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Bestseller<br />

Frontbericht<br />

von Christiane Kloweit<br />

Bomben auf Belgrad - das ist noch kein<br />

Buchtitel. Erstaunlich übrigens, wo sie doch<br />

schon seit drei Wochen fallen. Bomben auf<br />

Belgrad sind trotzdem Bestseller. Sie gehen<br />

wie warme Semmeln. Bestseller müssen<br />

sowieso nicht immer Bücher sein. Gern<br />

genommen, weil preiswert, werden auch<br />

marode Industrien wie die ostdeutsche oder<br />

Frauen und Kinder wie die aus dem maroden<br />

Ex-Ostblock, die überraschend schnell<br />

gelernt haben, sich auf dem Markt anzubieten,<br />

mit dem, was ihnen kein rotes Regime<br />

rauben konnte: mit ihrem Körper. Das heißt<br />

natürlich noch nicht, daß wir auch alle welche<br />

nehmen müßten. Aber sie sind doch<br />

zumindest im unteren Preissegment auf<br />

dem Weg von Restsellern zu Bestsellern.<br />

Aber zur Sache: Echte Bestseller, <strong>als</strong>o gut,<br />

teuer und gefragt, sind diese eleganten Raketen<br />

und Bomben, die mit poetischen Namen<br />

wie Tomahawk, Cruise Missiles, Tarnkappe<br />

die christliche Friedensbotschaft tief in das<br />

Hinterland des mörderischen Serben tragen.<br />

So wie sie übrigens schon seit dem Advent<br />

98 - Advent heißt schließlich Ankunft - im<br />

Hinterland des mörderischen Islam im Irak<br />

ankommen. Nun mögen »Pazifistinnen« -<br />

hoppla, die politischen Gänsefüßchen, seit<br />

dem Tod der »DDR« tot geglaubt, sind auferstanden<br />

aus Ruinen! - mögen <strong>als</strong>o „Pazifistinnen"<br />

sagen, Krieg sei kein Mittel zur<br />

Konfliktlösung, und zu leiden hätte immer<br />

die Zivilbevölkerung. Keine Sorge. Die Bestseller-Bomben<br />

made in USA und Großbritannien<br />

treffen auf den Meter genau, wußten<br />

dam<strong>als</strong> die Irak-Frontberichterstatter. Warum<br />

sollte es an der Serbien-Front anders sein?<br />

Da muß die Zivilbevölkerung, die selbstverständlich<br />

mit den Luftangriffen nicht<br />

gemeint ist, eben einfach einen Meter<br />

beiseite treten.<br />

Im übrigen frage ich die »Pazifistinnen«:<br />

Wer hält sich denn in der Nähe militärischer<br />

Anlagen auf, denen die Bomben gewidmet<br />

sind? Frauen, Kinder und Greise? Ach? Seit<br />

wann sonnenbaden Frauen auf dem Hof von<br />

Chemiewaffenfabriken? Seit wann spielen<br />

Kinder Räuber und Gendarm in unterirdischen<br />

AtomwaffenStützpunkten? Seit wann<br />

schnappen Greise frische Luft am Fuße von<br />

Raketenabschußrampen? Nein! Hier haben<br />

wir hochaggressive, paramilitärische und<br />

militärische Verbände vor uns, die jederzeit<br />

ihr Leben für den Teufel Saddam Hussein<br />

bzw. ein Großserbien unter Milosevic geben<br />

würden. Genau dazu gibt ihnen die internationale<br />

Völkergemeinschaft jetzt die Gelegenheit.<br />

Schon im Advent 98 hatte unser Volk,<br />

das sich, wie die Massenmedien nachwiesen,<br />

mit rot-grün verwählt hatte und die neue<br />

Regierung sofort haßte, doch nicht ohne<br />

Rührung gesehen, wie die Ungeliebten dank<br />

ihrem uneingeschränkte Ja zu Bomben auf<br />

Belgrad endlich ankommen durften in der<br />

christlichen Umarmung der Herren Schäuble<br />

und Ruhe. Die Umarmung hält an, so lange<br />

das Ja zu den Bomben anhält.<br />

Schon zum zweiten Mal binnen kurzem<br />

stehen wir Deutschen, endlich! nach 60 Jahren!<br />

wieder zusammen gegen den Feind. Vor<br />

sieben Jahren, <strong>als</strong> sich Teil I von »Bomben<br />

auf Bagdad« abspielte, da waren die Grünen<br />

noch dagegen, während sie jetzt, in der<br />

Regierungsverantwortung, wie ein Mann,<br />

oder wenn wir von Frau Beer, der ewigen<br />

Nörglerin, einmal absehen, wie o, 99 Mann<br />

hinter jedem Friedensbombardement stehen,<br />

das die USA der NATO befehlen, die natürlich<br />

nicht ewig auf ein UNO-Mandat warten<br />

kann, zumal, wenn das gar nicht in Aussicht<br />

ist. Und was die Schuldfrage angeht - natürlich<br />

sind immer die Bombardierten schuld.<br />

Sonst würde sie ja wohl nicht bombardiert.<br />

Das ist doch logisch, oder?<br />

Was bringen die Bombardements noch?<br />

Eine ausländische Zeitung schrieb kürzlich,<br />

Schröder habe mit dem Krieg, pardon, mit<br />

den Luftangriffen für Freiheit und Humanität<br />

staatsmännisches Format gewonnen.<br />

Na, bitte, es geht doch. Und wessen staatsmännisches<br />

Format in Stahlgewittern<br />

gestählt wurde, der wird zu Hause dann<br />

wohl endlich aufhören, dem Druck der<br />

Straße nachzugeben und dieses alberne<br />

Bündnis für Arbeit in der Sozi-Hobbykiste<br />

liegen lassen. Wer hat in diesen hehren<br />

Tagen Zeit für Hobbies? doch höchstens ein<br />

Aussteiger wie Lafontaine.<br />

Was bringen die Bomben noch? Zum<br />

einen: Aus Massenmedien wurden Heer-<br />

Scharen. Flotte Schnitte, gerechter Zorn,<br />

subtile Betroffenheit, todsicherer Definitionen<br />

von Gut und Böse in Nachrichten, speci<strong>als</strong>,<br />

brennpunkten, talkshows. Und das<br />

Wunder Sie reden alle mit einer Zunge,<br />

wenn man von gewissen Organen mal<br />

absieht, denen man die SED-Nachfolge<br />

ansieht.<br />

Zum anderen: Der Aufschwung Ost, dessen<br />

wir vom langen Warten schon ein wenig<br />

müde geworden waren, differenziert sich<br />

nun in Aufschwung Nah-Ost und Aufschwung<br />

Süd-Ost. Denn: Der Markt für Bomben<br />

macht immer auch den Markt für Wiederaufbaugüter<br />

hungrig. Man könnte sagen, je<br />

bombiger das Wetter, desto größer der Aufschwung...<br />

irgendwann. Wie gut, wie klug<br />

und haushälterisch, daß auch deutsche Konzerne<br />

seit jeher die Abfälle ihrer RüstungsprodiikHon<br />

für die allerlei Ziviles zu nutzen<br />

wisse::. S^ Donnen sie mindestens dreimal<br />

verdienen. Erstens an den Bomben und Chemiewaffenteilen<br />

für Bagdad, zweitens an den<br />

Bomben auf Bagdad, drittens an denen auf<br />

Belgrad. Über viertens, fünftens und so weiter<br />

werden wir dann hoffentlich vom Spiegel<br />

so detailgetreu informiert wie über den<br />

Hausbau von Herrn Hombach.<br />

Vom gerechten Krieg nun rasch zu den<br />

Bestsellern von der Literaturfront. Vielleicht<br />

stellt ja schön das nächste Literarische Quartett<br />

im Luftschutzbunker unterm Reichstag<br />

Triimmerliteratür vor. Sollte bis dahin widererwarten<br />

noch kein aktuelles Werk auf dem<br />

Markt sein, können zur Not die Literaturtrümmer<br />

aus den Endvierziger und Anfangfünfziger<br />

Jahren herhalten. Außerdem böten<br />

sich an »In Stahlgewittern« von Ernst jünger,<br />

Originalfassung und »Faust« von Joh. W.<br />

Goethe, zu Ehren von dessen 250. Geburtstag<br />

unter dem Titel »Die eiserne Faust« neu<br />

eingerichtet <strong>als</strong> Taschenbuchausgabe für<br />

unsere feldgrauen Jungs ah der Serbienfront.<br />

Krönender Abschluß wäre nun mein Name.<br />

Das kann ich jetzt natürlich nicht riskieren.<br />

Sie wissen ja: Feind liest mit.<br />

2(1999

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