Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Dass hinter Honigdieb eine ziemlich witzige Truppe steckt, dürfte<br />
wahrlich nicht schwer zu erraten sein. Die Chanson Punk Folk Rock-<br />
Band besteht aus Alex C. (Querflöte/Chorgesang), Carsten Risch<br />
(Kontrabass), Stefan Göbel (Gitarre), Raimund Gitsels (Geige), Mathias<br />
Bonheger-Kadel (Schlagzeug) und natürlich Frontmann Sir Hannes<br />
alias Der Honigdieb. Ihr Zusammenspiel ist dabei ebenso kurios wie ihr<br />
Name. So lässt etwa Raimund von seiner Violine Regen auf Sir Hannes’<br />
Glatze tropfen. Honigdieb nehmen sich selbst nicht allzu ernst und<br />
verpacken die in ihren Stücken anfallende Eigen- respektive Fremdkritik<br />
mit einer ordentlichen Portion Ironie und Zynismus. Auch auf ihrem<br />
vierten Album, welches unter dem Titel Mein Hut hat keine Ecken erneut<br />
eine geballte Ladung an fröhlich beschwingten, irrwitzigen Liedern<br />
hervorbringt. Inhaltlich beschäftigt sich das Gespann mit zweifellos<br />
sehr ernsten Themen, jedoch wäre die Welt ohne Schmunzeln einfach<br />
weniger lustig, was Texte wie „Atomkraft hin – Atomkraft her – Fische<br />
mit drei Köpfen schmecken umso mehr“ beweisen... Live zu sehen sind<br />
die Dortmunder am 02. März in Lünen und am 31. Mai in Unna!<br />
www.honigdieb.de<br />
Nadine Ahlig<br />
Jeder ernsthafte Musikfan dürfte mindestens ein Mal in seinem Leben versucht<br />
haben, sich mit Pink Floyds Oeuvre vertraut zu machen und herauszufinden,<br />
was hinter The Wall und der dunklen Seite des Mondes noch<br />
alles steckt. Wahrscheinlich sind nicht wenige daran bereits gescheitert – zu<br />
sperrig, zu viel zum Hören und überhaupt „olle Kamellen“. Versetzt man<br />
Pink Floyd jedoch mit ein bisschen Tool, Porcupine Tree, Soundgarden<br />
und eventuell Massive Attack, erhält man Amplifiers aktuelles, absolut<br />
grandioses Werk Echo Street. Schon der Vorgänger The Octopus wurde mit<br />
reichlich Lobeshymnen überschüttet, und bei den neuen Stücken wird<br />
sich das auch nicht ändern. Der Analogie, welche Sänger und Gitarrist<br />
Sel Balamir für das zwölfminütige Extra Vehicular nutzt, kann man eigentlich<br />
für das komplette Album zustimmen: „Wer wissen will, wie sich dieses<br />
Lied anfühlt, sollte einfach das Video von Felix Baumgartners freiem Fall zur<br />
Erde möglichst oft anschauen.“ Dass der Track einer langen Jamsession aus<br />
den Neunzigern entstammt, macht ihn nur noch besser, denn wie so häufig<br />
auf Echo Street, sind es auch hier die einfachen, sich ständig wiederholenden<br />
und letztlich in einem wütenden Crescendo endenden Ideen, die zünden.<br />
www.amplifiertheband.com<br />
60 - <strong>Orkus</strong>!<br />
Lars Schubert<br />
„Sie war nackt,<br />
als ich hereinkam.“<br />
Neblig, karg instrumentiert, spröde... Nick Caves neues Werk<br />
klingt tatsächlich genau so wie die Landschaft rund um die<br />
englische Küstenstadt Brighton. Sie ist seine Wahlheimat, hier<br />
entstand das 15. Studioalbum, welches der Düsterbarde mit seinen<br />
exzentrischen Bad Seeds gerade veröffentlicht hat. Form nahmen die<br />
Lieder – Klischee hin, Klischee her – in einem kleinen, von einem<br />
australischen Mädchen gestalteten Notizbuch an, das eine essenzielle<br />
Rolle für Push the Sky Away spielen sollte. „Ich dokumentierte den<br />
Entwicklungsprozess minutiös in diesem Büchlein und notierte<br />
mir darin auch alle Gedanken und Geschichten um die Songs“,<br />
erinnert sich Cave. Es kann also kein Zufall sein, wenn er in der<br />
betörend schönen Nummer Jubilee Street von einem Mädchen mit<br />
einem „little black book“ singt. Aber für seine Besessenheit von<br />
Büchern und seine unkonventionellen Kompositionsmethoden<br />
ist der 55-Jährige eh berühmt. „Sobald aus den Skizzen Lieder<br />
auftauchen, tippe ich sie mit meiner Schreibmaschine auf die leeren<br />
letzten Seiten alter Bücher. Danach klebe ich diese Seiten in mein<br />
Notizbuch, das dadurch zu einer Anatomie der Songs wird.“ Man<br />
kann sich bildlich vorstellen, wie Nick Cave im Sommer auf der<br />
Veranda sitzt, seine Umgebung und all die skurrilen, märchenhaftverworrenen<br />
Gedanken in eine alte Schreibmaschine tippt.<br />
Gewohnt poetisch, vielsagend, kryptisch und wolkig, bekennt er,<br />
dass er sowohl an Gott als auch an Meerjungfrauen glaubt, wirft<br />
einen trüben Blick auf die Lage der Nation und räumt auffällig<br />
zahlreichen weiblichen Charakteren Schlüsselrollen in den Stücken<br />
ein, ohne sie möglichst romantisch und attraktiv um die Ecke zu<br />
bringen wie noch bei den Murder Ballads. „Die starke weibliche<br />
Seite hängt weniger damit zusammen, was ich unbedingt auf dem<br />
Album haben wollte, sondern vielmehr damit, was ich loswerden<br />
wollte“, erklärt Cave. Und meint natürlich Grinderman, sein<br />
kratziges, verwaschenes, maskulines Alter Ego. „Nach Sachen<br />
wie Bunny Munro mit all der neurotischen, sexuell aufgeladenen<br />
Männlichkeit war es Zeit für etwas anderes.“ Folglich schreibt er ein<br />
Stück über seine Frau... ohne sie recht eigentlich zu kennen: „Wir<br />
verbringen zwar viel Zeit miteinander, doch ich bin mir nicht sicher,<br />
ob wir überhaupt wissen, was wirklich in uns vorgeht. Wenn ich<br />
also über meine Frau schreibe, mache ich das entweder aus meiner<br />
Perspektive. Oder aus ihrer Perspektive, was letztlich aber nur ich<br />
in Frauenkleidern bin.“ Er lacht, und man merkt, dass dieser Mann