ein mythos des terrors
ein mythos des terrors
ein mythos des terrors
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
und kämpften gegen die Türken, weil sie sich aus diesem<br />
Kampf nicht heraushalten wollten. Das war das unvermeidliche<br />
Ergebnis <strong>ein</strong>er Psychologie, von der sich das<br />
armenische Volk <strong>ein</strong>e ganze Generation lang ernährt<br />
hatte: diese Geisteshaltung sollte ihren Ausdruck finden,<br />
und fand ihn daher auch . . .<br />
Die Aufstellung dieser militärischen Verbände war falsch,<br />
doch die Wurzeln dieses Irrtums müssen ganz wo anders<br />
gesucht werden, tiefer vor allem . . . Der Winter 1914 und<br />
der Frühling 1915 waren Zeitabschnitte größter<br />
Begeisterung und Hoffnung für alle Armenier <strong>des</strong><br />
Kaukasus, <strong>ein</strong>schließlich der Daschnaksu-tiun. Wir<br />
zweifelten nicht daran, daß der Krieg mit <strong>ein</strong>em vollständigen<br />
Sieg der Alliierten enden werde; die Türkei<br />
würde besiegt und aus<strong>ein</strong>andergenommen und ihre<br />
armenische Bevölkerung schließlich befreit werden.<br />
Rußland hatten wir aus vollem Herzen umarmt, ohne<br />
jeden Vorbehalt. Ohne jede wirkliche Grundlage glaubten<br />
wir, daß uns Rußlands zaristische Regierung <strong>ein</strong>e mehr<br />
oder weniger breite Selbstregierung im Kaukasus <strong>ein</strong>räumen<br />
werde, das aber auch in den von den Türken befreiten<br />
armenischen Vilayets, und zwar als <strong>ein</strong>e Belohnung<br />
für unsere Loyalität, unsere Bemühungen und unseren<br />
Beistand.”<br />
Kaum jemand aus den inneren Reihen hat den Armeniern<br />
so trocken, selbstverständlich und kompromißlos die<br />
Wahrheit gesagt wie ihr eigener Premierminister der<br />
Armenischen Republik, Hovannes Katschasnuni. Wenn<br />
er von den „eigenen Wünschen, die wir in die Absichten<br />
anderer hin<strong>ein</strong>getragen haben” spricht, weiß er, wovon er<br />
redet.<br />
Denn wie fast immer in ihrer Politik, hatten die Russen<br />
auch im Jahre 1914 die volle Wahrheit über ihre<br />
Absichten bezüglich Armenien verkündet (so wie später<br />
auch Lenin s<strong>ein</strong>e Absichten gegenüber der „kapitalistischen<br />
Welt” offen aussprach, nur glaubt es bis heute im<br />
Westen kaum jemand) - man brauchte bloß den Aufruf<br />
<strong>des</strong> Zaren lesen - nicht <strong>ein</strong>mal genau lesen, so unverhüllt<br />
zerstörte er eigentlich alle armenischen Illusionen:<br />
„Armenier!<br />
Von Ost bis West haben alle Völker Großrußlands<br />
respektvoll auf m<strong>ein</strong>en Ruf geantwortet.<br />
Armenier!<br />
Die Stunde ist gekommen, um euch von der Tyrannei, die<br />
euch 500 Jahre lang beherrschte, jener Tyrannei, die so<br />
viele von euch ausgelöscht hat und noch immer auslöscht,<br />
zu befreien. Die Russen erinnern sich gerne der<br />
glorreichen armenischen Mitbürger. Die Lazaroff und die<br />
Melikoff und andere haben an der Seite ihrer slawischen<br />
Brüder für den Ruhm <strong>des</strong> Vaterlan<strong>des</strong> gekämpft. Deren<br />
Treue ist auch uns <strong>ein</strong> Garant für eure Treue; Wir sind<br />
sicher, daß ihr alle eure Pflicht erfüllen werdet und für<br />
den Sieg unserer Waffen und unserer gerechten Sache<br />
alles beitragen werdet.<br />
Armenier! Ihr werdet mit euren Brüdern unter der Regie-<br />
Ein seldschukischer Doppeladler von der Medrese in Erzurum:<br />
die altseldschukischen Städte Sivas, Erzurum oder Konya wurden<br />
mit ihrer reichen Symbolik Zentren <strong>des</strong> türkischen Widerstan<strong>des</strong><br />
gegen die Teilung Anatoliens.<br />
Im armenisch-amerikanischen Journal „Azk” erschien dieses<br />
Bild am 2. März 1915 - das heißt, die Aufnahme ist min<strong>des</strong>tens<br />
drei Monate älter als der Umsiedlungsbefehl der osmanischen<br />
Regierung, der infolge der ununterbrochenen bewaffneten<br />
Aufstände hinter der Front erlassen wurde. Das Foto zeigt<br />
Hintschakisten, die an der Kaukasusfront gegen die Osmanen<br />
kämpften. Zum Großteil handelte es sich dabei um Überläufer,<br />
die sich durch besondere Grausamkeit gegenüber der<br />
Zivilbevölkerung hervortaten.<br />
Armenieraufstand hinter der osmanischen Front, Februar/März<br />
1915: Mit dabei ist Papkene (links hinten), der schon den Überfall<br />
auf die Osmanische Bank im Jahre 1896 mit organisierte.<br />
71