Download Innenteil als PDF - Weibblick
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TITEL<br />
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Die Gynäkologin Monika Hauser gründete 1993 im bosnischen Zenica ein<br />
Frauentherapiezentrum<br />
für kriegstraumatisierte Frauen. Dam<strong>als</strong> war sie die erste Person aus dem Westen, die steh vor Ort<br />
für eine humanitäre Lösung einsetzte und sich vor altem mit den Frauen solidarisierte.<br />
Anfang April fuhr sie zum ersten Mal nach Albanien, um dort eine sofortige Krisenintervention<br />
für die Kosovarinnen zu koordinieren. Und sie fordert: Milosevic muß weg.<br />
weibblick: Frau Hauser, Sie sind Anfang<br />
April für 10 Tage nach Tirana und an die<br />
albanische Grenze zum Kosovo gefahren.<br />
Was genau haben Sie dort gemacht?<br />
Monika Hauser: Wir wollten wissen, wie die<br />
Situation der kosovo-albanischen Flüchtlingsfrauen<br />
ist, was sie berichten, was sie erlebt<br />
haben und drittens, was wir machen können.<br />
Was wir zunächst angetroffen haben, war ein<br />
absolutes Chaos. Das heißt, die humanitäre<br />
Hilfe war überhaupt nicht organisiert, zumindest<br />
in Albanien. Das ist auch mein Vorwurf,<br />
daß die Bombardierungen begonnen wurden,<br />
ohne zeitgleich die humanitäre Hilfe vorzubereiten.<br />
Dementsprechend waren keine<br />
Auffanglager, weder genügend Essen noch<br />
Medikamente für die Flüchtlinge vorhanden.<br />
Die Menschen sind buchstäblich über die<br />
Grenzen geströmt und sitzen jetzt da auf den<br />
Straßen. Ich denke nicht, daß man sich eins<br />
zu eins auf diese Lage hätte vorbereiten können.<br />
Selbst wenn man weiß, was Milosevic seit<br />
acht fahren im Kosovo betreibt, war wirklich<br />
nicht vorhersehbar, mit welchem Tempo er<br />
einen derartigen Massenexodus verursacht.<br />
Dennoch war zu erwarten, daß es Flüchtlingsbewegungen<br />
geben wird.<br />
Wir fordern deshalb psychosoziale und<br />
gynäkologische Betreuung von Anfang an.<br />
Selbstverständlich müssen die Frauen erstmal<br />
ein Dach über dem Kopf haben und<br />
etwas zu essen für sich und ihre Kinder, erst<br />
dann kann ich an unser Programm denken.<br />
Aber damit muß unmittelbar danach begonnen<br />
werden. Alle Hilfsorganisationen müssen<br />
mehr Koordination zeigen. Wir kooperieren<br />
jetzt mit einer tiranischen Frauenorganistation,<br />
die vor Ort ein psychosoziales Projekt, <strong>als</strong>o<br />
eine psychologische Krisenintervention für<br />
Frauen aufbauen werden. Zudem werden wir<br />
einen Ambulanzwagen zur gynäkologischen<br />
Betreuung einsetzen.<br />
Mittlerweile liegen anscheinend glaubhafte<br />
Beweise vor, daß KosovoAlbanerinnen systematisch<br />
von serbischen Soldaten vergewaltigt<br />
werden. Was haben Ihnen die Frauen<br />
erzählt, mit denen Sie in den Flüchtlingscamps<br />
gesprochen haben?<br />
Aus den Aussagen derjenigen Frauen, die<br />
Gewalt selbst erlebt haben, und den Berichten<br />
derjenigen, die Augenzeugen von Gewalttaten<br />
sind, können wir bestätigen, daß es sehr verbreitet<br />
Gewalt gegen Frauen gibt. Allerdings<br />
ist es in der nach wie vor völlig unübersichtlichen<br />
Situation unmöglich, sich ein klares<br />
Bild zu machen. Von massenhaften oder<br />
systematischen Vergewaltigungen würde ich<br />
deshalb zu diesem Zeitpunkt noch nicht<br />
sprechen. Das kann seriöserweise niemand<br />
sagen. Aber aus all dem, was wir gehört haben,<br />
daß serbische Einheiten Dörfer beschossen<br />
haben, eingefallen sind, die moslemischen<br />
Eliten, Männer und Frauen aus ihren Häusern<br />
gezehrt und vor den Augen der anderen<br />
erschossen haben, die letzteren dann in<br />
Lagerhallen zusammengepfercht und die<br />
Frauen unter ihnen herausgeholt wurden<br />
und dann nach einigen Tagen halbtot und<br />
schwerverletzt zurückkehrten, daß Kinder<br />
vor den Augen ihrer Mütter umgebracht<br />
wurden, aus diesen Szenarien läßt sich<br />
schließen, daß vielfach Gewalt gegenüber<br />
Frauen angewendet wird. Aber die Frauen<br />
sprechen noch nicht alle. Zum einen sprechen<br />
sie nicht, weil sie noch unter Schock<br />
stehen. Und zum zweiten, weil sie aus einem<br />
sehr patriarchalen Kontext kommen.<br />
Ich denke, daß der noch patriarchaler ist,<br />
<strong>als</strong> wir das in Bosnien erlebt haben. Und die<br />
Frauen haben noch einen anderen, wichtigeren<br />
Grund zu schweigen: Was sie derzeit in<br />
Tirana, in den Camps erleben - nur Medien,<br />
Medien, Medien, ein Kamerateam nach dem<br />
anderen steckt seine Kamera in die Zelte hinein<br />
und hält sie auf die weinenden Frauen -<br />
sie haben überhaupt gar keine Möglichkeit,<br />
sich zurückzuziehen.<br />
Dieser Vorwurf wurde von Ihnen bereits<br />
im Bosnienkrieg erhoben: Den Medien sei<br />
hauptsächlich daran gelegen, das Grauen<br />
abzubilden und hinterher die Frauen mit<br />
ihren Erlebnissen und Verletzungen alleine<br />
zulassen.<br />
Es ist immer ein Drahtseilakt, auch für<br />
uns. Ich brauche die Medien, weil ich öffentlich<br />
machen will, was wir erlebt haben, was<br />
wir wissen, und zum anderen natürlich, weil<br />
wir Geld brauchen. Aber die Frage ist doch,<br />
wie man arbeitet. Mein Appell heißt deshalb<br />
mehr Selbstdisziplinierung. Die Medien haben<br />
sich in den Flüchtlingslagern gegenseitig<br />
die Klinke in die Hand gegeben, eine Sendeanstalt<br />
nach der anderen aus der ganzen<br />
Welt. Das war einfach nur ekelhaft. »<br />
2 1999