problemfeld –<br />
Ergebnisse einer empirischen Studie.<br />
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise prägt gegenwärtig<br />
die Märkte und sorgt für veränderte wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen. Dabei ist auch ein Rückgang<br />
an Werbeeinnahmen zu verzeichnen: Nach Angaben des<br />
Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) fallen<br />
die Werbeausgaben in diesem Jahr voraussichtlich unter<br />
die 20-Milliarden-Euro-Grenze. Zum Vergleich: Im<br />
Jahr 2000 lagen sie noch bei 23,38 Milliarden Euro. Werbung<br />
wird zudem immer mehr von den klassischen Medien<br />
weg, in das World-Wide-Web, verlagert. Und hier<br />
sind die Einbrüche dramatisch. So sind die Netto-Werbeerlöse<br />
in Deutschland zwischen 2000 und 2009 beim<br />
Hörfunk um 18 Prozent, beim Fernsehen um 22 Prozent<br />
und bei den Print-Medien Tageszeitungen um 35 Prozent<br />
bzw. Zeitschriften um 36 Prozent zurückgegangen<br />
(vgl. Siebenhaar <strong>2010</strong>). Nicht nur entgeltliche Zeitungen,<br />
besonders Gratiszeitungen sind von den veränderten<br />
wirtschaftlichen Bedingungen existenziell betroffen, da<br />
sie sich als kostenlose Formate rein über Werbeeinnahmen<br />
finanzieren.<br />
Gerade Gratisformate stehen aufgrund ihrer finanziellen<br />
Abhängigkeit von Werbekunden unter Verdacht,<br />
»redaktionelle Inhalte wirtschaftlicher Gewinnorientierung<br />
unterworfen zu haben, konkret: Dem Verkauf von<br />
Werbeflächen als Ware« (Krainer 2001, 90). Die rückläufigen<br />
Anzeigenbuchungen verstärken den Druck auf<br />
Verlage, Werbekunden zu akquirieren, um die wirtschaftliche<br />
Existenz des Blattes zu sichern. Aus medienethischer<br />
Perspektive muss befürchtet werden, dass relevante<br />
Themen zunehmend von den Anzeigenabteilungen und<br />
vom Management bestimmt würden und die Freiheit der<br />
Meinung in diesem Fall zur Freiheit des Profits generiere<br />
(vgl. Karmasin 1993, 434). Besonders problematisch ist<br />
in diesem Zusammenhang, dass aufgrund des Finanzierungsdrucks<br />
und der damit einhergehenden redaktionellen<br />
Orientierung an Werbekunden journalistische<br />
Qualitätsansprüche immer öfter hinten anstehen. Dabei<br />
müssen vor allem Gratisformate aufgrund ihres kostenlosen<br />
Erscheinens bei den Konsumenten mit Qualität<br />
überzeugen, um hohe Reichweiten zu generieren und<br />
somit interessant für die Werbekunden zu sein. Speziell<br />
Gratiszeitungen müssen, soweit sie mehr sein wollen als<br />
Anzeigenblättchen, in journalistische Qualität investieren<br />
– kurz: »gratis darf nicht billig sein« (vgl. Köberer <strong>2010</strong>).<br />
Die Trennung von Werbung und Redaktion ist eine<br />
Grundvoraussetzung für journalistische Qualität. Dies<br />
54 | lässt sich dadurch begründen, dass die Akzeptanz und<br />
der finanzielle Erfolg von Medienprodukten auf dem<br />
Markt stark mit den Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften<br />
der Medien zusammenhängen und die generelle<br />
Bereitschaft, Medien zu nutzen, sich auch durch das<br />
Vertrauen der Konsumenten in die Qualität der Medien<br />
konstituiert. Für Medienprodukte wie beispielsweise<br />
Zeitungen, Nachrichtenmagazine usw., die vor allem<br />
der Vermittlung von Information dienen, ist unter anderem<br />
Wahrhaftigkeit ein notwendiger Qualitätsaspekt (vgl.<br />
Rath 2006). Nur wahrhaftige Berichterstattung ermöglicht<br />
die Orientierung am tatsächlichen Sachverhalt und<br />
stellt eine Plattform für sachgerechte Kommunikation<br />
und freie Meinungsbildung dar. Unabhängige Berichterstattung<br />
und »richtige, vollständige, wahrhaftige, verständliche«<br />
Informationsvermittlung sind Grundvoraussetzungen<br />
für freie Meinungsbildung, die Partizipation<br />
an Öffentlichkeit und damit Grundbedingungen für die<br />
Umsetzung von demokratischen Prinzipien (Pöttker<br />
2000, 382).<br />
Neben der inhaltlichen Ausrichtung redaktioneller Themen<br />
im Hinblick auf potentielle Werbekunden besteht<br />
zudem die Gefahr, dass redaktionelle Beiträge und Werbemaßnahmen<br />
nicht mehr klar voneinander getrennt<br />
werden und es zu einer immer stärkeren Vermischung<br />
von redaktionellem Inhalt und Werbung kommt. In vielen<br />
Fällen ist es für die Konsumenten schwierig zu entscheiden,<br />
ob es sich noch um einen redaktionellen Beitrag<br />
oder schon um eine Werbebotschaft handelt, da es<br />
oftmals an einer klaren Trennung und Kennzeichnung<br />
von redaktionellen und werbenden Anteilen fehlt (vgl.<br />
von Römer/Steffensen 2007).<br />
Advertorials, werbliche Textbeiträge, die den Anschein<br />
eines redaktionellen Beitrags erwecken sollen, nehmen<br />
in dieser Hinsicht einen besonderen Stellenwert ein. Das<br />
Advertorial zählt zu den Werbeformen, die sich auf den<br />
ersten Blick nicht eindeutig dem Bereich Werbung oder<br />
redaktioneller Inhalt zuordnen lassen, denn die Werbeinformationen<br />
werden wie journalistische Beiträge<br />
aufbereitet. Da Rezipienten in Bezug auf Werbeinhalte<br />
wesentlich aufnahmebereiter sind, wenn die Werbeinformationen<br />
redaktionell dargelegt werden, ist eine<br />
Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt, im<br />
Sinne des Verbraucherschutzes und zur Wahrung journalistischer<br />
Qualität, notwendig. Der Deutsche Presserat<br />
formuliert daher als einen der Publizistischen Grundsätze<br />
die »klare Trennung von redaktionellem Text und<br />
Anzeigen« (Deutscher Presserat 2008, 5). Dabei verfügt