10.03.2013 Aufrufe

Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

Komplette Ausgabe 2010 - synpannier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Christian Schicha _ Inhaltsleere Medienrituale?<br />

127 |<br />

Christian Schicha<br />

Inhaltsleere Medienrituale?<br />

Kritische Anmerkungen zu standardisierten Formen<br />

der Fernsehberichterstattung am Beispiel von Nachrichten<br />

und politischen Talkshows<br />

Einleitung<br />

Warum wurde in der Tagesschau darüber berichtet, dass der Sänger einer Casting-Show<br />

mit seinem Auto einen Gurkenlaster rammte? Muss es in der ARD um 20.15 Uhr einen<br />

Brennpunkt zum »Schneechaos« geben? Ist es angemessen, dass die Heirat zwischen<br />

Camilla Parker Bowles und Prinz Charles zum Thema des Tages in den Tagesthemen<br />

avanciert? (vgl. Bertram 2006) Offenkundig richtet sich der Fokus von Nachrichtensendungen<br />

auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr nur auf politische<br />

Zusammenhänge, sondern auch auf Boulevardthemen, obwohl der Grundversorgungsauftrag<br />

neben der Unterhaltung vor allem politische Information und Bildung vorsieht.<br />

Politische Kommunikation als integraler Bestandteil des politischen Prozesses gehört<br />

schließlich zu den Kernaufgaben der Demokratie. Sie soll dazu beitragen, politische Prozesse<br />

zu vermitteln, um den Menschen den Zugang zu politischen Meinungs- und Willensbildungsprozessen<br />

zu ermöglichen. Dabei sind mehrere Aufgaben zu erfüllen, die<br />

auch im Rahmen der Medienberichterstattung zu leisten sind (vgl. Dörner 2001):<br />

Politische Kommunikation soll Politik sichtbar und erfahrbar machen, insbesondere<br />

für die Bevölkerungsschichten, die über keine unmittelbaren Erfahrungen und Vorkenntnisse<br />

über komplexe politische Prozesse oder das politische System besitzen.<br />

Politische Kommunikation soll Orientierungs-, Vorstellungs- und Deutungsmuster<br />

vermitteln.<br />

Politische Kommunikation soll erforderliche Werte- und Konsensformen anbieten.<br />

Politische Kommunikation soll Identifikation und einen emotionalen Zugang zum<br />

politischen System ermöglichen.<br />

Politische Kommunikation soll die Öffentlichkeit mit Herausforderungen, Themen<br />

und alternativen Gestaltungsmöglichkeiten konfrontieren.<br />

In der medialen Praxis werden diese Ansprüche jedoch nicht konsequent umgesetzt. Dies<br />

zeigt die weit verbreitete Kritik an der aktuellen Politikvermittlung vor allem innerhalb<br />

der Fernsehberichterstattung. Es werde, so der Vorwurf, ein inszeniertes Bild der Politik<br />

vermittelt, aus dem sich eine Entleerung der Berichterstattung von politischen Inhalten<br />

ergebe. Nicht die rationale Abwägung sachlicher Handlungsalternativen stehe im<br />

Blickpunkt, sondern die Sympathie- und Kompetenzzuschreibungen politischer Akteure<br />

würden primär durch mediale Inszenierungen suggeriert. Politische Institutionen und<br />

Verfahren würden im Rahmen der Berichterstattung weniger thematisiert. Faktisch entspreche<br />

die Politikvermittlung in den Medien nicht der faktischen Komplexität politischer<br />

Willensbildungsprozesse. Die Politikvermittlung reduziere sich in vielen Fällen<br />

auf Aspekte der Visualisierung und Ritualisierung. Das Zeigbare in Form von bildfixierten<br />

Rückschlüssen werde präsentiert, während Hintergründe und Zusammenhänge

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!