Download Innenteil als PDF - Weibblick
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TITEL<br />
Nachdem der feministische Braintrust<br />
der letzten Berliner Arbeitssenatorin Christine<br />
Bergmann - sie war einmal die schönste<br />
Sängerin im Jenaer Kirchenchor - eine Pressekonferenz<br />
über den Stand der Bekämpfung<br />
des »Mädchenhandels auf der Ost-West-Drehscheibe«<br />
abgehallen hatte, wobei sie erneut<br />
den »Handlungsbedarf« bei der Polizei ansiedelte,<br />
hagelte es Presse- und TV-Berichte<br />
über das - gerade in Berlin - nun völlig entmenschte<br />
»Milieu«. Wobei es den männlichen<br />
Journalisten inbesondere das »Zureiten« der<br />
frischen Frauenware aus dem Osten (durch<br />
ihre Zuhälter) angetan hatte, es tauchte in<br />
jedem Text auf.<br />
Neben den Selbstorganisationen der Prostituierten<br />
gibt es auch noch die sehr engagierten<br />
Sozialarbeiterinnen und Ärztinnen -<br />
in den Gesundheitsämtern, die speziell zur<br />
Kontrolle der Prostituierten eingerichtet wurden.<br />
Sie führen - leider zusammen mit der<br />
Polizei - auch »Bordell-Begehungen« durch.<br />
Einige dieser Ämter sind so liebevoll eingerichtet,<br />
daß etliche Thaifrauen die für Kreuzberg,<br />
Neukölln und Ternpelhof zuständige<br />
Einrichtung sogar <strong>als</strong> Treffpunkt nutzen. Die<br />
Beschäftigten kümmern sich um weit mehr<br />
<strong>als</strong> nur um Geschlechtskrankheiten. Probleme<br />
hatten sie ab 1994 mit den bulgarischen Prostituierten,<br />
die alle dort hinkamen, <strong>als</strong> hätte<br />
man sie geprügelt: »Wir haben sie erst mal<br />
alle wieder weggeschickt. Wir können euch<br />
nur helfen, wenn ihr freiwillig kommt, haben<br />
wir ihnen gesagt. Die waren von zu Hause<br />
anscheinend eine andere Art Gesundheitsdienst<br />
gewöhnt«.<br />
Noch kompetenter ist wohl nur die ehemalige<br />
Nollendorfplatz-Ärztin Dorothea<br />
Ridder: Sie arbeitete etliche fahre selbst <strong>als</strong><br />
Prostituierte - und dann <strong>als</strong> Terroristin, bevor<br />
sie später <strong>als</strong> Ärztin u.a, drogenabhängigen<br />
Prostituierten half. Es war nebenbeibemerkt<br />
kein geringerer <strong>als</strong> Rudi Dutschke,<br />
mit dem sie seinerzeit im SDS-Zentrum am<br />
Kurfürstendamrn wohnte, und der ihr - <strong>als</strong><br />
»Beschützer« - morgens half, die alleraufdringlichsten<br />
Freier, die ihr von der Lietzenburgerstraße<br />
nach Hause gefolgt waren, los<br />
zu werden. Anschließend frühstückten sie<br />
gemeinsam.<br />
Eine Journalistin, die früher politisch<br />
aktiv war, meinte - nachdenklich: »Wenn<br />
man einmal damit angefangen hat, kann man<br />
nicht mehr aufhören! Mir macht das Anschaffen<br />
Spaß, jedenfalls meistens. Ich arbeite<br />
allerdings auch nicht so oft«.<br />
»Was interessiert dich eigentlich an den<br />
Sexarbeitern so?« fragten mich Lena und<br />
ihre Freundin Diana - in einem Kreuzberger<br />
Bordell. Ich antwortete mit einem Franzosen-<br />
Spruch: »Wenn Denken bedeutet, etwas zu<br />
Geld zu machen, dann bedeutet Denken auf<br />
dem Gebiet der Leidenschaft Prostitution«.<br />
»Okay, aber das ist kein Grund, die Kopfund<br />
Handarbeiter links liegen zu lassen!«<br />
»Tu ich ja auch nicht, aber da ist logischerweise<br />
noch viel mehr Prostitution drin <strong>als</strong> in<br />
der Prostitution«. »Was ist daran so logisch?«<br />
Statt eine Antwort zu geben, fragte ich Diana:<br />
»Wenn ein Behinderter in die Bar kommt,<br />
gehst immer du mit ihm aufs Zimmer -<br />
warum?« »Einer muß es ja machen, die können<br />
wir doch nicht einfach wegschicken, das<br />
wäre unhuman!« Lena holte zu einer längeren<br />
Erklärung aus: »Unsere beiden Väter<br />
waren in der Armee und wir studieren jetzt<br />
auch zusammen - in Moskau, außerdem<br />
wollen wir beide nach Japan, Diana ist meine<br />
beste Freundin. Im Gegensatz zu mir hat sie<br />
aber schon richtig gearbeitet und jetzt verdienen<br />
wir in den Ferien immer hier in Berlin<br />
unser Geld...«<br />
»Laß mich erzählen,» unterbrach Diana<br />
sie, »ich habe bei einer Fernsehstation in<br />
Swerdlowsk gearbeitet, alle Chefs dort waren<br />
unfähige Funktionäre, die nur ihre Datschen,<br />
neuen Autos usw. im Kopf hatten. Sie wußten<br />
nicht, was in der Stadt und im Oblast überhaupt<br />
los war, es interessierte sie auch nicht,<br />
aber sie entschieden Tag für Tag, was gesendet<br />
wurde. Ich war da nur eine Art Sekretärin,<br />
aber die arideren Frauen, die Reporterinnen,<br />
die ständig irgendwas oder irgendwem auf<br />
der Spur waren, die hat das schier verrückt<br />
gemacht: diese Dummheit der Natschalniks.<br />
Daraus hat sich ein Sprichwort entwickelt -<br />
wenn die wieder mal wegen eines Themas<br />
bei denen vorsprechen mußten, das ihnen<br />
dann völlig verbogen wurde: »Mit den Krüppeln<br />
ticken!« Das war nicht sexuell gemeint,<br />
im Gegenteil. Wenn es doch mal sexuell ausartete,<br />
hieß es »Subbotnik« - so heißt heute<br />
noch das Urnsonst-Ficken-Müssen mit Zuhältern<br />
und Polizisten. »Mit Krüppeln ficken«<br />
meinte aber jede Situation, in der man sich<br />
aus einer gewissen Abhängigkeit heraus mit<br />
Freaks einlassen muß. Als hier nun das erste<br />
Mal ein Zwerg hereinkam, mit einem Buckel<br />
auch noch und schlechter I laut, da haben<br />
sich die Mädchen alle angekuckt: »Wer haut<br />
ihn <strong>als</strong> erste an?« Die Thailänderin hat sofort<br />
gesagt: »Das kann ich nicht«. Lena hat sich<br />
verdrückt und die Drogensüchtige, die sonst<br />
ziemlich hart drauf ist, war noch nicht zur<br />
Arbeit erschienen. Daraufhin habe ich gesagt<br />
- eigentlich nur so vor mich hin: »Ich kenn<br />
das, mit Krüppeln ficken!« Und schon haben<br />
mich die anderen erleichtert aus dem Frauenruheraum<br />
- geradezu gedrängt. Wenn jetzt<br />
wieder mal so einer kommt, heißt es immer<br />
gleich: »Die Diana kann das, mit Krüppeln<br />
ficken«. Ich kann es mittlerweile tatsächlich.<br />
Es ist sogar interessant... manchmal.«<br />
Während und nach der Studentenbewegung<br />
jobbten viele der Aktivistinnen in<br />
Nachtbars und Peep-Shows oder spielten -<br />
wie Gudrun Enslin - in Pornofilmen mit.<br />
Das hatte u.a. etwas mit Erotik und Proletarität<br />
zu tun. Der heutige Feminismus<br />
begreift die Prostituierten nur noch distanziert<br />
und einseitig <strong>als</strong> »Opfer«. Gerade in<br />
Berlin, wo es über 900 Bordelle gibt, wie die<br />
Puff-Providerin Maria Tiedemann schätzt,<br />
die nächtens den Berliner Prostituierten u.a.<br />
»Textil-Einzelstücke« verkauft, ist man gut<br />
beraten, erst einmal genau zuzuhören und<br />
genau hinzuschauen. Das Gunstgewerbe ist<br />
hier wie nirgendwo sonst in Deutschland im<br />
normalen Kiez-»Mix« - Wohnen und Arbeiten<br />
- integriert, ohne Sperrbezirke, Großbordelle<br />
von Bauludcn und Rotlichtstraßen<br />
bzw. -viertel. Außerdem gibt es hier die<br />
wahrscheinlich weltweit meisten, von Frauen<br />
selbstorganisierten Bordelle und Callgirl-<br />
Center. Und daneben inzwischen eine Menge<br />
Bordell besitzen die halbwegs in Ordnung<br />
sind.<br />
Kurzum: Nirgendwo sonst trifft man so<br />
viele warmherzige und tolle, kämpferische<br />
Frauen wie gerade in Bordellen - versuchte<br />
ich einmal der SFB-Journalistin Anja Baum<br />
klar zu machen. Sie wollte daraufhin mit mir<br />
ein Weddinger Thai-Bordell besuchen. Die<br />
Frauen dort freuten sich dann derart, daß da<br />
mal eine Deutsche und nicht wie sonst immer<br />
nur ein (deutscher) Freier hereinkam, daß<br />
sie sich sofort alle um die Journalistin scharten<br />
und mit ihr unterhielten. Mich sprachen<br />
sie nur an, wenn ich ihnen was zu trinken<br />
spendieren sollte oder um ihnen zu bestätigen,<br />
daß Anja eine tolle große Nase habe.<br />
In Berlin gilt schon lange nicht mehr,<br />
daß der Frauenforschung dieses Überraschungs-Feld<br />
verwehrt ist. Bisher wurden<br />
jedoch meist nur ideologisch-deduktiv und<br />
unüberprüft die Frauenhändler-Geschichten<br />
der Polizei vertieft: »Bullenfakes« allesamt!<br />
Wenn dabei mit O-Tönen von »Opfern«<br />
operiert wurde, waren es auch meist nur<br />
»Geständnisse«, die zuvor die Polizei den<br />
Prostituierten abgepreßt hatte. Ks gab einmal<br />
- in der historisch-feministischen »Hexen«-<br />
Forschung - durchaus einen anderen<br />
Umgang mit solchen »Geständnissen«!<br />
-J'-'