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ein mythos des terrors

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den, daß die Ordnungszahlen der <strong>ein</strong>- und ausgehenden<br />

Dokumente stets mit dem 1. März begannen (1333 Rumi<br />

= 1917 A. D.) und, durchnumeriert, mit dem 28. Februar<br />

(dem letzten Tag <strong>des</strong> Rumi-Kalenders) endeten. „Neujahr”<br />

war dann wieder 1. März.<br />

Nun passierte Aram Andonian schon bei der Fälschung<br />

<strong>des</strong> wichtigsten Briefdokuments, dem er die Nummer <strong>ein</strong>s<br />

gab, <strong>ein</strong> entscheidender Fehler. Doch zunächst zu den<br />

wichtigsten Abschnitten dieses Dokuments.<br />

Dokument Nr. 1<br />

„Im Namen Gottes, <strong>des</strong> Barmherzigen <strong>des</strong> Gnädigen.<br />

An Dschemal Bey, den Delegierten von Adana<br />

18. Februar 1331 (2. März 1916)<br />

Die <strong>ein</strong>zige Kraft, die imstande wäre, das politische<br />

Leben der Partei (Union und Fortschritt) in der Türkei zu<br />

beenden, wären die Armenier, und nach unseren jüngsten<br />

Informationen aus Kairo sch<strong>ein</strong>t es, als ob die Daschnaksutiun<br />

<strong>ein</strong>en letzten und endgültigen Schlag gegen die<br />

Union vorbereiteten.”<br />

Nach <strong>ein</strong>er kurzen Überleitung kommt das angebliche<br />

Briefdokument Nr. 1 vom 18. Februar 1331 zu folgendem<br />

Schluß:<br />

„Das Komitee hat beschlossen, das Land vor den Leidenschaften<br />

dieser Verfluchten (den Armeniern) zu retten<br />

und auch die Verantwortung für die Schande zu tragen,<br />

die wegen dieser Sache über das Osmanische Reich kommen<br />

könnte. Das Komitee, das die unglücklichen Ereignisse<br />

der Vergangenheit, in der <strong>ein</strong> Racheakt dem anderen<br />

folgte, nicht vergessen kann, hat beschlossen (voll<br />

Hoffnung auf die Zukunft), alle in der Türkei lebenden<br />

Armenier zu vernichten, bis auch nicht <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>ziger übrigbleibt.<br />

In dieser Angelegenheit hat das Komitee der<br />

Regierung große Befugnisse übertragen.<br />

Die Regierung wird den Gouverneuren und Armeekommandanten<br />

alle notwendigen Erläuterungen hinsichtlich<br />

der Vorkehrungen für die Massaker geben . . .”<br />

Nach umständlichen Erläuterungen folgt schließlich <strong>ein</strong>e<br />

unleserliche Unterschrift.<br />

Vom Fälscher Andonian zum Mordinstrument umfunktioniert:<br />

<strong>ein</strong> Morseapparat aus jener Zeit.<br />

86<br />

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß dieser<br />

entscheidende Schlüsselbrief in Andonians Dokumentensammlung<br />

in der ursprünglichen, französischen Fassung<br />

s<strong>ein</strong>es Buches mit 18. Februar 1331 datiert ist, in der englischen<br />

Version dagegen das Datum 8. Februar 1331 trägt.<br />

Nun, der ursprüngliche türkische Text trägt <strong>ein</strong>deutig das<br />

Datum 18. Februar 1331.<br />

Erinnern wir uns: Nach allen Regeln der Kalenderumrechnung<br />

entspricht der 18. Februar 1331 dem 2. März<br />

1916 (weil der Februar 1916 als Schaltjahr 29 Tage hatte),<br />

und nicht dem 18. Februar 1915, wie in der französischen<br />

Übersetzung angegeben, und auch nicht dem 25. März<br />

1915, wie in der englischen Übersetzung. Mit anderen<br />

Worten, um <strong>ein</strong> richtiges Datum zu fälschen, hätte Andonian<br />

1330 schreiben müssen, und nicht 1331. Ein Brief, am<br />

2. März 1916 geschrieben, kann kaum Ereignisse <strong>ein</strong>lei<br />

ten, die schon neun Monate vorher stattgefunden haben<br />

müßten!<br />

Wer m<strong>ein</strong>t, es könne sich bei dieser Fälschung noch um<br />

irgend<strong>ein</strong>e Art Zufall, <strong>ein</strong>en Irrtum von offizieller Seite<br />

handeln, wird durch Dokument Nr. 2, in Andonians<br />

Sammlung gleich <strong>ein</strong>es besseren belehrt. Der zweite<br />

Brief s<strong>ein</strong>er Sammlung hätte selbstverständlich mit dem<br />

Datum 25. März 1332 versehen s<strong>ein</strong> müssen (25. März<br />

1915), trägt aber fatalerweise das Datum 25. März 1931.<br />

Es ist völlig klar, das der Fälscher vom osmanischen<br />

Kalendersystem zu wenig wußte und die Tücken dieser<br />

Umrechnung <strong>ein</strong>fach übersah.<br />

Die türkischen Historiker §inasi Orel und Sürreya Yuca<br />

haben im Jahre 1984 <strong>ein</strong>e umfangreiche wissenschaftliche<br />

Arbeit über die Fälschungen <strong>des</strong> Aram<br />

Andonian veröffentlicht, in der sie allen Einzelheiten - es<br />

sind Hunderte<br />

– der mißglückten Täuschung nachgehen; von verräterischen<br />

Datierungen über nachgeahmte Unterschriften bis<br />

zu verballhornten Segenswünschen, „Bismillahs”, wie sie<br />

<strong>ein</strong> Moslem nie gewagt hätte zu schreiben.<br />

Ein besonders niederträchtiger Abschnitt der gefälschten<br />

Andonian-Papiere beschäftigt sich - psychologisch vorzüglich<br />

aufgebaut - mit der „Erweiterung der Massaker”<br />

- vor allem deren Ausdehnung auf Kinder. In <strong>ein</strong>er dieser<br />

Andonian-Fälschungen heißt es:<br />

Dokument Nr. 4<br />

„Das ist die entzifferte Kopie <strong>ein</strong>es verschlüsselten Telegramms<br />

<strong>des</strong> Innenministeriums Nummer 502, vom<br />

3. September 1331 (16. September 1915).<br />

Es wird empfohlen, daß die vorher herausgegebenen<br />

Anweisungen hinsichtlich der männlichen Personen nun<br />

auf Frauen und Kinder ausgedehnt werden und vertrauenswürdige<br />

Individuen mit dieser Angelegenheit befaßt<br />

werden.<br />

Der Innenminister<br />

Talaat<br />

Anmerkung:<br />

An Abdülhalad Nuri Bey. 5. September. Haben sie den<br />

Gendarmeriekommandanten getroffen?<br />

Der Gouverneur<br />

Mustafa Abdülhalik”

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