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GtSUNDHEIT<br />

Urin<br />

ir aju_er<br />

Murfae<br />

von Manfred Kriener<br />

Ein Schlückchen Natursekt gefällig?<br />

300 Heifbehandler in Deutschland<br />

verordnen ihren Patienten regelmäßig<br />

Urintherapient die Journalistin<br />

Carmen Thomas brach ein<br />

Tabu und schrieb über die Kraft<br />

im eigenen Saft. Ihre Gebrauchsanweisung<br />

wurde ein Renner,<br />

27 Bücher sind seitdem in sechs<br />

Jahren zum Thema erschienen -<br />

mit Millionenauflage. Und im Mai<br />

tagte der 2. Welt-Urin- Kongreß in<br />

Deutschland. Hohe Zeit* sich den<br />

»himmlischen Nektar« aus der<br />

körpereigenen Apotheke genauer<br />

anzusehen.<br />

lilli K. aus Feusdorf-[ünkerath tut es,<br />

Quique Palladino aus New York tut es, und<br />

Volker Moritz aus Bielefeld tut es. Auch der<br />

frühere indische Ministerpräsident Morarji<br />

Dcsai und die Schauspielerin Sarall Miles<br />

tun es. Sie alle fangen nach dem Aufstehen<br />

den Mittelstrahl ihres ersten Urins auf und<br />

trinken, »guten Morgen!«, furchtlos ein Tässchen<br />

auf nüchternen Magen. Oder sie nehmen<br />

es <strong>als</strong> Gesichtswasser, träufeln es in<br />

entzündete Augen und Ohren, ziehen es<br />

durch die Nase, sie gurgeln und massieren,<br />

klistieren, tupfen und legen vom goldenen<br />

Strahl getränkte Kompressen auf. Urintherapie:<br />

Das Pipi <strong>als</strong> Medizin.<br />

Wer seine emotionale1 Abwehr gegen ein<br />

Ausscheidungsprodukt noch nicht überwunden<br />

hat, fängt mit äußeren Anwendungen an<br />

und trinkt zur Unterstützung nur ein paar<br />

Tröpfchen, in Fruchtsaft aufgelöst oder mit<br />

Honig gemildert. Allmählich steigt dann die<br />

Dosis und irgendwann passiert es: Der erste<br />

Schluck aus der »körpereigenen Apotheke«<br />

rinnt den H<strong>als</strong> hinunter.<br />

Wie sich das berühmte erste Mal anfühlt,<br />

hat uns Frauke Liebermann {--"} eindrücklich<br />

geschildert. Die Patientin eines Berliner<br />

Heilpraktikers leidet seit Jahren an chronischen<br />

Verdauungsbeschwerden und wollte<br />

es mal probieren. »Ich habe das Glas immer<br />

wieder in die Hand genommen und überlegt.<br />

Dann habe ich den Urin gegen meine Lippen<br />

laufen lassen, ohne zu trinken, bis ich mit<br />

geschlossenen Augen einen kleinen Schluck<br />

genommen habe.« »Salzig« habe es geschmeckt<br />

und »sehr warm«. Andere Trinker<br />

fühlten sich an Meerwasser oder eine kräftige<br />

Bouillon erinnert.<br />

»Hustensäfte schmecken erheblich<br />

scheußlicher«, sagt der Arzt und Harnspezialist<br />

Johann Abele. Er empfiehlt eine<br />

andere Methode zur Annäherung: Zuerst<br />

den Urin über die Fingerspitzen laufen lassen,<br />

ein bißchen einmassieren, ein wenig<br />

dran rumlecken, dann mit einem kleinen<br />

Schluck den Mund ausspülen, wieder ausspucken<br />

und später »einen Fingerhut voll«,<br />

mit einigen Tropfen Zitronensaft aromatisiert,<br />

hinunterschlucken. Irgendwann, glaubt<br />

Abele, schafft man einen ganzen »Whisky«,<br />

vielleicht sogar einen doppelten.<br />

Die Gebrauchsanweisung findet sich in<br />

Abeles Buch »Eigenharnbehandlung«, einer<br />

von vielen einschlägigen Ratgebern, die seit<br />

dem Schicks<strong>als</strong>jahr 1993 erschienen sind. In<br />

jenem Jahr schrill die Kölner Journalistin<br />

Carmen Thomas tabubrechend voran und<br />

veröffentlichte ihr erstes Urinbuch: »Ein<br />

ganz besonderer Saft«. Mehrere Verlage hatten<br />

das Manuskript dankend abgelehnt, bis<br />

die Kölner Verlagsgesellschaft VGS das richtige<br />

Naschen hatte. Ergebnis: Das Buch wurde<br />

bis heute in 38 Auflagen mehr <strong>als</strong> eine Million<br />

mal verkauft. Es ist das erfolgreichste<br />

Sachbuch der Bundesrepublik Deutschland<br />

nach dem 2. Weltkrieg. Nur Telefon- und<br />

Postlcitzahlbücher gehen besser. Carmen<br />

Thomas hat die Deutschen aufs Töpfchen<br />

geschickt und damit alle Rekorde gebrochen.<br />

Und dies, obwohl die meisten großen<br />

Zeitungen jede Besprechung des Pinkel-<br />

Bandes ablehnten.<br />

Die Autorin löste ein Beben aus, das mit<br />

keuchenden Postboten und einer Flut von<br />

mehr <strong>als</strong> zehntausend Leserzuschriften von<br />

den Philippinen bis Castrop-Rauxel begann.<br />

Inzwischen sind 27 Bücher zum Thema im<br />

deutschsprachigen Raum erschienen, in<br />

Indien fand eine erste Welt-Urin-Konferenz<br />

statt, und in Deutschland wirbt das 1996<br />

gegründete »Institut für Eigenharnbehandlung«<br />

(IfE) zeitgemäß im Internet für den<br />

»göttlichen Nektar«. Vorläufiger Höhepunkt:<br />

Im Mai dieses Jahres werden sich Urtntherapeuten<br />

aus aller Welt im hessischen Gersfeld<br />

zur zweiten Weltkonferenz treffen.<br />

Auf mehr <strong>als</strong> 300 ist nach Auskunft des IfE<br />

das Kontingent der Naturheilkundler angewachsen,<br />

die in der Bundesrepublik ihren<br />

Patienten regelmäßig Urinkuren verordnen.<br />

Andreas Krüger, Leiter einer großen Heilpraktikerschule<br />

in Berlin, empfiehlt allen<br />

Rt'handlern »das, was unten rauskommt« <strong>als</strong><br />

sanfte, preiswerte und uralte Therapiemethode<br />

gezielt einzusetzen. Und weil Krügt-r<br />

von Patienten und Schülern nicht mehr verlangen<br />

will, <strong>als</strong> er selbst zu leisten vermag,<br />

hat er den Kelch nicht ungeleert vorübergehen<br />

lassen und sich angelegentlich schon<br />

mal ein halbes Gläschen gegönnt. Das Problem<br />

ist für ihn nicht die Wirksamkeit der<br />

Methode, sondern der Ekel seiner kranken<br />

Kundschaft. Nur »robuste Patienten«, sagt<br />

Krüger, akzeptieren die Urinverordnung<br />

ohne zu meckern. Der normale Charlottenburger<br />

Bildungsbürger, der in seine Praxis<br />

komme, sei dagegen in der Regel »ein<br />

bißchen pikiert«.<br />

2JI999

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