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ein mythos des terrors

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Im Jahre 1915, als die große Umsiedlungsaktion der Armenier<br />

anlief, endete die Bahnlinie aus Zentralanatolien mitten im Taurus,<br />

in Pozanti. Von dort aus gab es nur mehr Straßenverbindungen<br />

nach Syrien; erst 1916 konnten die Deutschen die Bahn nach<br />

Aleppo vollenden.<br />

Von Pozanti aus hatten alle Reisenden zu Fuß zu gehen oder<br />

Wagen zu benützen; auch der gesamte militärische Nachschub<br />

(das Bild zeigt Truppen auf dem Weg über den Taurus nach<br />

Syrien) wurde mit den <strong>ein</strong>fachsten Hilfsmitteln bewältigt.<br />

Zwischendurch stießen die Russen nach Süden vor und<br />

gingen zurück, dann stieß wieder die osmanische<br />

Armee vor und zog sich zurück, und mit jedem<br />

Vormarsch oder Rückzug zogen die Menschen, die sich<br />

mit Russen oder Osmanen identifizierten vor - oder<br />

zurück. Wenn die Russen auf dem Rückzug waren, gingen<br />

die Armenier zurück. Wenn die Osmanen verloren,<br />

zogen die Moslems, Turkvölker vor allem, mit ihnen<br />

und immer gab es dabei hohe Verluste.<br />

Das Elend betraf das gesamte Gebiet von Ägäis und<br />

Mittelmeer bis zum Schwarzen Meer und dem<br />

Kaukasus. In dem gesamten Gebiet gab es ungefähr<br />

600.000 tote Armenier. Im gleichen Gebiet aber<br />

zwei<strong>ein</strong>halb Millionen tote Moslems - meistens Türken.<br />

All<strong>ein</strong> hier gab es gut <strong>ein</strong>e Million tote Türken, zumin<strong>des</strong>t<br />

waren die meisten moslemischen Toten Türken.<br />

In dem Gebiet, das man Armenien heißt, gab es um<br />

viele Hunderttausende mehr islamische als armenische<br />

Tote. Ich weiß, es heißt, hier seien Armenier hingemordet<br />

worden. Bis zu <strong>ein</strong>em gewissen Ausmaß ist das<br />

wahr.<br />

Aber um die geschichtliche Wahrheit zu sagen, müssen<br />

wir daran erinnern, daß hier auch Moslems ermordet<br />

wurden, tatsächlich viel mehr Moslems, und wir<br />

müssen bedenken, daß die Zeit vor, in und nach dem<br />

Ersten Weltkrieg <strong>ein</strong>e zutiefst unmenschliche Zeit war,<br />

<strong>ein</strong>e Zeit der Massenmorde und der Unmenschlichkeit,<br />

und daß sie alle betraf, nicht <strong>ein</strong>fach Armenier oder<br />

Türken.<br />

Wir müssen das ganze als menschliches, nicht als<br />

sektiererisches Problem betrachten. Das war nicht<br />

etwas, was Armenier all<strong>ein</strong> betraf; wer das nicht<br />

begreift, wird nie verstehen, was damals geschah.”<br />

80<br />

Franz Werfeis weltberühmter Roman „Die vierzig Tage<br />

<strong>des</strong> Musa Dagh” soll <strong>ein</strong>e „moderne Saga <strong>ein</strong>er verfolgten<br />

und zum Widerstand entschlossenen Minderheit”<br />

s<strong>ein</strong>; er sollte „das unfaßbare Schicksal <strong>des</strong> armenischen<br />

Volkes dem Totenreich alles Geschehenen entreißen”.<br />

Die amerikanische Ausgabe <strong>des</strong> Romans begründete<br />

Werfeis Weltruhm und wurde nicht nur von den<br />

Armeniern, sondern auch von den Juden in aller Welt als<br />

„Gleichnis der Leiden ihres Volkes verstanden” heißt es<br />

richtig im Klappentext zu <strong>ein</strong>er Fischer-Ausgabe der<br />

„Vierzig Tage”. Aber die zentrale, die grundlegende<br />

Aussage <strong>des</strong> Romans von Franz Werfel, daß nämlich die<br />

Verantwortlichen <strong>des</strong> Osmanischen Reiches <strong>ein</strong>en<br />

Ausrottungsbefehl gegeben hätten, ist falsch.<br />

In Werfeis Diktion liest sich die makabre Szene zwischen<br />

dem osmanischen Kriegsminister Enver Pascha und dem<br />

Innenminister Talaat Pascha (die als Verantwortliche für<br />

<strong>ein</strong>en Völkermord hingestellt werden) so:<br />

„Ein Sekretär bringt <strong>ein</strong>en Pack Depeschen, die Talaat im

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