Ihr kennt eure Bibel nicht! - von Katharina Mommsen
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sos habe in Indien Gesetze und Gerichte eingeführt sowie die Verehrung<br />
der Gottheit gelehrt. 12 Solche Überlieferung spiegelt sich<br />
wider in Hölderlins Gedicht: »Gebt die Gesetze [ ... 1 ihr nur/Habt<br />
der Eroberung Recht, wie Bacchus.«<br />
Der Eroberungszug des Dionysos,13 der den Gott in fernste<br />
Länder führte, wurde für Hölderlin <strong>von</strong> nun ab das bevorzugte<br />
Sinnbild überhaupt für das Wesen entscheidender geistiger Revolutionen.<br />
Wenn eine Weltzeit sich erneuert - und auf eine solche<br />
Erneuerung ist ja Hölderlins ganzes Dichten und Prophezeien gerichtet<br />
-, wenn eine Weltzeit sich erneuert, so geschieht das durch<br />
Wanderung des Geistes und der Götter. Die Wanderung führt dann<br />
in fernes Ausland, oder <strong>von</strong> dort, <strong>von</strong> der Kolonie, in die Heimat<br />
zurück. In vielen Abwandlungen kehrt dies Bild beim späten Hölderlin<br />
wieder. Seinen Ursprung, dies ist für uns wichtig zu wissen,<br />
nimmt es <strong>von</strong> dem Indienzug des Dionysos.<br />
Die große Hymne, entstanden um die Jahrhundertwende, bringt<br />
abermals eine Gleichsetzung des Dichters mit Bacchus. Auch hier<br />
ist dem Dichter die entscheidende Rolle zugedacht in dem Augenblick,<br />
wo eine neue Weltzeit anbricht, wo die Völker aus langem<br />
Schlaf erwachen. Seine Aufgabe ist es dann nämlich, »dem Volk<br />
ins Lied gehüllt die himmlische Gabe zu reichen« (v. 59 f.). Dichtung<br />
ist dann das »himmlische Feuer, das die Erdensöhne ohne<br />
Gefahr trinken«. Und zwar trinken sie es deswegen ohne Schaden<br />
zu nehmen, weil sich der Dichter bereits der Gefahr unterzogen<br />
hat, die mit der Entgegennahme der himmlischen Gabe verbunden<br />
ist. Um das Wesen dieser Gefahr zu verdeutlichen, vergleicht<br />
Hölderlin die dichterische Empfängnis mit der Geburt des Dionysos.<br />
Semeie, die Mutter des Gottes, wurde bei der Geburt des Dionysos<br />
vom Blitz getroffen. Sie, die sterbliche Geliebte des Zeus,<br />
erbat sich <strong>von</strong> diesem auf Anstiften der eifersüchtigen Hera, er möge<br />
ihr in seiner ganzen Hoheit erscheinen. Als Zeus ihr nun in seiner<br />
12 Diodor II 38: Tllläv Tf xmaödl;m TC> =:dov xai vOIlOUC; d