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ein mythos des terrors

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Ein genauso tragisches Nachspiel an der<br />

Südfront<br />

Im Jahre 1915, als sich die osmanische Regierung nach<br />

den mörderischen Armenieraufständen von Musch und<br />

Van genötigt sah, das gefährdete Anatolien - die Armenier<br />

hatten ja innerhalb der Reichsgrenzen <strong>ein</strong>e zweite Front<br />

eröffnet - durch <strong>ein</strong>e Umsiedlung der Armenier zu<br />

schützen, gelangten mehrere hunderttausend Armenier<br />

nach Syrien.<br />

Kaum war der Waffenstillstand von Mudros geschlossen,<br />

fluteten die Umsiedler wieder in ihre Wohnorte zurück,<br />

freilich nun in der M<strong>ein</strong>ung, <strong>ein</strong>en neuen kilikisch-armenischen<br />

Staat dort gründen zu können, wo sie nach dem<br />

Krieg genau so <strong>ein</strong>e Minderheit waren wie schon vor dem<br />

Weltkrieg.<br />

Ohne auf die Ereignisse auf diesem Nebenkriegsschauplatz<br />

näher <strong>ein</strong>gehen zu können, sei stellvertretend <strong>ein</strong>e<br />

Episode berichtet, die das ganze Ausmaß dieses Unternehmens<br />

das an die „Tradition der Kreuzzüge erinnern”<br />

sollte (und es leider auch tat) verstehen macht:<br />

Nachdem die Türken die französisch-armenischen Invasoren<br />

schon längst wieder zurückgeworfen und Marsin<br />

und Tarus wieder fest in der Hand ihrer Bewohner waren,<br />

die sich <strong>ein</strong>e armenisch-französische Herrschaft nicht<br />

aufzwingen ließen, erklärte <strong>ein</strong> Haufen armenischer<br />

Fanatiker die Region zwischen den Flüssen Sehun und<br />

Jehun für „sich selbst regierend”.<br />

Rädelsführer dieser absurden Aktion war Mihran Damadian,<br />

in Unehren ergrauter Terrorist, der sich s<strong>ein</strong>e ersten<br />

blutigen Lorbeeren beim Anzetteln von Aufständen in<br />

Sassun geholt hatte.<br />

Als die Franzosen ihn in die Schranken weisen wollten,<br />

erklärte er am 5. August 1920 <strong>ein</strong>en „unabhängigen armenischen<br />

Staat Kilikien” unter französischem Mandat, und<br />

besetzte nach Terroristenmanier mit <strong>ein</strong>er Handvoll<br />

bedingungslos ergebener Partisanen das Palais <strong>des</strong> Gouverneurs<br />

von Adana.<br />

Er - als Repräsentant der Armenischen Nationalen Delegation<br />

(was immer das in Kilikien s<strong>ein</strong> mochte) - erklärte<br />

sich dort zum „armenischen Gouverneur unter französischem<br />

Schutz”. Das unglückliche Theaterstück endete<br />

bereits <strong>ein</strong>e Stunde später, als der französische Kommandant<br />

den Mihran Damadian mitsamt s<strong>ein</strong>er „Regierung”<br />

unmißverständlich aufgefordert hatte, „cette comedie<br />

ridicule” raschest zu beenden.<br />

Die Franzosen beendeten ihre kilikisches Abenteuer bald<br />

darauf.<br />

Am 11. Dezember 1918 hatte <strong>ein</strong> französisches Bataillon,<br />

bestehend aus 400 fanatisierten Armeniern, Dörtyol - also<br />

die notorische armenische Aufstandsgegend im Banne<br />

<strong>des</strong> Musa Dagh und Zeituns - besetzt.<br />

Am 20. Jänner 1920 begannen die Franzosen mit der Evakuierung<br />

von Marasch. (Am 6. Februar telegrafierte der<br />

Patriarch von Istanbul nach Paris, 2000 Armenier seien<br />

von den Türken „massakriert” worden; am 25. Februar<br />

kabelte Reuter in alle Welt, die Türken hätten 70000 [sieb-<br />

110<br />

zigtausend] Armenier in Marasch hingeschlachtet . . .)<br />

Der Kampf an der Südflanke der Türkei nahm jedenfalls<br />

echten Kriegscharakter an, wenn auch k<strong>ein</strong>eswegs im<br />

Sinne <strong>des</strong>sen, was Reuter in üblicher Manier, offenbar<br />

noch in der Tradition der Kriegshetze, kolportierte.<br />

Der Kampf spielte sich vielmehr zwischen den bestausgerüsteten<br />

armenischen Einheiten und ihren nunmehr wieder<br />

voll kampffähigen, von <strong>ein</strong>er effizienten Regierung in<br />

Ankara geführten türkischen Truppen ab, die mangelnde<br />

Ausrüstung und Transportmittel durch Vaterlandsliebe<br />

ersetzten.<br />

Am 20. Oktober 1921 wurde zwischen M. Franklin<br />

Bouillon als Vertreter Frankreichs und der türkischen<br />

Regierung <strong>ein</strong> Abkommen über den bedingungslosen<br />

Abzug der Franzosen unterzeichnet.<br />

Dank <strong>ein</strong>er unerhörten Panikmache schloß sich die überwiegende<br />

Mehrheit der erst 1918 wieder nach Kilikien<br />

zurückgekehrten armenischen Bevölkerung - die im<br />

Süden der Türkei als wertvolles Mitglied der türkischen<br />

Gem<strong>ein</strong>schaft genau so wertvoll und willkommen gewesen<br />

wäre wie im übrigen Anatolien - der französischen<br />

Rückzugsbewegung an.<br />

Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die geschlossene<br />

Abwanderung der Armenier aus Kilikien geplant und auf<br />

<strong>ein</strong> Ziel hin programmiert war: man wollte den „dümmlichen,<br />

unfähigen Türken” beweisen, daß es ohne das<br />

armenische Element „<strong>ein</strong>fach nicht ginge”; Handel - vor<br />

allem internationaler Handel - und Gewerbe und Industrie<br />

endgültig zusammenbrechen müßten. Das Gegenteil trat<br />

<strong>ein</strong>. Unter allen Nachfolgestaaten <strong>des</strong> Osmanenrei-ches, in<br />

denen sich die enorm tüchtigen Armenier zu<br />

Hunderttausenden niederließen (sie waren ja 1915 k<strong>ein</strong>eswegs<br />

ausgesiedelt sondern umgesiedelt worden!) hat sich<br />

k<strong>ein</strong>er auch nur im entferntesten mit der Entwicklung in<br />

der Türkei messen können. Einzig die Türkei schaffte bislang<br />

den Weg in <strong>ein</strong>e sichere, friedliche Gegenwart mit<br />

<strong>ein</strong>er an die Grenzen der Gewißheit gehenden Option für<br />

<strong>ein</strong>e noch bessere, friedliche Zukunft, während die<br />

unglücklichen Nachfolgestaaten, Syrien und der Libanon<br />

vor allem, in <strong>ein</strong>em Meer von Blut und Terror - nicht<br />

zuletzt von Armeniern getragenem Terror - versinken. À<br />

propos „Libanon”:<br />

Der französische Oberkommandierende in Kilikien,<br />

General Dufieux, <strong>ein</strong> notorischer Türkenhasser, der es bis<br />

zum letzten Augenblick vermied, auch nur mit <strong>ein</strong>em<br />

Türken Kontakt aufzunehmen, verließ Adana am 24.<br />

November 1921.<br />

Unmittelbar vorher besuchte er noch den französischen<br />

Soldatenfriedhof alldort, und als er den obligatorischen<br />

Kranz niederlegte sagte er traurig: „Den französischen<br />

Soldaten, die vergeblich ihr Blut hingegeben haben.”<br />

Es war, als wollte er dieses Wort stellvertretend für alle<br />

Franzosen sagen, die der Terroropfer im Libanon und<br />

Terroropfer <strong>des</strong> libanesischen Desasters gedenken wollen;<br />

die geradezu unfaßbaren Terrorwellen, die Paris und<br />

Frankreich aus dem Libaron in der Zwischenheit erreichten<br />

und unzählige unschuldige Opfer forderten sind alle

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