Probekapitel [.pdf - ca. 5233 kb] - Minerva KG Gude
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Möglichkeiten und Grenzen der Spontankorrektur<br />
Das Phänomen der »Spontankorrektur« nach Frakturen<br />
des proximalen Radiusendes im Wachstumsalter wird<br />
in der Literatur wiederholt beschrieben (Benz u. Roth<br />
1985; Graff 1989; v. Laer 1982, 1984; v. Laer et al. 1997; Reidy<br />
u. van Gorder 1963; Vocke u. v. Laer 1998 a, 1998 b).<br />
Hierbei handelt es sich um »spontane« Aufrichtungen<br />
nichtreponierter Fragmentabkippungen. Spontankorrekturen<br />
nach konservativ behandelten Fällen von bis<br />
zu 45° (Benz u. Roth 1985; Reidy u. van Gorder 1963) und<br />
sogar bis zu 60° Abkippung (Graff 1989; Vocke u. v. Laer<br />
1998 a, 1998 b, 2000) sind dokumentiert und bekannt.<br />
In eigenen Langzeituntersuchungen von Kindern<br />
mit dislozierten proximalen Radiusfrakturen konnte<br />
bei Kindern unter 10 Jahren eine vollständige Aufrichtung<br />
von Frakturabkippungen bis zu 60° beobachtet<br />
werden (Vocke u. v. Laer 1998 a, 1998 b, Laer 2000). Jenseits<br />
des 10. Lebensjahres wurden Fehlstellungen bis zu<br />
20° korrigiert. Eine radiologisch dokumentierte Aufrichtung<br />
der Abkippungen konnte zwischen 4 und<br />
24 Monaten – abhängig vom Zeitpunkt der Röntgenaufnahmen<br />
– festgestellt werden (Vocke u. v. Laer 1998 b).<br />
Dies ist umso erstaunlicher, als nur 20–30% des Längenwachstums<br />
des Radius auf die proximale Radiusephiphyse<br />
entfallen (Chambers u. Wilkins 1996; v. Laer 1984;<br />
v. Laer et al. 1997).<br />
Bei nur geringem funktionellen Korrekturanreiz am<br />
Ellbogengelenk spricht die »spontane« Aufrichtung innerhalb<br />
weniger Monate dafür, dass die »Spontankor-<br />
15.1 Proximaler Unterarm 319<br />
rektur« nicht auf das Wachstum, sondern vielmehr auf<br />
einen mechanisch statischen Reiz – im Sinne einer mechanischen<br />
Aufrichtung – zurückzuführen ist (v. Laer<br />
1982, 1984; v. Laer et al. 1997; Vocke u. v. Laer 1998 a,<br />
1998 b, 2000). Der vermutete mechanisch stimulative<br />
Effekt als ein wachstumsbedingter Korrekturmechanismus<br />
ist jedoch bisher nicht endgültig geklärt und bleibt<br />
spekulativ (Abb. 15.17).<br />
Im Gegensatz zu anderen Lokalisationen am Skelett<br />
werden Seit-zu-Seit-Verschiebungen am proximalen<br />
Radius nicht vollständig remodelliert (Ehrensprenger<br />
1990; Häßle u. Mellerowicz 1991; v. Laer 1996; v. Laer<br />
1982, 1984; O’Brien 1965). Dies wird auf fehlende mechanische<br />
Stimuli in der seitlichen Bewegungsebene zurückgeführt.<br />
Dementsprechend findet sich ein Zusammenhang<br />
zwischen initial starker Seit-zu-Seit-Verschiebung<br />
und nachfolgender radiologischer Radiusköpfchendeformität<br />
und -verplumpung (Vocke u. v. Laer<br />
1998 a, 1998 b, 2000; Abb. 15.18).<br />
Klassifikation<br />
Die unterschiedlichen Seit-zu-Seit-Verschiebungen und<br />
Abkippungen haben zu verschiedenen Einteilungen geführt.<br />
Die gebräuchlichste wurde von Judet eingeführt<br />
und umfasst 4 Grade (Judet et al. 1962) Metaizeau schlug<br />
1993 eine Klassifikation ebenfalls in 4 Grade vor (Métaizeau<br />
et al. 1980). Diese ist aus seiner Behandlungsstrategie<br />
der Radiusköpfchenfraktur mittels intramedullärer<br />
Markraumschienung entstanden (ebd.; Abb. 15.19 a–d).<br />
Abb. 15.17. 4-jähriges Mädchen mit konservativ behandelter abgekippter proximaler Radiusfraktur. Von rechts nach links wird der Vorlauf<br />
dargestellt (Unfalltag, 2 Wochen, 4 Monate, 1 Jahr, 12 Jahre). Funktion und Kosmetik sind seitengleich zum unverletzten Gegenarm