19.11.2013 Aufrufe

Download Innenteil als PDF - Weibblick

Download Innenteil als PDF - Weibblick

Download Innenteil als PDF - Weibblick

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

TITEL<br />

Zum polnisch-patriotischen Denken<br />

gehört ein spezifisches Frauenbild, das - wie<br />

das gesamte Selbstbild Polens im 19. Jahrhundert<br />

- in der Zeit der politischen Unfreiheit<br />

entstanden ist. Eine polnische Frau war<br />

eine Katholikin mit allen Attributen eines<br />

(männlichen!) Patrioten, der das Motto<br />

Goff- Ehre - Vaterland auf seine Fahnen<br />

geschrieben hatte, welches auch das Sterben<br />

einschloß. Der romantisierende Begriff der<br />

Frau setzte voraus, daß es für eine Polin<br />

selbstverständliche Vaterlandspflicht war,<br />

stark zu sein, die häuslichen Arbeiten klaglos<br />

zu erfüllen, den Lebenskreis zu organisieren<br />

und für das Weiterleben der patriotischen<br />

Ideale zu sorgen.<br />

Die Zeit der Teilung war für die Polinnen<br />

die Zeit ihrer ersten Emanzipation. Die<br />

Geschichte hatte verursacht, daß sich die<br />

Polinnen erzwungenermaßen realtiv früh<br />

emanzipierten - sie wurden selbständig,<br />

erlernten Berufe {auch intellektuelle), sorgten<br />

für die Familie. Die Männer waren in verschiedenen<br />

Aufständen gefallen oder in die<br />

Verbannung gegangen, die Frauen gezwungen,<br />

die Wirtschaft zu übernehmen. Gutsbesitzerinnen<br />

mußten lernen, wie die Landwirtschaft<br />

organisiert wird. Dazu waren sie zwar<br />

nicht immer fähig, und der Betrieb mußte<br />

verpachtet oder verkauft werden, aber insgesamt<br />

erwuchsen aus dieser Situation starke<br />

Frauen. Die Emanzipation kam jedoch zu<br />

den Polinnen ohne das entsprechende<br />

Selbstbewußtsein. Sowohl Ausbildung und<br />

Arbeit <strong>als</strong> auch das sogenannte Sagen in der<br />

Familie (die polnische Frau ist die, die das<br />

Geld in der Familie verwaltet) - allesamt<br />

Züge, die im Westen stark emanzipatorisch<br />

besetzt sind - werden in Polen <strong>als</strong> Selbstverständlichkeiten<br />

betrachtet, die eher eine<br />

Belastung <strong>als</strong> ein emanzipatorischer Faktor<br />

sind.<br />

In der Teilungszeit hatte sich aber auch<br />

ein spezifisch-polnisches Frauenideal der<br />

»Mutter-Polin« entwickelt. Dies wird oft im<br />

Westen mit dem russischen Begriff »Mutter<br />

Rußland« verwechselt. Dabei steht sie für<br />

eine ganz andere psychologische Situation.<br />

»Mutter Rußland« verkörpert Heimat und<br />

Heimatliebe, die die Aufopferung vor allem<br />

der Männer, Soldaten, Krieger und Kämpfer<br />

verlangt. Dagegen ist die »Mutter-Polin*<br />

jede einzelne Frau, die es sich zur Aufgabe<br />

gemacht hatte, Söhne zu gebären und nach<br />

strengen patriotischen Vorgaben großzuziehen,<br />

damit sie später - <strong>als</strong> Jugendliche und<br />

Erwachsene - für das in der Sklaverei leidende<br />

Vaterland kämpfen und auf dem<br />

Schlachtfeld fallen wurden. Sie würden sich<br />

nicht zur Verfügung stellen, wenn die Zeit<br />

dafür reif war, sie würden vielmehr diese<br />

Zeit selber hervorrufen und gestalten, da sie<br />

einzig fürs Vaterland geboren wurden und<br />

für dieses sterben sollten. Eine besondere<br />

Eigenschaft der »Mutter-Polin« war es, den<br />

Tod ihrer Söhne ohne Klagen und mit ausgeprägtem<br />

Stolz anzunehmen. Das historische<br />

Muster hierfür lag offensichtlich in Sparta,<br />

Wenige Polinnen haben sich bis heute<br />

von diesem Denken befreit. Vorreiterinnen<br />

sind hier wieder die Intellektuellen. Überspitzt<br />

formuliert war auch für sie bis zur<br />

Wende die Kultur ein Kult, dem das eigene<br />

Glück im Sendungsbewußtsein für Ehre<br />

und Vaterland zu opfern war. Erst nach der<br />

Wende wurde endlich auch das eigene persönliche<br />

Glück wichtig. Man kann sagen,<br />

daß die Polinnen zugleich emanzipiert und<br />

konservativ waren. Sie sollten selbständig<br />

und abhängig, klug und Untertan, erfolgreich<br />

und bildschön, gepflegt und elegant sein.<br />

Die fehlenden Frauenrechte wurden durch<br />

sprichwörtliche polnische Ritterlichkeit kompensiert.<br />

Die Polinnen sind bis heute so -<br />

stark und selbständig, ohne es sich bewußt<br />

zu machen. Sie verstehen sich <strong>als</strong> Bürger<br />

und nicht <strong>als</strong> Bürgerinnen.<br />

Die Polin hat nie um ihre Rechte <strong>als</strong> Frau<br />

gekämpft, historisch bedingt wurden ihr alle<br />

Frauenrechte »von oben« gegeben. Sie lernte<br />

nie, ihre Probleme zu thematisieren. Erste<br />

Frauenrechte - wie zum Beispiel das Recht<br />

auf Studieren - erhielten sie zusammen mit<br />

den Frauen ihrer Besatzer, es waren Russinnen<br />

oder deutsche und österreichische Bürgerinnen,<br />

die dafür gekämpft hatten. Das<br />

nächste Geschenk kam mit der Wiedergewinnung<br />

der staatlichen Souveränität. Polen<br />

wollte ein modernes, demokratisches Land<br />

sein. Das Wahlrecht für Frauen war einerseits<br />

ein Beweis der Zugehörigkeit zum<br />

Europa, anderseits gewann damit die junge<br />

polnische Regierung eine wichtige Gruppe<br />

von Unterstützerinnen. Dann kamen der 2.<br />

Weltkrieg und danach der Kommunismus.<br />

Zum dritten Mal erhielten die Frauen die<br />

Emanzipation und damit das Recht auf<br />

Arbeit, auf Ausbildung, auf Gleichberechtigung.<br />

Die Frauen übernahmen sie jedoch<br />

wenig begeistert. Die unbeliebte Ideologie<br />

des Kommunismus hatte sie ihnen aufgedrängt.<br />

Zudem verbesserte sich ihre persönliche<br />

Lage dadurch nicht. Im Gegenteil:<br />

Die Berufsarbeit erschwerte oft die Lebenssituation,<br />

Die ideologisch groß geschriebene Emanzipation<br />

der Frau im Sozialismus, die <strong>als</strong><br />

Gegenargument im ideologischen Kampf<br />

mit dem Kapitalismus gemeint war, hatte<br />

sich in der polnischen Version des Sozialismus<br />

nicht bewährt. Die Frauen wurden <strong>als</strong><br />

eine ziemlich harmlose soziale Gruppe<br />

betrachtet, die man von oben beliebig manipulieren<br />

und instrumentalisieren konnte. Sie<br />

wurden gleich nach dem Krieg, <strong>als</strong> das Land<br />

in Trümmern lag, arbeiten geschickt, um<br />

schon in den 6oern an den Herd zurückbefohlen<br />

zu werden. Der Höhepunkt ihrer<br />

Instrumentalisierung wurde in der Zeit zwischen<br />

1970 und 1980 erreicht (Gierek-Ära),<br />

<strong>als</strong> man einige Maßnahmen einführte, die -<br />

<strong>als</strong> Frauenprivilegien verkleidet - tatsächlich<br />

die Diskriminierung der Frau und ihr Ausscheiden<br />

aus dem Arbeitsmarkt bedeuteten<br />

(etwa den 3Jährigen Erziehungsurlaub, der<br />

sich mit wiederholten Schwangerschaften<br />

praktisch beliebig verlängern ließ).<br />

Die wirtschaftliche Misere zwang zwar<br />

weiterhin viele Frauen zur Arbeit, die aber<br />

selten - vor allem unter den Intellektuellen -<br />

Zufriedenheit mit dem im Beruf Erreichten<br />

zuließ. In einem System, in dem man schon<br />

sprichwörtlich für alle auch alltäglichen Verbrauchsgüter<br />

Schlange stehen mußte, waren<br />

die berufstätigen Frauen nicht wie anderswo<br />

doppelt, sondern dreifach belastet Beruf,<br />

Haushalt und Einkaufen bildeten die drei<br />

Segmente des Lebens, die soviel Zeit in<br />

Anspruch nahmen, daß gar keine Abwechslung<br />

oder Urlaub möglich war.<br />

Auch gesundheitlich waren die Polinnen<br />

(genauso wie andere Ostblockbürgerinnen)<br />

viel schlechter dran <strong>als</strong> die Frauen in den<br />

kapitalistischen Ländern. Ungesundes und<br />

monotones Essen, fehlende medizinische<br />

Vorbeugung, nicht ausreichende ärztliche<br />

Fürsorge und Übermüdung durch zuviel und<br />

zu schwere Arbeit trugen gemeinsam dazu<br />

bei, daß die Polinnen sehr oft gewünschr hatten,<br />

nicht (und nie) mehr emanzipiert zu<br />

sein und lieber im Schoß der Familie die<br />

Rettung aus der Misere zu suchen. Selbstverständlich<br />

war es den polnischen Männern -<br />

Ideologie hin, Ideologie her - auch recht,<br />

wenn die Frauen lieber nur zu Hause tätig<br />

sein wollten. Polen blieb <strong>als</strong> Land konservativ.<br />

Die wirtschaftliche und soziale Niederlage<br />

des Systems ließ die Polen weiterhin an<br />

K<br />

-ä | KJ99

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!