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D FEUILLETON<br />

G<br />

n<br />

Amäl liegt in Schweden und ist ziemlich<br />

klein, aber es ist auch der Ort einer<br />

großartigen lesbischen Liebesgeschichte,<br />

Elin langweilt sich. »Ich höre einfach auf<br />

zu atmen-., sagt sie t'inrna!, dann wieder: »Ich<br />

werde Miss Schweden». Schauspielerin will<br />

sie auch werden, und high sein. Man muß<br />

dazu wissen, daß Hin im schwedischen Arnal<br />

lebt, und das liegt, behauptet sie, »am Arsch<br />

der Welt". Deshalb redet sie auch immer von<br />

»Fucking Amal«, was ungefähr dasselbe heißt,<br />

würde ein r 4 jähriger deutscher Teenager von<br />

»Scheiß Castorp-Rauxel» sprechen.<br />

Agnes will sterben. Agnes lebt nämlich<br />

auch in Amäl. Allerdings ist ihr Problem<br />

weniger die Stadt am Ende von Schweden,<br />

sondern vielmehr, daß sie dort mittlerweile<br />

eineinhalb Jahre wohnt, aber keine Freunde<br />

hat. »Keiner mag mich«, brüllt sie ihrem verzweifelten<br />

Vater an ihrem 16. Geburtstag<br />

entgegen, <strong>als</strong> sie ihm erklärt, sie könne niemanden<br />

7ii einer Geburtstagsparty einladen.<br />

Manchmal weiß sich Agnes nämlich nicht<br />

mehr zu beherrschen und ihren Litern zuliebe<br />

das Susi-Sorglos-Gesicht aufzusetzen.<br />

Und nur ihrem Compntertagebuch vertraut<br />

sie wirklich alles an, auch ihr größtes Geheimnis:<br />

Sie liebt Elin.<br />

Nun ist aber das Problem, daß Elin so<br />

ziemlich der Schwärm eines jeden pubertierenden<br />

Jungen in Amal ist und sie selbst<br />

total spitz darauf, sich ihr Jungfernhäutchen<br />

entfernen zu lassen. Fs erzählen sich ja ohnehin<br />

schon alle, daß sie es mit fast jedem getrieben<br />

hätte. In der Schule gellt aber auch<br />

das Gerücht rum, Agnes stehe nur auf Frauen<br />

und besonders auf Elin. Und dabei weiß Agnes<br />

selbst noch nicht einmal, was es heißt, Frauen<br />

/u lieben. Fs ist ja nur so ein Gefühl, und<br />

geküßt hat sie bisher weder eine Frau noch<br />

einen Mann.<br />

Daß Amal. wo jeder jeden kennt, nicht<br />

gerade der ideale Ort lür Blümchensex und<br />

ein lesbisches Corning Out ist, daraus macht<br />

der Erstlingsfilm »Fncking Amal" des jungen<br />

schwedischen Regisseurs Lukas Moodysson<br />

keinen l lehl, ganz im Gegenteil: Das Milieu<br />

der Kleinstadt, ihr meist langer ruhiger FluK<br />

des Lebens, aus dem sich die Kids mit Besäufnissen,<br />

gelegentlichen Partys und Videonachmittagen<br />

am Wochenende stehlen, sind die<br />

Bedingungen seiner ebenso subtil wie real<br />

gestrickten ersten Beziehungsgehversuche<br />

eines jungen lesbischen Paares.<br />

Und da sind auf der einen Seite die<br />

rührenden Eltern von Agnes, irgendwie<br />

68er-mäßig sozialisiert und daher unheimlich<br />

offen und betroffen, die aber nicht die<br />

leiseste Ahnung davon haben, was mit ihrer<br />

Tochter wirklich los ist. Das ahnt die Mutter<br />

erst, <strong>als</strong> sie heimlich in Agnes' elektronischen<br />

Seiten blättert. Auf der anderen Seite ist da<br />

die alleinerziehende Mutter von Flin und<br />

ihrer älteren Schwester, die kaum Kontrolle<br />

über den Lebenswandel ihrer Töchter hat,<br />

weil sie sich meistens zuhause nur die Türklinke<br />

in die Hand geben. Die einen kommen<br />

aus der Schule, sie geht zur Arbeit. Als<br />

Elin irgendwann kapiert, daß sie eigentlich<br />

auch auf Agnes steht, nimmt sie einen Anlauf,<br />

mit ihrer Mutter darüber zu reden, doch die<br />

leiht ihr nur ein Ohr zum Zuhören, und Flin<br />

macht einen Rückzieher. Und auch ihrer<br />

Schwester vertraut sie sich nicht an. weil die<br />

letztendlich auch /u denen zählt, die Mädchen,<br />

die Mädchen küssen, für abartig hält.<br />

Alles <strong>als</strong>o nicht so einfach und im Prinzip<br />

der Stoff für einen psychologischen Kokon,<br />

in den sich die Hauptdarstellerinnen bis /u<br />

ihrer Schmetterlingswerdung einigeln könnten.<br />

»Fucking Amal" ist aber trotz aufgeschnittener<br />

Pulsadern alles andere <strong>als</strong> ein<br />

Kammerspiel um Liebe und Tod. sondern<br />

ein erfrischend normaler Kilm über ein normales<br />

Ereignis. Die erste große Liebe, Es ist<br />

ein Film über dir Zwischenzeit: Nicht mehr<br />

Kind, aber auch noch nicht erwachsen. Was<br />

es heißt, zu lieben, erfahren Elin und Agnes<br />

zum ersten Mal miteinander, selbst wenn<br />

sich Elin vorher noch von Johann entjungfern<br />

läßt. Aber sie merkt auch bald, daß sie<br />

ihin nichts zu sagen hat, und er ihr scheinbar<br />

auch nur bestätigen kann, daß Frauen<br />

nichts von I landys verstünden, wie der<br />

Freund ihrer Schwester feststellt. Elin versteht<br />

immerhin soviel davon, daß sie Johann<br />

schließlich übers Mobiltelefon in den Orkus<br />

schickt.<br />

Ganz zurecht gewann »Eucking Amäl«<br />

den diesjährigen Teddy Award, den schwullesbischen<br />

Filmpreis der Berlinale. Als der<br />

Regisseur und seine beiden Hauptdarstellerinnen<br />

zur Premiere ihres F'ilms zuvor auf<br />

die Bühne des Royal Palastes traten, konnte<br />

er nur sagen: »Ich bin nervös». Die Mädchen<br />

fragten beeindruckt: »Wieviel Leute sind hier<br />

drin, es ist so groß?« Amäl ist eben fncking<br />

sniall, auch die Kinos, aber man dreht dort<br />

Filme, in denen Mädchen auf dem Weg zur<br />

Frau Schokomilch trinken und darüber reden,<br />

<strong>als</strong> wäre es ein Cuba libre. Und man glaubt<br />

es ihnen.<br />

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