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„Ich bin sicher, dass nicht alles in uns stirbt.“<br />
Bäumchen, wechsle dich: Peter Wichers hat sich zum zweiten Mal von Soilwork getrennt und Björn „Speed“ Strid als alleiniges<br />
Gründungsmitglied zurückgelassen. Der fackelt nicht lange und beschert der Melodic Death Metal-Welt mit The Living Infinite ein<br />
faszinierendes Doppelalbum schwedischer Maßarbeit. Was das Meer, das Leben und das Jenseits damit zu tun haben, verrät er im sehr<br />
persönlichen Gespräch.<br />
Björn Strid: Der Titel ist ein Ausdruck von<br />
Jules Verne, der den Charakter des Ozeans<br />
begreiflich machen wollte. Seine Umschreibung<br />
hat mich nicht mehr losgelassen, und weil sich<br />
das Album mit überaus existenziellen Dingen<br />
beschäftigt, musste es einfach diesen Namen<br />
tragen. Ich bin am Meer aufgewachsen, lebe<br />
immer noch dort und könnte mir niemals<br />
vorstellen, woanders zu leben. Das Meer ist<br />
meine größte Inspiration. Es verändert ständig<br />
seine Form; es gibt keine zwei Momente,<br />
in denen es gleich aussieht. Jedes Mal, wenn<br />
ich am Strand sitze und auf die Wogen<br />
hinausblicke, stelle ich mir diese existenziellen<br />
Fragen, die sich jetzt auf The Living Infinite<br />
finden.<br />
<strong>Orkus</strong>: Laut Jules Verne ist der Ozean<br />
unendlich. Was ist „unendlich“ für dich?<br />
BS: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass<br />
Gefühle und Gedanken mit unseren Körpern<br />
sterben. Sie müssen irgendwohin. All meine<br />
Gedanken, meine Erinnerungen können nicht<br />
einfach verschwinden. Diese Dinge treiben<br />
mich, gelinde gesagt, in den Wahnsinn, weil<br />
ich viel zu viel über sie nachgrüble. Was, wenn<br />
unser Leben nur eine Projektion ist? Was, wenn<br />
wir alle irgendwo anders koexistieren? Ich<br />
musste mich quasi detraumatisieren. Deshalb<br />
musste dieses Doppelalbum her. Durch den<br />
Prozess des Schreibens freundete ich mich mit<br />
diesen Gedanken an und konnte mir selbst aus<br />
dieser geistigen Zwickmühle helfen.<br />
O: Es war also nicht so, dass du nur auf immer<br />
mehr Fragen gestoßen bist?<br />
BS: Oh doch. Es wird immer endlos viele<br />
Fragen geben. Aber man muss lernen, nicht<br />
unbedingt nach den Antworten zu verlangen.<br />
O: Letztlich ist auch die Anzahl der Fragen<br />
rund um die Unendlichkeit, nun, unendlich.<br />
Warum befasst du dich gerade jetzt damit?<br />
Erste Anzeichen einer Midlife-Crisis?<br />
BS: Nein, wenngleich dieses Album vor zehn<br />
Jahren noch nicht möglich gewesen wäre.<br />
Was wirklich dazu führte, war ein schlimmer<br />
Zwischenfall, der sich 2009 ereignete, als ich<br />
für ein halbes Jahr in Arizona lebte. Jemand<br />
hatte mir Crystal Meth in meinen Drink<br />
gemischt, und als ich zwei Stunden später in<br />
meinem Bett aufwachte, war ich überzeugt,<br />
tot zu sein. Ich war sicher, dass ich im Jenseits<br />
bin. Das war der gruseligste Moment meines<br />
Lebens, ließ mich jedoch mehr über das Leben<br />
nachdenken. Das tat ich zwar bereits mit vier<br />
Jahren, als mich solche Fragen noch zu Tode<br />
ängstigten, doch es verlor sich in meiner<br />
Teenagerzeit, als mir mehr oder weniger alles<br />
scheißegal war. Dann kamen all die Touren,<br />
all das Trinken – und dieser Moment war ein<br />
regelrechtes Erwachen für mich.<br />
O: Dein ungewollter Drogentrip hat dir ein<br />
Jenseits vorgegaukelt. In Memories Confined<br />
singst du aber: „There is no saviour, and there<br />
is no god...“<br />
BS: Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was<br />
ich glauben soll. Beide Vorstellungen sind<br />
42 - <strong>Orkus</strong>!