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ANSICHTSSACHE<br />
VERKEHRSFUNK<br />
RADIO GAGA<br />
A45 Wetzlar Redakteur Stefan Cerchez hört immer noch leidenschaftlich<br />
gerne Radio im Auto. Doch mit den STAUMELDUNGEN<br />
A1Köln<br />
der großen Flächensender steht er auf Kriegsfuß.<br />
Es mag hoffnungslos altmodisch<br />
klingen, aber<br />
auch in Zeiten von mp3 und<br />
mobilen Streaming-Angeboten<br />
höre ich im Auto noch gerne<br />
Radio. Keine spezialisierten<br />
Spartensender, sondern überwiegend<br />
öffentlich-rechtliche<br />
Pop- und Informationswellen<br />
– zumindest diejenigen, die<br />
sich dem Formatierungswahn<br />
zum Trotz immer noch einen<br />
Rest an akustischer Eigenständigkeit<br />
bewahrt haben und bei<br />
den Wortbeiträgen eine gewisse<br />
Qualität bieten. Mit dieser<br />
Mischung lassen sich auch<br />
mehrstündige Fahrten gut<br />
überbrücken – zumal dann,<br />
wenn sich dabei die Chance<br />
bietet, die Radiokultur jenseits<br />
des Heimatsenders kennen zu<br />
lernen.<br />
Natürlich habe auch ich meistens<br />
eine Auswahl meiner aktuellen<br />
Lieblingstitel auf USB-<br />
A66 Frankfurt<br />
A7 Kassel<br />
STEFAN CERCHEZ ärgert sich über die Flut von Verkehrsmeldungen, die bei reichweitenstarken Radiosendern regelmäßig über den Äther gehen<br />
Stick dabei, aber auf längeren<br />
Touren lässt mich die Neugier<br />
spätestens nach einer Stunde<br />
Konservenmusik wieder im<br />
UKW-Band surfen – auf der<br />
Suche nach frischen Melodien<br />
und aktuellen Nachrichten.<br />
Allerdings wird meine Leidenschaft<br />
zwei Mal pro Stunde auf<br />
eine harte Probe gestellt –<br />
nämlich dann, wenn das<br />
diensthabende Moderationspersonal<br />
die aktuellen Staumeldungen<br />
verliest. Denn<br />
das kann dauern.<br />
Während sich regionale<br />
Privatsender<br />
dank ihres kleineren<br />
Verbreitungsgebietes<br />
beim Verkehrsgeschehen<br />
meist auf<br />
einen klar definierten<br />
Ballungsraum beschränken,<br />
nehmen<br />
vor allem die großen<br />
öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten ihren Versorgungsauftrag<br />
sehr ernst. Sie senden<br />
nicht nur Musik und Nachrichten,<br />
sondern auch eine Flut<br />
von Verkehrsmeldungen, die<br />
weit über das ursprüngliche<br />
Kernsendegebiet hinausgehen.<br />
Der Gedanke dahinter ist klar:<br />
Der geneigte Hörer soll sich<br />
auch darüber informieren können,<br />
was ihm auf seinem<br />
nächsten oder übernächsten<br />
Streckenabschnitt blüht.<br />
Dieses im Grunde löbliche Vorhaben<br />
scheitert aber in zwei<br />
„Verkehrsmeldungen<br />
vorlesen<br />
ist von vorgestern<br />
und kostet teure<br />
Sendeminuten“<br />
nicht ganz unerheblichen<br />
Punkten: Relevanz und Aktualität.<br />
Denn während ich mich<br />
durch die Stuttgarter Feierabend-Rush-hour<br />
quäle, interessieren<br />
mich die Staus auf<br />
der A3 bei Köln ebensowenig<br />
wie die aktuelle Wartezeit vor<br />
dem Gotthard-Straßentunnel<br />
oder die schneeglatte A8 am<br />
Irschenberg. Und selbst wenn<br />
ich zufällig auf dem Weg ins<br />
Rheinland oder in die Schweiz<br />
wäre, hat sich die Situation in<br />
der Zeit, die ich für die Anfahrt<br />
brauche, unter Garantie<br />
schon wieder ver-<br />
ändert.<br />
Zugegeben: Die Sender<br />
bemühen sich<br />
redlich, indem sie<br />
versuchen, ihre Daten<br />
möglichst häufig zu<br />
aktualisieren und mit<br />
zusätzlichen Informationen<br />
wie Warte-<br />
zeiten und Umleitungsempfehlungen<br />
anzureichern. Trotzdem<br />
müssen sich Radiofans täglich<br />
zahllose Meldungen anhören,<br />
die rein gar nichts mit ihrer<br />
Route zu tun haben.<br />
Dabei können sich Autofahrer<br />
heute ganz gut selbst über die<br />
Verkehrslage informieren: Navigationssysteme<br />
oder Internetportale<br />
bringen die Meldungen<br />
per Knopfdruck auf<br />
den Schirm, teilweise sogar<br />
angereichert mit Echtzeitdaten,<br />
und berücksichtigen diese sofort<br />
bei der Routenplanung.<br />
Warum also noch wertvolle<br />
Sendeminuten für das überholte<br />
Verlesen von Verkehrsmeldungen<br />
mit immensen Streuverlusten<br />
vergeuden? Denn<br />
statt drei Minuten Verkehrsfunk<br />
pro Stunde bliebe Zeit für<br />
zwei Wortbeiträge – oder einen<br />
zusätzlichen Musiktitel.<br />
Stefan Cerchez<br />
34 AUTO 7/<strong>2013</strong> www.facebook.com/AUTOStrassenverkehr