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Ihr kennt eure Bibel nicht! - von Katharina Mommsen

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flug. Das hat ihn, den Dichter, aus dem Schlaf der Kindheit geweckt<br />

und »zum Manne gemacht«, er fühlt sich nun seinerseits<br />

»reif zum Königssize«. Bei dem Bild der gemeinsam unternommenen<br />

Kriege dürfen wir uns daran erinnern, dass gegen Ende des<br />

Jahres 1794 ein Heft der Schillerschen THALlA erschienen war, in<br />

welchem einzig Hölderlin und Schiller als Autoren auftraten, und<br />

zwar Hölderlin mit dem umfangreichen Fragment aus Hyperion<br />

und dem Gedicht DAS SCHICKSAL. Eine Bundes-, eine Kampfgenossenschaft<br />

dieser Art mit Schiller hatte Hölderlin sich weiterhin erträumt.<br />

Sie war <strong>nicht</strong> möglich gewesen.<br />

Der Dichter be<strong>kennt</strong>, durch Herkules »zum Manne« gemacht<br />

worden zu sein. Er betont aber zugleich, dass er <strong>von</strong> niemandem -<br />

also auch <strong>nicht</strong> <strong>von</strong> Herkules - »erzogen« ward. Kein »Gärtner«<br />

hat sich seines jungen Lebens angenommen. Auf diese Pointe leiten<br />

die rhetorischen Fragen der Verse 28 bis 36 sehr wirkungsvoll<br />

hin. Ein Vorwurf gegen Schiller ist hier wohl <strong>nicht</strong> zu verkennen.<br />

Dessen Pflege und Erziehung ward also <strong>von</strong> Hölderlin <strong>nicht</strong> als<br />

entscheidend und eigentlich fruchtbar angesehen. Gerade darin<br />

aber: dass den einen »Götterkräfte« auferzogen, der andre aber<br />

einzig und allein aufs »eigne Streben« angewiesen war, gerade<br />

darin wird jetzt der Größenunterschied in neuer Weise empfunden.<br />

In der Schlußstrophe äußert sich dann ein geradezu promethischer<br />

Trotz. Der Dichter zeigt sich willens, den begonnenen Kampf<br />

auch ohne Hilfe des Bundesgenossen allein weiterzuführen. Er fühlt<br />

die Kraft in sich, mit dem Sohn des Zeus zu wetteifern und die<br />

»Unsterblichkeit«, die ihm die Geburt versagte, auf eigne Weise zu<br />

erringen. Eine deutlich agonale Haltung tritt damit zutage: der<br />

unbedingte Wille zum Wettstreit mit dem Größeren. Der Göttersohn<br />

soll die Beute mit ihm teilen.<br />

Alles das sind wirklich Bekundungen einer neuen Selbstsicherheit.<br />

Die Empfindung des Größenunterschieds verleiht jetzt<br />

Schwung und Kraft zum eigenen Wagen. Es erscheint so, als ob<br />

das bisherige Leiden an diesem Größenunterschied als etwas Überwundenes,<br />

auch als eine überstandene Gefahr hinter dem Dichter<br />

liegt. Hierauf weist besonders der Schluß der 3. Strophe, den schon<br />

68<br />

Wilhelm Böhm als "durchaus erlebt" empfand, erlebt im Zusammenhang<br />

mit Schiller:<br />

Zwar der Schüler mußte zahlen;<br />

Schmerzlich brannten, stolzes Licht<br />

Mir im Busen deine Strahlen,<br />

Aber sie verzehrten <strong>nicht</strong>.<br />

Es verdient Beachtung, dass diese Verse auf die Mythen <strong>von</strong> Phaethon<br />

und Ikarus anspielen. In beiden Mythen gibt ja dies den Ausschlag,<br />

dass die Strahlen der Sonne <strong>nicht</strong> nur schmerzlich brennen,<br />

sondern unheilbringend verzehren: Phaethon, der in stolzem<br />

Leichtsinn den Sonnenwagen seines Vaters Helios lenkt, verursacht<br />

dadurch einen Weltbrand, bis ihn der Blitz des Zeus trifft; Ikarus,<br />

der mit den <strong>von</strong> seinem Vater Dädalus gefertigten Flügeln ehrgeizig<br />

allzu hoch stieg, ging dadurch unter, dass die Sonne ("rapidus<br />

sol" bei Ovid) das Wachs, das die Federn zusammenhielt, schmelzen<br />

machte. Wenn Hölderlin diese Mythen heranzieht, so ist das<br />

<strong>nicht</strong> Zufall. Schiller hatte ihm noch in der letzten Jenaer Zeit den<br />

Auftrag gegeben, die Phaethon-Episode aus Ovids Metamorphosen<br />

zu übersetzen für seinen MUSENALMANACH. Hölderlin hatte den<br />

Auftrag ausgeführt, Schiller aber nalun dann die Übersetzung doch<br />

<strong>nicht</strong> auf. So liegt also auch in dieser Partie der HERKuLEs-Hymne<br />

eine direkte Schiller-Anspielung vor.<br />

Zweifellos verband Schiller mit seinem Auftrag einen pädagogisch<br />

wohlgemeinten Gedanken. Mit dem Hinweis auf den Phaethon-Mythos<br />

wurde Hölderlin veranlaßt, über die Gefahren eines<br />

das Maß übersteigenden geistigen Höhenflugs zu reflektieren. Diese<br />

Gefahren mag Schiller in Hölderlins Persönlichkeit gesehen haben<br />

wie auch in seinem Di

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