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Ronan Harris<br />
Wie sieht für dich ein idealer Sonntag aus?<br />
Ein Tag wie jeder andere, an dem Deutschland nicht abgeschaltet scheint<br />
und Stadtzentren nicht so wirken, als wären sämtliche Erdbewohner<br />
plötzlich verschwunden. Wenn Du einen „Ruhetag“ brauchst, bleib’<br />
still zu Hause. Wenn aber Leute Sachen besorgen müssen und es an<br />
Werktagen einfach nicht schaffen, sollten sie diese Möglichkeit haben,<br />
anstatt ihre Lebensführung durch eine religionsbasierte, archaische<br />
Tradition diktiert zu kriegen. Wir leben nicht im 19. Jahrhundert.<br />
Wann kann man dir Unvernunft vorwerfen?<br />
Nicht häufig. Wenn jemand seinen Job nicht macht, auf dessen<br />
Erledigung ich zwingend angewiesen bin, oder wenn wer versucht,<br />
mich über den Tisch zu ziehen. In solchen Fällen lasse ich nicht mit<br />
mir reden.<br />
Welches Album oder welcher Film hat etwas in dir<br />
verändert?<br />
Da gibt es zu viele. Ich könnte einen nennen, doch das hieße<br />
Einschränkung. Es sind immer Filme, die mich mein eigenes Leben<br />
reflektieren und über die tiefen Fragen des Daseins nachsinnen lassen.<br />
Einige wenige Alben habe ich genau zum rechten Zeitpunkt gehört. Sie<br />
klangen exakt so, wie ich mich gerade fühlte oder war. Sie haben mich<br />
inspiriert, auf dem Pfad zu bleiben, auf dem ich mich befand, oder die<br />
Situation zu ändern. Sie halfen mir, zu realisieren, dass meine Probleme<br />
nicht so wichtig sind, wie ich dachte, und erinnerten mich, warum ich<br />
Musik so sehr liebe... Oder sie ließen mich die Lautstärke voll aufdrehen<br />
und in der Wohnung umhertanzen. Erst Stunden später bemerkte ich,<br />
dass unter mir ein Bestattungsunternehmen seine Räume hatte.<br />
Hast du schon mal geweint, weil etwas so unglaublich<br />
schön war?<br />
Ich vermute, die Leute können aus meinen Songs ableiten, dass ein paar<br />
Emotionen in mir herumpurzeln. Also: ja, habe ich. Wegen simpelster<br />
Dinge, die die meisten Menschen gar nicht wahrzunehmen scheinen.<br />
Was ist das Gute am Streit?<br />
Wäre das hier ein Kinderbuch, gälte als Antwort: „Die Umarmung<br />
danach, weil Du die Person lieb hast.“ Es ist aber keines, daher: In einer<br />
perfekten Welt wäre Streit unnötig. Da wir jedoch in keiner perfekten<br />
Welt leben, fungiert Streit als essenzielles Moment sozialer Interaktion,<br />
wenn Du einem totalen Arschloch sagen musst, was Du von ihm oder<br />
seinen Klamotten, seinen Haaren, seinem Auto, seinem Geruch oder<br />
seiner Meinung hältst. Bei der richtigen Art Streit hat jede Partei die<br />
Chance, ihre Ansichten und Empfindungen auszudrücken und gehört<br />
zu werden. Wenn alles gut läuft, gehen alle ein bisschen klüger aus<br />
dieser Situation hervor. Man weiß mehr über die Gefühlswelt des<br />
Gegenübers. Oder man weiß, dass man wirklich an das glaubt, woran<br />
man zu glauben meinte. Wenn es nicht so gut läuft, kann man immer<br />
noch mit gemeinen Schimpfwörtern um sich werfen. Mir gefällt es sehr,<br />
Frauen beim Streiten zu beobachten. Das ist unterhaltsamer als alles,<br />
was uns das Fernsehen hinschmeißt.<br />
Und was ist weniger gut an einem Streit?<br />
Zu wissen, dass die andere Person eine Waffe hat und bereit ist, diese zu<br />
benutzen. Das wäre wohl „eine schlechte Art des Streitens“. „Im selben<br />
Raum sein mit Leuten, die über Fußball streiten“, steht auch ziemlich<br />
weit oben auf der Liste. Durch einen solchen Zwist verwandeln sich<br />
vernünftige, empfindungsfähige, technikbegabte Erwachsene in etwas,<br />
das wie Höhlenmenschen aussieht, die darüber zanken, wessen Scheiße<br />
besser riecht. Ich spüre dann immer, wie mein Gehirn versucht, sich<br />
abzuschalten oder zu entfliehen. Eine weitere Art schlechten Streits<br />
ist der, bei dem man mit jemandem spricht, der respektive die keine<br />
Ahnung vom Thema hat. Davon kenne ich eine ganze Menge.<br />
Wann erlebst du positiven Stress?<br />
Wenn ich an Musik oder einem kreativen Projekt arbeite oder eine Tour<br />
vorbereite. Da erreiche ich oft meine Grenzen, und das liebe ich.<br />
Wann erlebst du negativen Stress?<br />
Wenn ich unter starkem Druck stehe, möglichst schnell Dinge zu<br />
erledigen, auf die ich keine Lust habe.<br />
Welchen Kindheitstraum möchtest du dir noch<br />
erfüllen?<br />
Ich will ins Weltall und in einer Raumstation ein paar Tage im Orbit<br />
der Erde schweben.<br />
Angenommen, es gibt die Wiedergeburt: Als was<br />
würdest du gerne zurückkommen?<br />
„Angenommen“ gilt hier für mich nicht. Was ich wünsche, ist ohne<br />
Bedeutung, aber mehr Körpergröße wäre nett.<br />
Deine größte Hoffnung...?<br />
Dass wir den idiotischen Pop-Kultur-Trend der letzten Jahre rückgängig<br />
machen können: eine Fixierung auf Dummheit, Versagen, kurze<br />
hirntote Lacher und Schadenfreude. Diese tragische Übersteuerung kam<br />
durch Typen im Internet, die entdeckt haben, dass sie auf diese Weise<br />
nichts zu tun brauchen, außer sich über Menschen lustig zu machen, die<br />
tatsächlich etwas leisten. Welch eine Sauerstoffvergeudung.<br />
Wie stellst du dir die Zukunft vor?<br />
Klügere und pragmatischere Wege, mit Technologie umzugehen,<br />
konkrete Lösungen für Probleme, bedachter Umgang mit Ressourcen,<br />
Konzentration auf verbessernde Erfindungen und keine blöden<br />
Talentshows mehr.<br />
<strong>Orkus</strong>! - 47