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Ihr kennt eure Bibel nicht! - von Katharina Mommsen

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ZU groß« ist (v. 79), muß ein anderer Gott, »Tagewerk erwählend«<br />

(v. 81), als Helfer die Wende herbeiführen - eben jener stille Zeitgott.<br />

Der »große Geist« - so drückt die 8. Strophe das nochmals<br />

aus - »entfaltet« auf diese Weise »das Zeitbild«, das nunmehr seinerseits<br />

ein »Zeichen« genannt wird dafür, "daß zwischen ihm und<br />

andern Mächten ein Bündnis ist". An diesem »Zeichen« erkennen<br />

sich jetzt »alle« Gottheiten. Damit ist die Lösung gefunden für das<br />

Problem des Entwurfs. Die Frage, wie es angängig sein könne, dass<br />

»andere noch bei ihm«, dem »Vater«, seien, fand so ihre Beantwortung.<br />

Von dem Erscheinen des 'Zeichens' sprechen am Schluß der<br />

7. und Zu Beginn der 8. Strophe die folgenden Verse:<br />

VII So dünkt mir jezt das Beste,<br />

Wenn nun vollendet sein Bild und fertig ist der Meister,<br />

Und selbst verklärt da<strong>von</strong> aus seiner Werkstatt tritt,<br />

Der stille Gott der Zeit und nur der Liebe Gesez,<br />

Das schönausgleichende gilt <strong>von</strong> hier an bis zum Himmel. 90<br />

VIII Viel hat <strong>von</strong> Morgen an,<br />

Seit ein Gespräch wir sind und hören <strong>von</strong>einander,<br />

Erfahren der Mensch; bald sind wir aber Gesang.<br />

Und, das Zeitbild, das der große Geist entfaltet,<br />

Ein Zeichen liegts vor uns, dass zwischen ihm und andern 95<br />

Ein Bündniß zwischen ihm und andern Mächten ist.<br />

Nicht er a'llein, die Unerzeugten, Ew' gen<br />

Sind kennbar alle daran, gleichwie auch an den Pflanzen<br />

Die Mutter Erde sich und Licht und Luft sich kennet.<br />

Zu entscheidender Bedeutung gelangt hier noch ein in den drei<br />

Anfangsversen der 8. Strophe hinzutretendes Motiv: es wird wiederum<br />

auf die welterneuernde, die Einkehr der Götter bewirkende<br />

Macht des dichterischen Worts hingewiesen. »Von Morgen an«,<br />

das will sagen: <strong>von</strong> Urzeiten her waren Götter und Menschen durch<br />

das Wort verbunden, hörten <strong>von</strong>einander, sie waren »ein Gespräch«.<br />

Dass dies der Sinn der ersten Verse ist, dass sie <strong>nicht</strong>, wie man<br />

auch gemeint hat, ' bedeuten: Menschen untereinander verständigen<br />

sich durch das Wort, erhellt aus den entsprechenden Versen<br />

des Entwurfs: 73<br />

73 StA II 137 v. 49 ff.<br />

176<br />

Viel hat erfahren der Mensch. Der Himmlischen viele genannt,<br />

Seit ein Gespräch wir sind<br />

Und hören können <strong>von</strong>einander.<br />

Der Mensch und die Himmlischen also sind »ein Gespräch«. In<br />

der FRIEDENSFEIER konnte der Hinweis auf die »Himmlischen« fortfallen,<br />

da im Vorhergehenden (dem Schluß der 7. Strophe) <strong>von</strong> ihnen<br />

die Rede ist - die Strophe endet ja mit dem Wort »Himmel«.<br />

»Wir« meint also natürlich auch hier wie im Entwurf; Götter und<br />

Menschen. Von solchen 'Gesprächen' zwischen Mensch und Gott<br />

berichtet auch AM QUELL DER DONAU. Das »Wort«, das aus dem Osten<br />

(Jonien, Arabien, Asien) belebend zu uns kommt, schließt außer<br />

der antiken Dichtung ein das alttestamentarische Wort der »Propheten«,<br />

<strong>von</strong> denen es ausdrücklich heißt, dass sie .<br />

Zuerst es verstanden,<br />

Allein zu reden<br />

Zu Gott.<br />

Die 8. Strophe der FRIEDENSFEIER spricht nun die Verkündung aus,<br />

dass aus dem »Gespräch« demnächst »Gesang« werde (v. 93). Hier<br />

deutet sich an, welchen ungeh<strong>eure</strong>n Zuwachs an Wert und Würde<br />

Hölderlin dem dichterischen Wort prophezeit. Durch den »Gesang«<br />

wird dem Menschen Kunde <strong>von</strong> dem neuen Zeitbild des großen<br />

Geistes, dem Bündnis zwischen den Göttern, <strong>von</strong> all dem, worüber<br />

im folgenden gesprdchen wird, eingeleitet durch die Partikel<br />

»Und« (v. 94).<br />

Mit dem Motiv der welterneuernden Dichtung sind wir aber<br />

mitten im Wirkungsbereich des Dionysos - er ist ja für Hölderlin<br />

der eigentliche Gott dieser Dichtung. So deutet die 8. Strophe schon<br />

auf sein Erscheinen als Fürst des Fests in der 9. hin, in der das<br />

Dichtungsmotiv dann beherrschend auftritt. Aber Dionysos' Ercheinen<br />

in der 9. Strophe wird auch noch in anderer Weise sehr<br />

wirkungsvoll vorbereitet. Wenn in den zitierten Versen der 8. Strohe<br />

<strong>von</strong> dem »Zeichen« gesprochen ward, das der »große Geist«<br />

ntfaltete, so erfährt dieser Gedankengang in den folgenden Vern<br />

noch eine bedeutsame Erweiterung. Denn dieses Zeichen -<br />

ölderlin nennt es jetzt noch genauer »Das Liebeszeichen«: Zei-<br />

177

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