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Mix<br />

E.r Lei t & Aui g e s<br />

Marina, transsexuell, lesbisch<br />

Marina stöckelt in die Hotelhalle. Sie ist<br />

groß, ihre Schultern breit, sie trägt einen<br />

engen Rock und schwarze Strümpfe. Ihre<br />

Haare sind dünn, aber lang, etwas Wimperntusche<br />

um die klaren, großen, blauen Augen,<br />

hellrosa Lippenstift. Ihre Stimme ist tiefer,<br />

<strong>als</strong> man einer Frau zutrauen mag und einzig<br />

daran verrät sich, daß sie eben keine Frau ist,<br />

sondern auf dem Weg. eine zu werden, oder<br />

besser: Eine Imitation, wie sie selbst sagt.<br />

Vor vier Jahren war Marina noch wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der TU, sie stand<br />

kurz vor der Hochzeit mit einer Frau, die<br />

jede sexuelle Andersartigkeit heftig ablehnte.<br />

Marina war ein gutaussehender Mann,<br />

hatte Erfolg bei den Frauen, hatte nie auch<br />

nur daran gedacht, selbst weiblich zu sein<br />

oder weibliche Anteile zu haben. Als sie 28<br />

Jahre war, krallte sich diese Idee in ihrem<br />

Kopf fest und ließ nicht mehr los. Marina<br />

löste die Verbindung zu ihrer Freundin, kündigte<br />

ihren Job und hatte fortan nur noch ein<br />

Ziel: So gründlich und so perfekt wie möglich<br />

eine Frau zu werden, ungeachtet der<br />

Schwierigkeiten, die auf sie zukamen.<br />

Marina ist kein unkritischer Mensch,<br />

sie befragte sich selbst, wühlte in ihren<br />

Untergründen, ging zum Psychiater, suchte<br />

Kontakt zu Selbsthilfegruppen. Lächelnd<br />

spricht sie darüber, daß die meisten Transsexuellen,<br />

die sich vom Mann in eine Frau<br />

verwandeln wollen, einen sozialen Abstieg<br />

durchmachen, und es handelt sich hier nicht<br />

um eine Stufe, sondern um mehrere Etagen:<br />

Die meisten gehen auf den Strich. »Das ist<br />

das Geld«, sagt Marina. »Sie glauben gar<br />

nicht, was das kostet. Bis jetzt habe ich<br />

43.000 Mark ausgegeben, zwei Drittel allein<br />

für Epilationen. Der Haarwuchs auf Brust<br />

und Kinn und Beinen verschwindet nicht<br />

einfach von selbst.«<br />

Bis zu zweihundert Sitzungen bei<br />

Hautärzten oder Kosmetikern sind nötig,<br />

schmerzhaft wird jede Haarwurzel einzeln<br />

ausgezogen. Dazu kommt die Hormonbehandlung.<br />

Man kann sie unter ärztlicher<br />

Aufsicht durchführen lassen, doch die<br />

meisten Transsexuellen besorgen sich die<br />

Pillen schwarz. Irgendwann stehen dann die<br />

Foto: Christina Damasceno<br />

Operationen auf dem Plan, eine große und<br />

mehrere kleine. »Ich hoffe, daß das die<br />

Krankenkasse zahlt, aber sicher ist das<br />

nicht«, sagt Marina. »Ich muß Gutachten<br />

beibringen, daß ich den sogenannten Alltagstest<br />

durchgeführt habe, das heißt, daß<br />

ich seit etwa drei Jahren wie eine Frau lebe.<br />

Dann kann ich meinen Namen ändern lassen,<br />

sogar schon ohne Operation.« Denn<br />

Transsexualität wird <strong>als</strong> Krankheit anerkannt.<br />

Es ist nicht der Sex, um den es Marina<br />

geht. Männer machen sie nicht an: »Ich habe<br />

eher einen Hang zu Frauen, aber ich gehe<br />

auf den Strich, wie fast alle, und wie fast alle<br />

hoffe ich, daß man mir nach Abschluß der<br />

Operationen nicht mehr ansehen wird, daß<br />

ich einmal ein Mann war. Ich will es so perfekt<br />

wie möglich. Ich werde mir sogar die<br />

Stimmbänder operieren lassen, auch wenn<br />

davon abgeraten wird.« Ihr ginge es noch<br />

gut, sagt Marina. Es gäbe andere, denen fallen<br />

die Haare aus, nicht bei allen schlügen<br />

die Hormone so an wie sie sollen. Hinzu<br />

kommen feststehende natürliche Maße. An<br />

den großen Füßen, der Körpergröße könne<br />

man eben nichts ändern, und der Adamsapfel<br />

soll auch noch weg.<br />

»Je jünger jemand ist, desto leichter wird<br />

die Umwandlung, er ist noch nicht so eingerichtet<br />

in seinen männlichen Körper. Nach<br />

der Umwandlung ist es sehr schwer, wieder<br />

Fuß zu fassen im Berufsleben. Viele bleiben<br />

Prostituierte. Es gibt mehr Männer, die das<br />

anmacht, mit einer Transsexuellen zusammenzusein,<br />

<strong>als</strong> man glaubt, aber sie heiraten<br />

sie nicht.«<br />

Ist das der Traum vieler umgewandelter<br />

Frauen: Die Ehe, ein Mann, der sich um sie<br />

kümmert? Hat der Prozeß nicht stark masochistische<br />

Züge, die Schmerzen bei den Epilationen,<br />

die Operationen, die Veränderung<br />

des gesamten sozialen Umfeldes, und später<br />

der Sex gegen Geld? Genommen werden,<br />

erdulden, hinnehmen, eine Perfektion<br />

erstreben?<br />

»Viele, vor allem junge Transsexuelle<br />

träumen davon, ein Modell zu sein. Sie brauchen<br />

die Bestätigung: Ja, Du bist eine Frau.<br />

Andere Interessen treten fast vollständig in<br />

den Hintergrund, ihr Hobby ist die Beschäftigung<br />

mit sich selbst, dem Körper, der Reaktion<br />

der Umwelt.« Marina weiß das alles.<br />

Und trotzdem soll das Ding zwischen ihren<br />

Beinen weg, sie will es nicht mehr haben.<br />

Alles wird künstlich sein. Sie wird keine<br />

Regel haben, immer Hormone nehmen<br />

müssen. »Ich strebe nach dem antiquierten<br />

Klischee einer Frau. Wirkliche Frauen müssen<br />

heute ihren Mann stehen, das will eine<br />

Transsexuelle nicht. Ich habe mehr Glück <strong>als</strong><br />

die meisten: Ich habe Eltern, die versuchen,<br />

mich zu verstehen, wenn es ihnen auch<br />

schwerfällt.« Die Freundin, die sie einmal<br />

fast geheiratet hätte, die hat auch eine Verwandlung<br />

durchgemacht: »Ich habe sie wiedergetroffen.<br />

Heute ist sie Lesbierin und wir<br />

kommen uns wieder nah. Ist doch komisch,<br />

oder?"<br />

Während unserer Unterhaltung ist zwei<br />

Tische weiter ein mittelalter Herr in einem<br />

grauen Anzug aufgestanden. Er hatte uns<br />

schon eine Weile beobachtet, nun kommt er<br />

herüber, legt eine mit Zimmer- und Telefonnummer<br />

beschriebene Papierserviette auf<br />

den Tisch, lächelt, geht. Marina steckt die<br />

Serviette ein.

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