Tagungsband low.pdf (1.9 MB) - (ESF) im Land Bremen
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100 Abschluss der Fachtagung<br />
Herr Bürgermeister Dr. Scherf<br />
Gleich zu Beginn zwei Bitten um Verständnis:<br />
1. Ich empfinde das Wort „Gender Mainstreaming“ als<br />
unhandlich und seine abgeleiteten, teilweise in die<br />
deutsche Sprache überführten Unter-Begriffe als Wort-<br />
Ungetüme. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich mich<br />
nicht <strong>im</strong>mer dieser Terminologie bediene. Ich will <strong>im</strong><br />
Folgenden hin und wieder lieber von „Geschlechterperspektive“<br />
oder „Geschlechtersicht“ reden, wenn es<br />
um die „Genderperspektive“ geht.<br />
2. Der Titel meines Vortrages <strong>im</strong> Programmheft klingt so<br />
hölzern, dass ich, wäre ich Teilnehmer, nie zu solch<br />
einem Programmpunkt gehen würde. Bitte gewähren<br />
Sie mir die Freiheit, keinen braven Sachstandsbericht<br />
abzuliefern, sondern aus ausgewählten Bereichen<br />
der bremischen Verwaltung zu berichten und zwar<br />
mit Blick auf die Probleme be<strong>im</strong> Umgang mit dieser<br />
neuen Geschlechterperspektive.<br />
Seit dem Jahr 2002 sind wir an dem Thema Gender<br />
Mainstreaming dran. Und seit Mitte 2003 sind wir dabei,<br />
ein vom Senat beschlossenes Konzept zur Verankerung<br />
der Geschlechterperspektive in der bremischen<br />
Verwaltung umzusetzen. Wir tun dies zunächst in Pilotprojekten<br />
in ausgewählten Bereichen:<br />
Beispiel Kindergärten<br />
In einem Pilotprojekt versuchen wir, den Anteil an<br />
männlichem Betreuungspersonal in unseren KiTas zu<br />
erhöhen. Hier soll – ausnahmsweise – die Dominanz<br />
der Frauen gemildert werden, da die Kinder auch männliche<br />
Identifikationsfiguren brauchen.<br />
Beispiel Beratung bei Existenzgründungen<br />
In <strong>Bremen</strong> werden 37 Prozent der Existenzgründungen<br />
von Frauen unternommen (<strong>im</strong> Bund sind es 27%). Bekannt<br />
ist, dass Frauen oft „anders gründen“ als Männer.<br />
Sie brauchen dementsprechend eine andere Beratung:<br />
Die Lebensumstände, aus denen heraus sie ein Unternehmen<br />
gründen, unterscheiden sich oft gravierend<br />
Umsetzung von Gender Mainstreaming<br />
in der bremischen Verwaltung<br />
von der Lebenssituation, in der Männer zu Gründern<br />
werden. In <strong>Bremen</strong> haben wir unsere Existenzgründerberatung<br />
darauf eingestellt und unsere Förderpraxis<br />
entsprechend flexibilisiert (Projekt „B.E.G.IN.“).<br />
Die Erfahrung hat gezeigt: Eine Sensibilität für die Geschlechterperspektive<br />
und eine daraus folgende Beachtung<br />
dieser Sichtweise wächst nicht von unten in<br />
eine Organisation hinein. Sie ist nur über die Spitzen<br />
der Hierarchien auf Ressort-, Verwaltungs-, Ämter- und<br />
Betriebsebenen einzuführen – top-down. Und es muss<br />
in den Verwaltungseinheiten Spezialistinnen und Spezialisten<br />
für dieses Unterfangen geben, die mit Hilfe<br />
von Pilotprojekten das Thema angehen; es sind die sogenannten<br />
– Achtung Wort-Ungeheuer – Gender-Beauftragten.<br />
Sie sollen die Leitungen bei diesem top-down-<br />
Prozess unterstützen.<br />
Und diese Gender-Beauftragten haben wir in <strong>Bremen</strong> in<br />
der Hierarchie auch relativ weit oben platziert: Sie sind<br />
Referats- oder Abteilungsleiter, freigestellt sind sie dafür<br />
natürlich nicht.<br />
Pilotprojekte, Gender-Beauftragte in den Verwaltungen,<br />
eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe – dies alles<br />
macht deutlich, dass die Einführung und Einübung einer<br />
geschlechterspezifischen Sicht- und Handlungsweise<br />
nicht einfach ist.<br />
Obendrein stehen am Anfang vieler der begonnenen Pilotprojekte<br />
noch zwei zusätzliche Probleme: Außer den<br />
wirklichen Gender-Experten hatten viele der Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer an den Projekten zuvor keine<br />
Ahnung von oder gar Erfahrungen mit Gender Mainstreaming.<br />
<strong>Bremen</strong> bietet in seinem Ausbildungs- und Fortbildungszentrum<br />
des Senators für Finanzen zwar entsprechende<br />
allgemeine Fortbildungen an, dennoch betreten<br />
die Teilnehmer der Pilotprojekte in der Regel Neuland.