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MEDIEN<br />
Margret Lünenborg<br />
Seid wild und unersättlich<br />
Die Zeitpunkte, Berlins einziges frauenkulturpolitisches Radioprogramm wurde 20 Jahre alt. Oft totgesagt, müssen<br />
sich die Macherinnen der Sendung jetzt wieder auf einen heißen Sommer im Kampf um Sendeplätze machen.<br />
»So wünscht es sich insgeheim fast jeder<br />
Journalist: Daß, wenn er eines Tages nicht<br />
mehr schreiben darf, die Leser sich zu Protestzügen<br />
vor dem Redaktionsgebäude formieren,<br />
daß sie Unterschriften sammeln<br />
zugunsten des Verstummten.« So beschrieb<br />
im Mai / 1990 der Tagesspiegel beeindruckt<br />
und zugleich fassungslos den Protest, den<br />
die drohende Einstellung der Sendung<br />
Zeitpunkte in Berlin ausgelöst hatte. Beeindruckt,<br />
weil 6.000 Unterschriften, die von<br />
Frauen und Männern gesammelt und dem<br />
Intendanten überreicht wurden, tatsächlich<br />
jedes normale Maß an Hörer(innen)bindun^<br />
weit übersteigen. Fassungslos, weil dieses<br />
Maß an »Kundinnenbindung« die Chefs des<br />
SFB nur mühsam und äußerst zögerlich hat<br />
dazu bewegen können, den Zeitpunkten weiterhin<br />
einen Platz im Äther einzuräumen.<br />
»Vielleicht«, so resümierte der Tagesspiegel,<br />
»ist nicht nur die Hörfunkstruktur reformbedürftig,<br />
sondern auch die Denkstruktur<br />
mancher Führungspersönlichkeiten.«<br />
Am 6. April feiern die Zeitpunkte ihren<br />
20. Geburtstag. Während dieser Zeit haben<br />
sie diverse Hörfunkreformen des SFß überlebt<br />
- wenn auch mit kontinuierlichen Beeinträchtigungen<br />
durch den Wechsel auf andere<br />
Wellen, Reduzierung des Etats, Verkürzung<br />
und Verschiebung der Sendezeit. Durch all<br />
diese Veränderungen hat eine hartnäckige<br />
Hörerinnengemeinde das frauenpolitische<br />
Magazin begleitet. Deshalb zögert Redakteurin<br />
Birgit Ludwig nicht eine Sekunde mit der<br />
Antwort auf die Frage, was für sie der größte<br />
Erfolg der Sendung in den letzten 20 Jahren<br />
war: »Das außergewöhnlichste Erlebnis waren<br />
die Hörerinnen. Als es uns mal wieder an<br />
den Kragen ging, sind sie in die Sitzung des<br />
Rundfunkrats gezogen und haben dem Intendaten<br />
erklärt: >Die Zeitpunkte sind unser<br />
Radio. Wir lassen uns das nicht wegnehmen.<<br />
Dieses Feedback an uns Macherinnen bedeutete<br />
für die Hörerinnen eine Menge Arbeit.<br />
Und es gehörte auch Mut dazu, das ist schließlich<br />
nicht der einfachste Weg.« Tatsächlich<br />
dürfte es nur wenige Beispiele dafür geben,<br />
daß ein aufklärerisches, emanzipatorisches<br />
Programm so unmittelbar zur Emanzipation<br />
der Hörerinnen beigetragen hat.<br />
S u 2)1999