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D20 - Fluch oder Segen?<br />
- WAS EIN „UNIVERSAL-REGELWERK“ WIRKLICH BRINGT -<br />
Das „Universal-Regelwerk“ von Wizards of<br />
the Coast (WotC) für den Rollenspielbereich hat<br />
sicherlich in der Szene hohe Wellen geschlagen.<br />
Kritiker und Befürworter der Regeln zerfetzen<br />
sich in Foren über Sinn und Unsinn des Systems.<br />
Ich will versuchen das System in diesem Artikel<br />
etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und<br />
die Regeln, Publikationen und die Folgen von<br />
d20 zu bestimmen.<br />
Regeln<br />
d20 ist nach der „Open Gaming Licence“<br />
von WotC für alle Nutzer offen und kostenlos.<br />
Einzige Bedingung ist das Abdrucken der<br />
Lizenzregeln in der Publikation.<br />
Die Basis für d20 ist ganz klar das WotC<br />
Vorzeigespiel „Dungeons&Dragons“. 1999<br />
auf der GenCon in der dritten Auflage<br />
erschienen, enthielt es zum ersten Mal das neue<br />
Regelsystem. Die absoluten Grundregeln sind im<br />
„Player Handbook“ enthalten, die kompletten<br />
Regeln aber auf 3 Bücher verteilt. Der<br />
„Dungeon Masters Guide“ enthält die Regeln<br />
für den Spielleiter und das „Monster Manual“<br />
enthält genau das, nämlich über 500 Gegner.<br />
Die Regeln sind sehr gut erklärt, logisch<br />
aufgebaut und einfach. Die optische Aufmachung<br />
(glänzendes Papier, durchgehend farbig,<br />
Hardcover) der Bücher gehört zu dem Besten<br />
was derzeit in der Rollenspielszene erschienen<br />
ist und hat sicherlich die Standard nach oben<br />
korrigiert. Die Qualität der Zeichnungen,<br />
ganz besonders im Monster Manual ist<br />
hervorragend.<br />
Doch es ist nicht alles Gold was glänzt...<br />
Zwar kann das Regelsystem beim ersten<br />
Überfliegen klar überzeugen, bei genauerer<br />
Analyse kommen dann doch Lücken auf.<br />
Zum einen ist das verwendete Stufensystem<br />
eigentlich schon LÄNGST Altware. Stufenlose<br />
Charaktererschaffung, ohne Auswürfeln der<br />
Werte, wie in Shadowrun oder nun auch in<br />
DSA4 sind inzwischen nicht nur Standard,<br />
sondern eigentlich ein Muss. Zum einen ist<br />
das System der Stufencharaktere arg unflexibel<br />
und unrealistisch, zum anderen nicht gerade<br />
Rollenspielförderlich. Wenn man jemanden fragt<br />
was für einen Charakter er spielt und er lapidar<br />
ein „Dwarf Fighter, 7 Level“ von sich gibt,<br />
dann weiß man direkt wie dieser aussieht und<br />
wahrscheinlich auch wie er gespielt wird.<br />
Das System mit seinen Boni und Mali auf<br />
die Würfe ist sehr logisch und klar aufgebaut.<br />
Man würfelt mit einem W20 und addiert<br />
und subtrahiert die entsprechenden Werte,<br />
vergleicht das Ergebnis mit der gesetzten<br />
Schwierigkeit. Dabei zeigt sich der W20 jedoch<br />
als schlechte Wahl für solch ein System. Der<br />
Zufallswert ist viel zu hoch. Jemand kann, ohne<br />
irgendwelche Boni aber durch einen glücklichen<br />
Wurf an ein Raumschiff andocken, dessen Pilot<br />
mit seinen dicken Boni schlecht gewürfelt<br />
hat. Selbst eigentlich einfache Aufgaben<br />
werden durch das System immer wieder zu<br />
nervenaufreibenden Torturen.<br />
Die Quintessenz des d20 ist die Magie und der<br />
Kampf. Das Spieler Handbuch beschäftigt sich<br />
fast ausschließlich mit diesen Bereichen. Fast die<br />
Hälfte des Buches ist mit den verschiedensten<br />
Zaubersprüchen der magischen Professionen<br />
gefüllt.<br />
Das Magiesystem von d20 ist... seltsam.<br />
Zauberer „prägen“ sich morgens die Zauber<br />
ein, die sie den Tag über benutzen wollen. Dazu<br />
legen sie die Zauber in etwas wie „Zauber-<br />
Slots“. Klingt zuerst wie die „Zaubermatrizen“<br />
aus Earthdawn, funktioniert aber ganz anders.<br />
Der Zauberanwender nimmt bei Bedarf einen<br />
der Zauber, spricht ihn und er ist weg. Aus dem<br />
Gedächtnis geschwunden. Um ihn noch einmal<br />
einsetzen zu können muss der Zauberer erst<br />
wieder ruhen. So steht der Magier, besonders in<br />
den ersten Leveln, relativ schnell hilflos herum,<br />
da er nicht mehr zaubern kann. Das wird aber<br />
dann durch mächtige Magie etwas ausgeglichen.<br />
Generell lässt sich sagen, dass Charaktere der<br />
ersten drei Stufen eine nicht sonderlich hohe<br />
Lebenserwartung haben. Der Spielleiter (hier<br />
Dungeon Master) muss sehr wohlwollend sein<br />
und schon einmal die Würfe korrigieren damit<br />
seine Spieler nicht direkt frustriert die Runde<br />
verlassen.<br />
Das grundlegendste Problem bei den<br />
Kämpfen ist der unausgeglichene Schaden<br />
und die Lebensenergie. Haben Humanoide je<br />
nach Charakterklasse zwischen W4 - W12,<br />
verursachen die Waffen meist Schaden in diesem<br />
Bereich. Ein einziger Streich eines Langschwertes<br />
mit 1W8 Schaden reicht demnach meist aus<br />
um einen Menschen zu töten. Das ist zwar<br />
realistisch, aber nur bei Charakteren der ersten<br />
Stufen. Schließlich bekommen die Charaktere<br />
mit jeder Stufe noch einmal ihren Trefferwürfel<br />
an Lebensenergie (LE) hinzu! Die LE verdoppeln<br />
sich in etwa für gewöhnlich beim Anstieg von<br />
Level 1 auf 2, und dann war es das auch schon<br />
mit dem Realismus... Ganz davon abgesehen<br />
haben Monster wie etwa Orks oder Goblins<br />
einen Trefferwürfel von W8, bekommen aber<br />
nicht wie Spielercharaktere auf dem ersten<br />
Level ihren vollen Trefferwürfel (+/- eventueller<br />
Konstitutions-Boni und -Mali). Während Magier<br />
also mit 4 LE und Barbaren gar mit 12 LE starten<br />
muss der arme Ork einen W8 würfeln, was bis<br />
Rubriken Lesen & Spielen Abenteuer Prosa, Lyrik & Comics Rezensionen<br />
www.anduin.de - © 2003 Tommy Heinig<br />
zu 800% LE Unterschied bedeutet!<br />
Die Gefahrenstufe eines Monsters richtet sich<br />
übrigens nicht nach seiner Ausrüstung, sondern<br />
alleine nach seinen Werten. Man bekommt also<br />
die gleiche Erfahrung wenn man einen Ork<br />
mit Lederrüstung und Knüppel umnietet, wie<br />
wenn man einen Ork mit magischem Schwert<br />
und Vollrüstung zu seinem Gott schickt. Den<br />
Knüppel-Ork kann jeder Stufe-1 Char besiegen,<br />
der mit dem magischen Schwert bringt bestimmt<br />
1-2 Charaktere um, bevor ihn dieses Schicksal<br />
ereilt. Nicht gerade ausgewogen...<br />
Davon, dass Rüstungen zwar die Wahrscheinlichkeit<br />
eines Treffers senken, aber<br />
keinerlei Schutz vor dem Schaden bieten schreib<br />
ich nichts. Das ist dermaßen widersinnig das sich<br />
wahrscheinlich jeder an den Kopf fassen wird.<br />
d20 = Kampf?<br />
Dies ist sicherlich nicht nur eine Stilfrage.<br />
D&D und damit d20 ist klar auf die kriegerische<br />
Auseinandersetzung zwischen kleinen Gruppen<br />
ausgerichtet. Selbst die Fertigkeiten<br />
und Talente sind weitestgehend auf die<br />
kämpferische Auseinandersetzung fixiert. Dem<br />
Rollenspiel an sich wird keine große Chance<br />
eingeräumt. In den meisten Begegnungen<br />
mit Nichtspielercharakteren (NSCs) wird auf<br />
Diplomatie gewürfelt statt normal gesprochen.<br />
Die offiziellen Abenteuer gehen sogar so<br />
weit die Stadt nur als Ort für Heilung und<br />
Ausrüstungsbeschaffung anzusehen. Im Starter-<br />
Set beschränkt sich die Arbeit des Spielleiters<br />
sogar nur auf das Vorlesen der Einleitung und<br />
das Würfeln für die Monster, man beginnt die<br />
Abenteuer vor der Dungeon Tür! Bei den<br />
monatlichen Abenteuern auf der Homepage<br />
von WotC ist es sogar noch schlimmer. Ein<br />
Abenteuer beginnt damit das die Charaktere<br />
durch ein Loch brechen und direkt im Dungeon<br />
sind...<br />
Hervorzuheben ist hier jedoch das Abenteuer<br />
„Ettin Riddle“, das der deutschen Ausgabe des<br />
Spielleiter Sets beliegen wird. Es ist das einzige<br />
Abenteuer der Reihe mit richtiger Interaktion,<br />
lebendigen NSCs und einer tragischen<br />
Schlüsselfigur.<br />
Bücher wie das „Hero Builders Guidebook“<br />
tragen nicht gerade dazu bei das Niveau<br />
zu heben. In diesem Buch wird tatsächlich<br />
beschrieben welche Rasse das beste Potential<br />
hat eine Charakterklasse zu erfüllen und<br />
welche Talente man nimmt um ein Maximum<br />
an Effizienz zu erhalten! Wem das noch nicht<br />
schauerlich genug ist, der findet direkt am<br />
Anfang folgenden Hinweis (sinngemäß übersetzt<br />
und zusammengefasst):<br />
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