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TITEL<br />

geblieben<br />

.t Deutsche, Kommunistin<br />

gewesen und Anfang<br />

i Rußland gegangen,<br />

Am Ende hat sie alle übet l:?i>t,<br />

ihre Männer, ihre Kinder und<br />

den Kommunismus. Gemeinsam<br />

mit dem Autor Michael<br />

Peschke hat Gabriele Stammberger<br />

ihr Leben aufgeschrieben<br />

und in Dokumenten belegt.<br />

Annett Gröschner hat ihr Buch<br />

gelesen, der weibblick dokumentiert<br />

es in Auzügen.<br />

Anfang der neunziger Jahre begann<br />

Michael Peschke, dam<strong>als</strong> noch Dramaturg<br />

an der Volksbühne, über das Leben von Otto<br />

Katz zu recherchieren, besser bekannt unter<br />

dem Namen Andre Simon, eine schillernde<br />

Gestalt der kommunistischen Bewegung, der<br />

1952 zusammen mit Rudolf Slansky in einem<br />

stalinistischen Schauprozeß in Prag zum<br />

Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Die<br />

vielen Identitäten, Decknamen und Orte, an<br />

denen sich Katz aufgehalten hatte, führten<br />

ihn in ein Labyrinth und auf Abwege. Auf<br />

der Suche nach Zeugen traf er irgendwann<br />

durch Zufall auf Gabriele Slammberger, die<br />

zwar nichts mit Katz, aber um so mehr mit<br />

dem Schicksal der Kommunisten in der<br />

Sowjetunion unter Stalin zu tun hatte. Sie ist<br />

eine der letzten überlebenden Zeugen der<br />

Ereignisse der dreißiger bis fünfziger |ahre,<br />

und <strong>als</strong> Michael Peschke auf sie traf, gab es<br />

nur wenige, die von ihrer Geschichte wußten.<br />

In unzähligen Interviews und mit Hilfe von<br />

Briefen. Dokumenten und Tagebuchauszügen<br />

breitet das Buch »Gut angekommen -<br />

Moskau. Das Exil der Gabriele Stammberger<br />

Annett Gröschner<br />

1932-1954. Erinnerungen und Dokumente«<br />

eine Lcbensgeschichte aus, die exemplarisch<br />

und zugleich einmalig ist - die Odyssee der<br />

Gabriele Stammberger, an deren Ende nur<br />

sie allein übrig blieb. »In den Stunden der<br />

Verzweiflung hat mich immer ein Gedanke<br />

aufrecht gehalten: Wenn ich von allen, die<br />

mir am nächsten standen, übriggeblieben<br />

bin, dann darf ich mich nicht fallenlassen«,<br />

sagt sie an einer Stelle des Buches. Der Satz<br />

ist Motto.<br />

Die 1910 in Berlin geborene Architektentochter<br />

Gabriele Bräuning wuchs in behüteten<br />

Verhältnissen auf. Als sie mit 20 die Gründungsmitglieder<br />

des Spartakusbundes und<br />

der KPD, Käthe und Hermann Duncker,<br />

kennenlernt, ist sie noch völlig unpolitisch.<br />

Käthe Duncker hat in ihrem Haus einen<br />

marxistischen Studienzirkel, den Gabriele<br />

Stammbergerbesucht. Über die Dunckers<br />

lernt sie Walter Haenisch kennen, den Sohn<br />

des ehemaligen preußischen Kultusministers<br />

der Weimarer Republik, Konrad I laenisch.<br />

Der Vater ist verstorben und Walter<br />

kann nur wenig zum Lebensunterhalt der<br />

Familie beitragen. Als er 1931 die Einladung<br />

bekommt, in Moskau am Marx-Engels-lnstitut<br />

die Herausgabe der Marx-Engels-Werke<br />

m itzubetreuen, sagt er zu. Das Paar heiratet<br />

und gehl 1932 nach Moskau. »Ich bin <strong>als</strong>o<br />

wirklich da, und alles ist wunderschön«,<br />

schreibt Gabriele Stammberger im Mär/.<br />

1932 an ihre Eltern. Es sollte nicht lange so<br />

unbeschwert bleiben. Die erste »Säuberung«<br />

hat, <strong>als</strong> sie ankommt, das Institut schon<br />

erreicht. Auch Gabriele Stammberger wird<br />

Mitarbeiterin und lernt in ihrer ersten Zeit in<br />

Moskau viele internationale Persönlichkeiten<br />

der kommunistischen Bewegung kennen.<br />

Auch macht sie die Bekanntschaft der »Kornmunalka«,<br />

der unfreiwilligen Wohngemeinschaft,<br />

auch wenn die Moskauer Verhältnisse<br />

dieser Zeit ihr später wie das Paradies vorgekommen<br />

sein müssen. Am 3. Oktober 1932<br />

wird ihr Sohn Alexander geboren, den bald<br />

alle nur noch Pim nennen. Einen Monat<br />

später arbeitet sie schon wieder am Institut,<br />

in der Korrespondenzabteilung.<br />

Im Februar 1933 besucht sie ihre Eltern<br />

und kommt ausgerechnet an dem Tag in Berlin<br />

an, <strong>als</strong> der Reichstag brennt. Einen Monat<br />

später müssen alle Ausreisen von der Polizei<br />

überprüft werden. H<strong>als</strong> über Kopf und auf<br />

abenteuerlichen Wegen reist Gabriele Stammberger<br />

nach Moskau zurück. Erst 20 Jahrespäter<br />

wird sie wieder in Berlin sein. In der<br />

folgenden Zeit kommen viele Freunde und<br />

Bekannte in Moskau an. Der Arbeitsaufen t-<br />

hall ist für die Haenischs zum Exil geworden.<br />

Kurz danach beginnen am Institut erneut die<br />

Parteireinigungen. Walter Haenisch wird trotz<br />

seines Protestes in den Stand eines Parteilosen<br />

zurückversetzt - ein Zustand, der langsam<br />

und schleichend zur Lebensgefahr wird.<br />

Zuerst muß die Familie umziehen, ausgerechnet<br />

in die Moskauer Tolengasse. In diesem<br />

Haus leben viele Emigranten und Mitarbeiter<br />

des Marx-Engels-Lenin-Institutes.<br />

Es beginnt die Zeit der Bittbriefe an einflußreichere<br />

Genossen wie Pieck, Ulbricht oder<br />

Weincrt. Die meisten bleiben unbeantwortet.<br />

Mit der Entschließung des Parteikomitees<br />

vom Mär?. 1935 wird das Todesurteil Walter<br />

Haenischs besiegelt: Lr vertritt angeblich »in<br />

einer Reihe der wichtigsten Fragen des Marxismus-Leninismus<br />

systematisch sozialdemokratische,<br />

antimarxistische, antileninistische<br />

Ansichten«. Einen Monat später wird er entlassen.<br />

Die Ehe fängt an zu kriseln und Walter<br />

erlebt einen Zusammenbruch. Die Familie<br />

erwägt, nach Charkow umzusiedeln, wo der<br />

Mann eine Arbeit in einer Redaktion bekommen<br />

hat. Aber sie bekommen keine Wohnung.<br />

Haenisch bittet um Abkommandierung in<br />

den Spanischen Bürgerkrieg, aber das wird<br />

abgelehnt. Nach und nach werden etliche<br />

Bewohner des Hauses verhaftet, ohne Grund.<br />

Doch immer wieder meinen die Zurückbleibenden,<br />

irgendeine Verfehlung wird der oder<br />

die schon begangen haben. Sie werden gezwungen<br />

zu erklären, in welchem Verhältnis<br />

sie zu den Verhafteten standen. Am 11.3. 1938<br />

wird Walter Haenisch vom NKWD verhaftet.<br />

Gabriele Stammberger läuft in Moskau hemm,<br />

um etwas über den Verbleib ihres Mannes zu<br />

erfahren. »Ich fragte den Beamten, wie ich<br />

leben sollte, ohne Schreiberlaubnis, er lachte<br />

und sagte: »Sie werden sich wieder verheiraten!«<br />

Ich verstand ihn nicht. - Wieso soll ich<br />

mich wieder verheiraten? Ich werde auf ihn<br />

warten. Daraufhin schwieg er. Wahrscheinlich<br />

wußte er, daß man Walter schon längst<br />

erschossen hatte. »10 Jahre ohne Schreiberlaubnis«<br />

war die Umschreibung für »Tod<br />

durch erschießen«.<br />

2(1999

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