27.10.2013 Aufrufe

ein mythos des terrors

ein mythos des terrors

ein mythos des terrors

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Stehen zu unterschreiben beginnt. Beim Sprechen blickt<br />

er nicht auf:<br />

,Diese Deutschen fürchten ja nur das Odium der Mitverantwortlichkeit.<br />

Sie werden uns aber noch um ganz<br />

andere Dinge betteln müssen als um die Armenier.’<br />

Damit wäre wohl das Gespräch über die Verschickung für<br />

heute erledigt, würde nicht <strong>ein</strong> neugieriger Blick Envers<br />

die Depeschen streifen.<br />

Talaat Bey bemerkt den Blick und läßt, indem er sie<br />

schwenkt, die Papiere rauschen: ,Die genauen Weisungen<br />

an Aleppo! Mittlerweile, denke ich, dürften die Straßen<br />

wieder leer s<strong>ein</strong>. Im Laufe der allernächsten Wochen werden<br />

Aleppo, Alexandrette, Antiochia und die ganze Küste<br />

abgehen können.’<br />

,Antiochia und die Küste’, wiederholt Enver fragend, als<br />

hätte er zu diesem Punkt <strong>ein</strong>e Bemerkung zu machen.<br />

Aber er sagt k<strong>ein</strong>e Silbe mehr, sondern sieht gespannt auf<br />

die dicken Finger Talaats, die unaufhaltsam wie im<br />

Sturmangriff ihre Unterschrift unter die Texte setzen.<br />

Dieselben biedermännisch derben Finger haben den<br />

unchif-frierten Befehl verfaßt, der an alle Walis und<br />

Mutessarifs erging: ,Das Ziel der Deportation ist das<br />

Nichts.’<br />

Die raschen Schriftzüge zeigen den Schwung <strong>ein</strong>er unerbittlichen<br />

Überzeugung, die k<strong>ein</strong> Bedenken kennt. Jetzt<br />

richtet der Minister s<strong>ein</strong>en ungeschlachten Körper aus der<br />

gebückten Stellung auf:<br />

,So! Im Herbst werde ich all diesen Leuten mit der größten<br />

Aufrichtigkeit antworten können: La question armenienne<br />

n’existe pas.’”<br />

Franz Werfel nimmt mit dieser Wortwahl geradezu seherisch<br />

die „Wannsee-Konferenz” vorweg, in der die Mächtigen<br />

<strong>des</strong> Dritten Reiches, diabolische Gestalten wie<br />

Himmler und Kaltenbrunner, die Vernichtung <strong>des</strong> jüdischen<br />

Volkes beschließen; für manche allerdings bildet<br />

die Schlüsselszene in Franz Werfeis „Die vierzig Tage<br />

<strong>des</strong> Musa Dagh”, in der die zu diabolischen Existenzen<br />

dimi-nuierten Türken Enver Pascha und Talaat Pascha die<br />

Ausrottung der osmanischen Armenier „beschließen”,<br />

hinreichend Entschuldigungsgrund für blinden Terror und<br />

wütende Racheakte - und das, obwohl Franz Werfeis<br />

Argumentation zur Gänze auf den gefälschten Dokumenten<br />

<strong>des</strong> Aram Andonian beruht.<br />

Franz Werfeis Roman beruht auf dem Wissensstand <strong>des</strong><br />

Dichters, den er sich im Umgang mit armenischen Kontaktpersonen<br />

angeeignet hatte - gewiß nach bestem Wissen<br />

und Gewissen; als er merkte, daß er Fälschungen aufgesessen<br />

war, wagte er es aus Furcht vor armenischen<br />

Racheakten nicht, die Wahrheit <strong>ein</strong>zubekennen. (Auf die<br />

diesbezügliche Aussage <strong>ein</strong>es jüdischen Freun<strong>des</strong> Franz<br />

Werf eis kommen wir noch zu sprechen).<br />

Der Mosesberg - Musa Dagh - Schauplatz <strong>des</strong> Dramas der von<br />

den Alliierten zum Bürgerkrieg aufgehetzten Armenier.<br />

Ein Derwisch aus Konia: Nach dem Informationsstand Franz<br />

Werfeis zeichneten sich die sunnitischen religiösen Orden<br />

durch besonderen nationalen Fanatismus aus, was nicht der<br />

Wahrheit entspricht.<br />

81

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!