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Ihr kennt eure Bibel nicht! - von Katharina Mommsen

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kommen, damit das Kleinod der GESPRÄCHE das Licht der Welt erblicken<br />

konnte. Da war Eckermanns bewundernswerter Instinkt,<br />

der ihn schon in der Jugend <strong>von</strong> fern seine Bestimmung erahnen<br />

ließ; da war jene nachtwandlerische Sicherheit, mit der er stets die<br />

richtigen Wege einschlug - nach seinen eigenen Worten "wie die<br />

Tiere durch ihre Organe belehrt" -, um dorthin zu gelangen, wo<br />

die Lebensaufgabe seiner harrte; da war schließlich und vor allem<br />

die Stärke des Charakters, die ihn niemals vor den Opfern zurückschrecken<br />

ließ, wie sie ihm seine Sendung auferlegte. Mußte<br />

er doch, um seinen Platz bei Goethe behaupten zu können, jeden<br />

Gedanken an bürgerliche Sekurität hintanstellen. Warnender<br />

Freunde und der klagenden Braut <strong>nicht</strong> achtend, ließ er Jahr um<br />

Jahr verstreichen, in denen er sich eine 'Existenz' hätte gründen<br />

können und müssen: Goethe zu dienen war ihm wichtiger. So blieb<br />

er ein armer Mann bis an sein Ende, und für das Buch, dem er<br />

seine Unsterblichkeit verdankt, war ein zerschelltes Leben der<br />

Preis.<br />

Einzigartige moralische Kräfte ließen Eckermann die kaum<br />

überdurchschnittliche Mitgift natürlicher Gaben zusammenraffen<br />

zur fruchtbaren Tat. Dass es nötig sei, um höherer Zwecke willen<br />

Opfer zu bringen, zu entbehren, zu entsagen, diese Lebenslehre<br />

Goethes war ihm zum Evangelium geworden - Eckermann war<br />

einer der ersten, wenn <strong>nicht</strong> überhaupt der erste und auf lange<br />

hinaus der einzige, der mit dieser Lehre rigoros Ernst machte. <strong>Ihr</strong>er<br />

Realisierung durch die Tat kam eine tief in seiner Natur begründete<br />

Tendenz entgegen: eine Art Kreuzfahrergesinnung, die<br />

ihn <strong>von</strong> früh auf beherrscht. "Der guten Sache dienen" - "für die<br />

gute Sache etwas tun" - in den "Streit des Rechten und Verkehrten"<br />

aktiv eingreifen, das waren typisch Eckermannsche Devisen.<br />

Unter ihnen griff schon der Student zur Feder, um die BEYTRÄGE<br />

ZUR POESIE MIT BESONDERER HINWEISUNG AUF GOETHE zu schreiben, das<br />

Buch, das ihm den Weg nach Weimar bahnte. Von der 'Sache' her<br />

also wird Eckermann zu Goethe getrieben, <strong>nicht</strong> etwa <strong>von</strong> einem<br />

unklaren, zum Selbstzweck erhobenen Heroenkult! Dass in der<br />

Welt des Geistes und der Kunst vieles im Argen liegt, die 'gute<br />

Sache' Streiter braucht! damit <strong>nicht</strong> das 'Verkehrte' obsiege - das<br />

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ruft Eckermanns Aktivität auf den Plan. Zu Goethe stößt er, für<br />

Goethe kämpft er, weil er in ihm den Exponenten der guten Sache<br />

sieht. Noch an seinen GESPRÄCHEN ist ihm das Wichtigste, das<br />

sie geeignet seien, "die heilsamste Wirkung auf die Welt" - "auf<br />

den jetzigen Stand deutscher Kultur einen wohltätigen Einfluß<br />

auszuüben". Sie sind gleichsam ein Nachhutgefecht des <strong>von</strong> Go _<br />

the geführten bellum iustum: ein Buch bewußt geschrieben zu Nutz<br />

und Frommen des "Guten". Welch entscheidende Rolle dies r<br />

Trieb, sich der "guten Sache" zur Verfügung zu stellen, in sein m<br />

Leben spielt, darüber spricht sich eine briefliche Äußerung des alten<br />

Eckermann bescheiden-deutlich aus: "Es liegt in meiner N •<br />

tur, das Gute unbedingt zu verehren, und wenn aus mir etwas g _<br />

worden ist und noch ferner werden möchte, so verdanke ich<br />

lediglich dieser meiner Einrichtung; sintemalen mein Wissen ni ht<br />

weit her ist und meine Lebensumstände sehr widerwärtiger N •<br />

tur waren und noch sind."<br />

Das Arbeits- und Freundschaftsverhältnis zwischen Goethe und<br />

Eckermann hatte zur Grundlage die gemeinsame Herausgabe d r<br />

Goetheschen Schriften. Hier entfaltete Eckermann, durchdrun n<br />

vom Gefühl seiner Mission, für des Dichters" Wirkung in d r<br />

Gegenwart" etwas tun zu müssen, eine fruchtbare, <strong>von</strong> Goeth mit<br />

reichem Lob bedachte Tätigkeit. Bald wurde er für den Dicht r in<br />

so unentbehrlicher Berater bei allem Schaffen, wie es in früh r r<br />

Zeit nur Schiller gewesen war. Er wußte als anregender Kritik<br />

Ergänzungen und Korrekturen zu "fordern", er verstand zu in j.<br />

rieren und zu "treiben". Der realen Auswirkung nach übertraf in<br />

Einfluß selbst den Schillers: kein geringeres Werk als der FAu r­<br />

TRAGÖDIE ZWEITER TEIL ist dem unablässigen Drängen Eck rm nn<br />

zu verdanken. Auch in Goethes Naturwissenschaft war er im < uf<br />

der Jahre so eingedrungen, dass er für die Herausgabe des n turwissenschaftlichen<br />

Nachlasses vorgesehen wurde. Goeth 'Ti t .<br />

ment gibt dann die eindeutige Bestätigung, bis zu welch m f< _<br />

de Eckermann in die Stellung des nächsten Vertrauten gerü kt w, r.<br />

Ihm wurde die Veröffentlichung des gesamten literarisch n N hlasses<br />

übertragen, ihm der Schlüssel zu dem Kasten ausgehän t,<br />

in dem sich die Manuskripte zum 11. Teil des FAu T, zum .IV. iI<br />

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