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ein mythos des terrors

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und krönte den Doppelhügel mit <strong>ein</strong>er gewaltigen, durch<br />

Wehrgänge verbundenen Festung, die auch gleichzeitig<br />

als luxuriöser Landsitz diente.<br />

Ich habe auf dem Doppelhügel von Cavugtepe jahrzehntelang<br />

die Ausgrabungen geleitet und dort den politischen<br />

„Armenismus”, der schon immer gerne s<strong>ein</strong>e Ansprüche<br />

von den Urartäern abgeleitet hat, in <strong>ein</strong>er ganz besonderen<br />

Weise kennengelernt.<br />

In armenischen Kreisen spukt für Чavuшtepe-Sardurihinili<br />

die Bezeichnung „Haikapert” herum, also „Festung der<br />

Haik”. Nun, ich habe in der gesamten Ausgrabungstätigkeit<br />

auf dem gewaltigen Doppelhügel nicht die leiseste<br />

Spur <strong>ein</strong>er armenischen Präsenz wahrgenommen. Bloß zu<br />

Füßen der Burg, im Dorf, fanden sich zwei urartäische<br />

Inschriftenst<strong>ein</strong>e, in die irgendwann <strong>ein</strong>mal Kreuze<br />

geschlagen worden waren, sonst nichts. Sehr stark hingegen<br />

sind die Spuren der islamischen Besiedlung, besonders<br />

im 13. Jahrhundert, vor allem Überreste von Keramik,<br />

die sehr stark auf die ilhanidische Keramik von<br />

Tahte Süleiman im Iran hinweisen.<br />

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch kurz -obwohl<br />

es nicht zur unmittelbaren Problematik der frühen<br />

Geschichte Ostanatoliens gehört - auf den überragenden<br />

Einfluß der türkischen Kunst auf die Baukunst der<br />

Armenier in Ostanatolien hinweisen. So gehen die armenischen<br />

Bauwerke in ihrem Rundstil <strong>ein</strong>deutig auf den<br />

Rundstil der Turkvölker zurück, die zur Zeit etwa der<br />

Erbauung von Ahtamar, als die Armenier unter den abbasidischen<br />

Kalifen von Bagdad lebten, die eigentliche<br />

Macht ausübten. Denn wie im Kairo der Fatimiden hatten<br />

auch im Bagdad der Abbasiden die Mamluken - die türkischen<br />

Heerführer und ihre Streitkräfte - das Heft fest in<br />

der Hand und bestimmten auch den aus Asien kommenden,<br />

immer an die Zelte ihres <strong>ein</strong>stigen Nomadenlebens<br />

erinnernden Baustil. Doch zurück zu den entscheidenden<br />

Fragen der urartäischen Geschichte und ihrer Nachwirkungen<br />

in Ostanatolien.<br />

In der Zeit von König Rusa I. (735 bis 714 vor Christus)<br />

mußten die Urartäer abermals <strong>ein</strong>e schwere Niederlage<br />

durch die Assyrer hinnehmen, als König Sargon II. von<br />

Assyrien mehrere urartäische Provinzen eroberte.<br />

Dennoch konnte Urartu noch s<strong>ein</strong>e Unabhängigkeit<br />

bewahren, vor allem dank <strong>des</strong> Auftretens der Skythen, die<br />

zunächst vor allem den Assyrern stark zusetzten und für<br />

<strong>ein</strong>e Weile Urartu dadurch entlasteten.<br />

Nach <strong>ein</strong>er Verteidigungsallianz der gem<strong>ein</strong>sam bedrängten<br />

Assyrer und Urartäer bot schließlich König Sardur III.<br />

von Urartu (645 bis 635[?] vor Christus) den Assyrern<br />

<strong>ein</strong>e Art Anschlußpakt an, der de facto die Hegemonie<br />

Assyriens über Urartu <strong>ein</strong>leitete. Die große Zeit Urartus<br />

neigte sich dem Ende zu, allerdings auch jene Assyriens.<br />

Trotz der unüberwindlichen politischen und militärischen<br />

Probleme Urartus künden zahlreiche Inschriften aus jener<br />

Zeit dennoch von <strong>ein</strong>em Weiterblühen der Kultur und der<br />

Bautätigkeit, was besonders für die Regierungszeit der<br />

Urartäerkönige Sardur IV. und Erimenas gilt.<br />

Doch das Ende der Großmächte war nicht mehr<br />

aufzuhalten. Im Jahre 609 brach das Assyrerreich zusammen,<br />

und das durch den Kollaps dieser <strong>ein</strong>stigen<br />

Supermacht verursachte Vakuum riß auch Urartu in den<br />

Untergang.<br />

Unmittelbar nach dem Ende <strong>des</strong> Assyrerreiches drangen<br />

die Skythen in Urartu <strong>ein</strong>, die Funde auf der Festung Sardurihinili-Чavuшtepe<br />

beweisen, daß das Reich unter den<br />

Schlägen der skythischen Angreifer zusammengebrochen<br />

ist.<br />

Die Skythen ließen sich in dem eroberten Land allerdings<br />

nicht nieder, sondern zogen nach Ägypten weiter, während<br />

das urartäische Land unter die Kontrolle der Meder<br />

kam.<br />

Vom Urartäischen Reich war nach dem Angriff der Skythen<br />

so gut wie nichts übrig geblieben. Die überlebenden<br />

Urartäer zogen sich in höhergelegene Bergregionen<br />

zurück, und allfällige Reste urartäischer Macht wurden<br />

durch die Meder liquidiert.<br />

Trotzdem ist es auffallend, daß nach dieser Katastrophe die<br />

überlebenden Urartäer ihre Kultur, wenn nun auch nur mehr<br />

auf dörflicher Grundlage, bemerkenswert gut bewahren<br />

konnten. Von der Übernahme <strong>des</strong> gewaltigen Erbes der<br />

Urartäer, wie es sich etwa in den Ruinen der Festung<br />

Cavugtepe manifestiert, kann allerdings k<strong>ein</strong>e Rede s<strong>ein</strong>.<br />

Nachfolgende Kulturvölker haben weder in Чavuшtepe<br />

noch an anderen urartäischen Zentren wie Toprakkle oder<br />

Adilcevaz nennenswerte Spuren hinterlassen.<br />

Zu Beginn <strong>des</strong> 6. Jahrhunderts vor Christus wurden die<br />

<strong>ein</strong>st von Urartu beherrschten Landstriche zum Streitobjekt<br />

zwischen Lydiern und Medern, bis schließlich die<br />

Meder die Macht übernahmen.<br />

Es sch<strong>ein</strong>t, daß das der Zeitpunkt ist, zu dem armenische<br />

Stämme, die wahrsch<strong>ein</strong>lich aus der Balkangegend oder<br />

Thrakien stammen und dort von den Illyrern vertrieben<br />

worden s<strong>ein</strong> mochten, in Ostanatolien <strong>ein</strong>wanderten. Sie<br />

werden zum ersten Mal in <strong>ein</strong>er Inschrift von Darius<br />

genannt - im 6. Jahrhundert vor Christus -, in <strong>des</strong>sen<br />

Machtbereich sie zu jenem Zeitpunkt schon gehörten.<br />

Ihre indoeuropäische Sprache nahm im Laufe der Zeit<br />

gewisse Züge der alten, nicht-arischen anatolischen Sprachen<br />

an, ohne daß die „Haik” <strong>des</strong>wegen „Urartäer”<br />

geworden wären.<br />

Die indogermanischen Haik (Armenier) können in etwa<br />

als „Zugeheiratete” ohne Sprach- oder Blutsverwandtschaft<br />

mit der aus Asien stammenden, aus der asianiden<br />

Sprachwelt kommenden, hurritisch-urartäischen Großfamilie<br />

angesehen werden, während die Turkvölker mit<br />

jenen „prototürkischen” Völkern der hurritisch-urartäischen<br />

Welt die gleiche asiatische Erbmasse teilen.<br />

Für die spätere Entwicklung und das gem<strong>ein</strong>same, friedliche<br />

Zusammenleben so vieler Völker und Rassen auf<br />

dem Boden Anatoliens, vor allem in der Zeit <strong>des</strong> Osmanischen<br />

Reiches, waren diese Tatsachen völlig belanglos;<br />

alle Völker <strong>des</strong> Osmanenreiches genossen das gleiche<br />

Ansehen, ja man fragte nicht <strong>ein</strong>mal nach <strong>ein</strong>er „völkischen”<br />

Herkunft, weil die für die Sultane-Kalifen ohne<br />

jedwe<strong>des</strong> Interesse war.<br />

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