Download Innenteil als PDF - Weibblick
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TITEL<br />
Was für ihre Mütter undenkbar war, wagen die Töchter: Immer mehr junge<br />
zulernen, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern oder auf der unbestimmten<br />
•..<br />
M)me<br />
-••<br />
n-o ist es hie<br />
T\T • *<br />
Tea aus Georgien<br />
Monika aus Warschau hat nicht nurgute<br />
F.rjahrungen mit Au-pair gemacht<br />
Elena (Nr.2) aus Sibirien<br />
»Au-pair-Club, Zimmer 1131,« stehl auf<br />
dem Wegweiser am Seitenaufgang des Wilmersdorfer<br />
Rathauses. Dort verbreiten die<br />
hellen Neonröhren an der Decke zwar nicht<br />
gerade Clubathmosphäre, doch die anwesenden<br />
Au-pairs stört das wenig: Viele sind neu<br />
in der Stadt und nutzen den allwöchentlichen<br />
Treff, um andere Au-pairs kennenzulernen,<br />
bei Tee und Keksen Eindrücke zu vergleichen<br />
und Erfahrungen auszutauschen. Neben<br />
Deutsch hört man vor allem Polnisch und<br />
Russisch - fast zwei Drittel der Mädchen<br />
hier kommen aus Osteuropa.<br />
Auch Elena. Erst seit ein paar Wochen<br />
ist sie in Deutschland und kommt seitdem<br />
regelmäßig hierher. Zu Hause in Kiew hat<br />
sie schon einige Semester Deutsch, Englisch<br />
und Weltliteratur studiert und wollte vor<br />
allem der Sprache wegen ins Ausland. Es<br />
ist nicht ihr erster Deutschland-Aufenthalt:<br />
Vor vier Jahren war die dam<strong>als</strong> lyjährigc <strong>als</strong><br />
Betreuerin mit einer Kindergruppe aus<br />
Tschernobyl in Salzwedel. Diesmal hat sie<br />
sich ganz bewußt für Berlin entschieden,<br />
»weil das die Hauptstadt ist und sich hier<br />
Ost und West vereinen«. Daß sie nun jenseits<br />
der Stadtgrenze wohnt und der letzte<br />
Bus abends um halb Neun Fahrt, findet sie<br />
nicht weiter schlimm: Vom Au-pair-Club<br />
holen sie ihre Gasteltern mit dem Auto ab,<br />
die übrigen Abende der Woche verbringt sie<br />
mit Lesen und Lernen.<br />
Ihrer Freundin Iwona wäre das zu langweilig:<br />
Sie ist froh, der Enge ihres polnischen<br />
Heimatdorfes endlich entkommen zu sein<br />
und nutzt ihre Freizeit zu ausgiebigen<br />
Museumsbesuchen. Nach ihrem Au-pair-<br />
Aufenthalt möchte sie Germanistik und<br />
Kunst studieren, am liebsten in Berlin.<br />
Was ihr hier gefällt? »Der ganze Lebensstil<br />
ist viel lockerer. Die jungen Leute denken erst<br />
daran, das Leben zu genießen, und kriegen<br />
dann Kinder. In Polen ist es genau andersherum.«<br />
Auch Elena Nummer zwei, ebenfalls erst<br />
seit sechs Wochen in Berlin, möchte sich mit<br />
dem Kinderkriegen noch etwas Zeit lassen:<br />
»Eine gute Ausbildung ist wichtiger,« sagt sie<br />
schüchtern. Dazu zählt auch der einjährige<br />
Au-pair-Aufenthalt, zu dem ihr ihre Eltern<br />
geraten haben. Schließlich soll Elena nach<br />
dem Studium das väterliche Reisebüro übernehmen,<br />
und da sind gute Deutschkenntnisse<br />
wichtig - auch wenn sich bislang nur<br />
wenige deutsche Touristen ins viereinhalb<br />
Flugstunden südöstlich von Moskau gelegene<br />
Abakan verirren. Viel zu wenige, bedauert<br />
die Neunzehnjährige und zeigt mir ein<br />
dünnes Faltblatt: »Chakassien ist reich an<br />
Geschichte und Kultur, mit liebenswerten<br />
Menschen,« lese ich da, »wenn auch vieles,<br />
was in Deutschland Lebensstandard heißt, in<br />
Sibirien noch Mangelware ist.« Ob sie Heimweh<br />
hat nach Abakan? »)a, großes Heimweh.«<br />
Für viele Mädchen sei das das größte Problem,<br />
bestätigt Frau Dückers, ehrenamtliche<br />
Vorsitzende des Vereins für internationale<br />
[ugendkontakte, der jährlich rund zweihundert<br />
Au-pairs in Gastfamilien nach Berlin<br />
und Brandenburg vermittelt. Dort leben sie<br />
<strong>als</strong> »Familienmitglied auf Zeit«, helfen bis<br />
zu dreißig Stunden wöchentlich im Haushalt<br />
und bei der Kinderbetreuung und haben<br />
dafür Anspruch auf 200 Mark monatliches<br />
Taschengeld, Krankenversicherung, die<br />
Monatskarte und einen täglichen Sprachkurs.<br />
Die Kosten dafür sowie die Vermittlungsgebühr<br />
tragen die Gasteltern, lediglich<br />
ihre Hin-und Rückreise müssen die Mädchen<br />
selbst bezahlen. »Au-pair ist für viele eine<br />
gute Gelegenheit, ohne großen finanziellen<br />
Aufwand und im gesicherten Umfeld einer<br />
Gastfamilie ein Jahr im Ausland zu verbringen,«<br />
lobt Frau Dückers ihr Modell, »und<br />
umgekehrt weiten auch deutsche Familien<br />
ihren Horizont und bekommen eine bessere<br />
Beziehung zu den Herkunftsländern ihrer<br />
Au-pairs.« Daß viele der meist Westberliner<br />
Familien zunächst Vorbehalte gegenüber<br />
Osteuropäerinnen haben, gibt sie offen zu,<br />
»aber die machen dann erst recht positive<br />
Erfahrungen.«<br />
2I'999