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BILDUNG<br />

Wenn Frauen lesen:<br />

Wiederbegegnyngen und<br />

Rollenangebote<br />

Vor fünfzehn Jahren hielt ich Irmtraud<br />

Morgners »Hexenroman« erstm<strong>als</strong> in den<br />

Händen. Dabei erlebte ich etwas, was die<br />

Morgner detailliert beschrieben hat: Ich<br />

»fragte mich, wie gestorbene Dichter in<br />

einen jetzigen Kopflängen können und aus<br />

der Unordnung herausholen, was der Kopfbesitzer<br />

selbst nicht findet«. Nur daß Irmtraud<br />

Morgner dam<strong>als</strong> noch lebte, und daß<br />

sie kein Dichter war, sondern Dichterin,<br />

Erfinderin von Laura Salman. Die Erfahrung,<br />

mich in der klassischen deutschen Literatur<br />

nur mit männlichen Helden identifizieren<br />

zu können, hatte ich, wie Laura Salman,<br />

gerade gemacht. Allerdings besetzte meine<br />

Deutschlehrerin die Rollen Mephistos und<br />

Fausts bedenkenlos mit den literaturinteressierten<br />

Schülerinnen, obwohl in meiner Abiturklasse<br />

ausreichend junge Männer zur<br />

Verfügung standen, für die Rolle Gretchens<br />

bot sich keine Freiwillige an. Keine von uns<br />

wollte gern die Verführte, ungewollt Schwangere<br />

und im Gefängnis Findende sein, denn<br />

wir pfiffen auf die Aussicht, die Goethe uns<br />

bot: nur im Himmel »gerettet« zu werden.<br />

Die weitaus meisten attraktiven Rollen nicht<br />

einmal nur der klassischen Literatur waren<br />

männlich, jedenfalls die, die ich in der<br />

Schule der siebziger Jahre kennenlernte. Die<br />

Identität der Leserin in diesen Texten blieb<br />

brüchig, denn auf Dauer konnte keine davon<br />

absehen, daß männliche Figuren eben nicht<br />

<strong>als</strong> Menschen, sondern <strong>als</strong> Männer gemeint<br />

waren. Wie sollte es auch anders sein. Den<br />

Einwand, es sei naiv und Schülerinnenhaft,<br />

sich beim Lesen identifizieren zu<br />

wollen, lasse ich dam<strong>als</strong> wie heute nicht<br />

gelten. Zu viele Frauen sind mir begegnet,<br />

die Figuren aus der Literatur nennen,<br />

wenn sie beschreiben, wie sie erwachsen<br />

wurden und politisch zu denken begannen:<br />

Christa T., Laura Salman, Paula,<br />

Franziska Linkerhand, die Frauen aus<br />

Maxie Wanders »Guten Morgen, du<br />

Schöne«... Vorbilder-1 Nein, Personen,<br />

in denen wir uns - menschlich und<br />

politisch - wiederfanden und die deshalb<br />

mehr sind <strong>als</strong> gut erfunden. »<br />

2I'999

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