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ein mythos des terrors

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jener Zeit die Lust zu <strong>ein</strong>em reellen Angebot verloren: es<br />

mußte ja nicht ausgerechnet <strong>ein</strong> armenischer Teppich<br />

s<strong>ein</strong>; schließlich waren jene der Türken noch viel älter,<br />

kostbarer und reeller als die der notorischen Chauvinisten.<br />

Hatte die armenische Delegation unter Bogosch Nubar<br />

zunächst noch <strong>ein</strong> Armenien in Ostanatolien verlangt,<br />

steigerte sich die gem<strong>ein</strong>same Delegation (inzwischen<br />

war unter Führung von Avetis Aharonian auch <strong>ein</strong>e<br />

Abordnung aus der von den Türken ermöglichten Republik<br />

Armenien <strong>ein</strong>getroffen) in Gebietsansprüche hin<strong>ein</strong>,<br />

die vom Schwarzen Meer, mit Trapezunt als Hafen, bis<br />

nach Kilikien reichten.<br />

Der armenische Bevölkerungsanteil in diesem „Großarmenien”<br />

hätte - auf der Basis <strong>des</strong> Jahres 1914! - nicht <strong>ein</strong>mal<br />

<strong>ein</strong> Fünftel der Bewohner jener Region ausgemacht;<br />

und selbst wenn man damals, 1914, die gesamte armenische<br />

Bevölkerung der Erde all<strong>ein</strong> in Ostanatolien versammelt<br />

hätte, wäre noch immer k<strong>ein</strong>e armenische Mehrheit erreicht<br />

worden. Doch was sollte es: so wie sich im 19.<br />

Jahrhundert die diversen armenischen Kirchen darum<br />

gerauft hatten, welche die „armenischste” sei und später<br />

die Daschnaks und Hintschaks um die Palme im Kampfe,<br />

wer der bessere Terrorist sei, obsiegen wollten, überboten<br />

<strong>ein</strong>ander nun die Delegationen aus der Republik<br />

Armenien und jene der armenischen Diaspora. Wie<br />

gesagt: ihr „gem<strong>ein</strong>sames Memorandum” verlangte nicht<br />

nur die „sechs Wilajets” Van, Bitlis, Diyarbekir, Karput,<br />

Sivas und Erzurum (in denen die Armenier niemals in der<br />

Geschichte <strong>ein</strong>e Mehrheit gehabt hatten) sondern darüber<br />

hinaus Trapezunt, Karabagh (wo so gut wie k<strong>ein</strong>e<br />

Armenier jemals gelebt hatten) Sansegur und weite Teile<br />

Georgiens, und dazu Kilikien.<br />

Dabei war der Ruf der Armenier als <strong>ein</strong>e Nation der Friedliebenden,<br />

der Schlachtopfer, die wehr- und hilflos von<br />

den blutrünstigen Osmanen hingemordet, ja ausgerottet<br />

worden waren (man staunte insgeheim, wie die Armenier<br />

trotzdem in Syrien, im Kaukasus, im Iran ja selbst in<br />

Frankreich überall präsent waren!) doch sehr erschüttert<br />

worden. Die Ursache: die junge, selbständige Republik<br />

Armenien hatte nichts Besseres zu tun gewußt, als gleich<br />

<strong>ein</strong>e ganze Kette von Eroberungskriegen zu beginnen.<br />

102<br />

Der Präsident der „Delegation Nationale Armenienne”<br />

persönlich faßt in <strong>ein</strong>em Brief an den Außenminister<br />

Frankreichs, Stephen Pichon, zusammen, warum sich die<br />

Osmanen, die im Ersten Weltkrieg an fünf Fronten<br />

gleichzeitig kämpften und sich dabei im Inneren<br />

bürgerkriegsähnlichen Armenieraufständen konfrontiert<br />

sahen, wehren und die armenische Bevölkerung aus den<br />

gefährdeten Gebieten umsiedeln mußten:<br />

„Monsieur le Ministre,<br />

ich beehre mich, namens der Armenischen Nationalen<br />

Delegation Eurer Exzellenz untenstehende Erklärung<br />

zu übermitteln und daran zu erinnern:<br />

Daß die Armenier, von Beginn <strong>des</strong> Krieges an, de facto<br />

<strong>ein</strong>e kriegsführende Macht waren, wie Sie es auch selbst<br />

anerkannten, und zwar bis zum Preise der schwersten<br />

Opfer und der Leiden, die sie unerschütterlich für die<br />

Sache der Entente ertrugen. Sie haben sich an allen<br />

Fronten auf Seiten der Alliierten geschlagen:<br />

In Frankreich durch ihre Freiwilligen, die sich schon in<br />

den ersten Tagen bei der Fremdenlegion meldeten, wo<br />

sie sich unter den Fahnen Frankreichs mit Ruhm<br />

bedeckten; In Palästina und in Syrien, wo die armenischen<br />

Freiwilligen, rekrutiert von der Delegation<br />

Nationale über Verlangen der Republik selbst, mehr als<br />

die Hälfte <strong>des</strong> französischen Kontingents gestellt haben<br />

und zum großen Teil den Sieg <strong>des</strong> Generals Allenby<br />

ermöglichten, wie er auch selbst und s<strong>ein</strong>e französischen<br />

Kommandeure offiziell erklärt haben;<br />

Im Kaukasus, wo, ohne von den 150.000 Armeniern zu<br />

reden, die in der Kaiserlich-Russischen Armee<br />

kämpften, mehr als 40.000 Freiwillige an der Befreiung<br />

<strong>ein</strong>es Teiles der armenischen Vilayets teilnahmen und<br />

wo, unter dem Kommando ihrer Befehlshaber Antranik<br />

und Nazarbe-koff, die Armenier die <strong>ein</strong>zigen waren<br />

unter den Völkern <strong>des</strong> Kaukasus, die den türkischen<br />

Armeen Widerstand leisteten, und zwar von dem<br />

Beginn <strong>des</strong> Rückzugs der Bolschewisten an bis zur<br />

Unterzeichnung <strong>ein</strong>es Waffenstillstan<strong>des</strong>.”<br />

(Der Brief trägt das Eingangsdatum <strong>des</strong> französischen<br />

Außenamtes vom 3. 12. 1918).<br />

Auf diese Weise erklärte Boghos Nubar, daß die Armenier,<br />

die vom 1. November 1914 an bis zur Unterzeichnung<br />

<strong>des</strong> Waffenstillstan<strong>des</strong> von Mudros am 30. Oktober<br />

1918 gegen das Osmanische Reich ununterbrochen Krieg<br />

geführt hatten, in s<strong>ein</strong>en Augen „de facto <strong>ein</strong>e kriegführende<br />

Macht waren”.<br />

Reproduktion <strong>des</strong> Briefes von Boghos Nubar an den französisehen<br />

Außenminister (1. Seite vollständig; von der Schlußseite<br />

Grußformel und Unterschrift Boghos Nubars).<br />

Ostanatolische Landschaft oberhalb <strong>des</strong> Vansees (Yedikilisse-<br />

Warakwank).

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