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362 Kapitel 15 Unterarm<br />
!<br />
15.3<br />
Distaler Unterarm<br />
A.-M. Weinberg, H. Reilmann<br />
Bei distalen Unterarmverletzungen unterscheidet man<br />
die extraartikulären von den intraartikulären Frakturen.<br />
Als extraartikuläre Frakturen finden sich distale<br />
metaphysäre Frakturen sowie Epiphysenlockerungen<br />
und -lösungen (Salter-Harris I und II). Letztgenannte<br />
Verletzungen führen transversal durch die Fuge. Da sie<br />
dort ausschließlich den mineralisierten Anteil betreffen,<br />
sind diese Frakturen zu den metaphysären Frakturen<br />
zu zählen.<br />
Demgegenüber handelt es sich bei den intraartikulären<br />
Frakturen um Epiphysenfrakturen mit epiphysärem<br />
(Salter-Harris III) oder epimetaphysärem (Salter-<br />
Harris IV) Bruchlinienverlauf.Sie kreuzen die Fuge immer<br />
sagittal. Umstritten bleibt, inwieweit Übergangsfrakturen<br />
am distalen Unterarm auftreten. Es wird vermutet,<br />
dass der Fugenschluss weitaus schneller als an<br />
der distalen Tibia eintritt und daher dieser Frakturtyp<br />
nicht oder nur ganz selten auftritt. Aber auch Salter-<br />
Harris-III- und -IV-Verletzungen des distalen Radius<br />
bleiben Raritäten im Kindesalter.<br />
Demgegenüber weist der Adoleszente bei Fugenschluss<br />
entsprechend den Erwachsenen intraartikuläre<br />
Frakturen auf, die entsprechend der Einteilung der AO<br />
klassifiziert werden. Eine Sonderform am distalen Unterarm<br />
sind die Galeazzi-Frakturen oder deren Äquivalent.<br />
Die metaphysären Frakturen und die Epiphysenlösungen<br />
mit oder ohne metaphysären Keil sind im Gegensatz<br />
zu den Epiphysenfrakturen durch dieselbe<br />
Wachstumsprognose und Spontankorrektur gekennzeichnet.<br />
Daher erscheint es sinnvoll, einem daraus abgeleiteten<br />
Behandlungskonzept zu folgen.<br />
Alle intraartikulären Frakturen müssen anatomisch<br />
reponiert werden, um mögliche posttraumatische Schäden,<br />
die eine Präarthrose für das Handgelenk darstellen<br />
würden, zu vermeiden.<br />
Bei allen extraartikulären Verletzungen kann die<br />
ausgesprochen gute Korrekturpotenz in das Behandlungsregime<br />
entsprechend dem Alter integriert werden.<br />
Ursache und Häufigkeit<br />
Am distalen Unterarm treten 75% aller Unterarmfrakturen<br />
auf. Somit stellen diese Frakturen 20% sämtlicher<br />
Extremitätenfrakturen dar (Bias<strong>ca</strong> et al. 1995; Jonasch u.<br />
Bertel 1981; Largiader et al. 1998). Dabei treten isolierte<br />
Radiusfrakturen etwa doppelt so häufig auf wie alle anderen<br />
Frakturen des distalen Unterarms zusammengenommen.<br />
Bei der Analyse der Unfallmechanismen konnte festgestellt<br />
werden, dass der größte Teil der Patienten einen<br />
Sturz auf die dorsalflektierte Hand erleidet (Bias<strong>ca</strong> et al.<br />
1995; Borton et al. 1994; Hilgert et al. 1998; Jonsson et al.<br />
1999; Nork et al. 1999; Orenstein 1996; Oskam et al.<br />
1998). In neuerer Zeit nimmt die Rate derjenigen zu, die<br />
aufgrund neuerer Rasanzsportarten wie Skateboardoder<br />
Scooter-Fahren oder im Winter Snowboard-Gleiten<br />
stürzen und sich dabei an der Hand verletzen (Heller<br />
et al. 1996; Houshian et al. 1997; Jerosch et al. 1998; Johannsen<br />
et al. 1997; Largiader et al. 1998; Powell u. Tanz<br />
1996; Skillern 1915).<br />
Entwicklung und Wachstum<br />
Ossifikationskerne, Zeitpunkt des Fugenschlusses<br />
Die sekundären Ossifikationszentren der distalen radialen<br />
Epiphyse erscheinen im 7. Monat, die der ulnaren<br />
zwischen dem 6. und 7. Lebensjahr. Der Fugenschluss<br />
findet zwischen dem 16. und 19. Lebensjahr statt.<br />
Wachstumsprognose<br />
Hemmende Wachstumsstörungen. Zu Wachstumsstörungen<br />
des vorzeitigen partiellen oder vollständigen<br />
Verschlusses einer Wachstumsfuge mit konsekutivem<br />
Fehlwachstum kann es nach Epiphysenfrakturen, Epiphysenlösungen,<br />
aber auch nach epiphysennahen metaphysären,<br />
undislozierten und dislozierten Brüchen<br />
kommen (Hove u. Engesaeter 1997; Johari u. Sinha<br />
1999). Die eigentliche Ursache derartiger Wachstumsstörungen<br />
ist unbekannt.<br />
Die Rate der angegebenen Wachstumsstörungen variiert,<br />
dabei werden für den Radius Werte zwischen 1<br />
(Davis u. Green 1976) bis 7% (Lee et al. 1984) und für die<br />
Ulna bis zu 21% (Nelson et al. 1984) genannt. Die Häufigkeit<br />
ist signifikant niedriger als der entsprechende<br />
Wert für die untere Extremität, der mit 20–30% angegeben<br />
wird (Abb. 15.56 a–c).<br />
Stimulative Wachstumsstörungen. Am Radius sind<br />
Wachstumsstörungen im Sinne eines partiellen Mehrwachstums<br />
nach jeder Fraktur anzutreffen. Das Auftreten<br />
einer verstärkten Längenzunahme korreliert entsprechend<br />
anderer Lokalisationen am Skelett mit der<br />
Zahl der Repositionen und Refrakturen. Die resultierende<br />
Längendifferenz zwischen Radius und Ulna ist jedoch<br />
aufgrund der schnellen Frakturheilung gering<br />
und wird meist bis zum Wachstumsabschluss auf ein<br />
tolerables Ausmaß zurück korrigiert. Diese Längenkorrektur<br />
findet nur gegenüber der Ulna und nicht<br />
gegenüber dem entsprechenden Knochen der anderen<br />
Körperseite statt.<br />
Refrakturen nach Grünholzfrakturen im metadiaphysären<br />
Übergang und nach abgekippten Frakturen<br />
des distalen Radius treten im Gegensatz zu Brüchen der<br />
Diaphyse seltener auf. Eine verzögerte Frakturheilung<br />
an der konkaven Seite ist zwar möglich, diese kommt jedoch<br />
durch die Schnelle der Heilung klinisch nur selten<br />
zum Tragen.<br />
Möglichkeiten und Grenzen der Spontankorrektur<br />
Bei der metaphysären Unterarmfraktur können bedingt<br />
durch die Nähe ihrer Lage zur distalen Radiusepiphy-