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„Nachts durch Sirenengeheul geweckt...“<br />
Aus dem meist sonnigen Italien erwartet man naturgemäß eher<br />
fröhliche Töne und weniger Stücke, die britisch-verregnet klingen.<br />
Da sich Gegensätze allerdings anziehen und Sänger Sasha Polita schon<br />
recht hat, wenn er auf den letzten Sommer verweist, der „so heiß war,<br />
dass man förmlich Regen herbeisehnte“, präsentieren Martin Kleid mit<br />
ihrem Debut 8lights ein Album, welches durchaus neben The Killers<br />
oder Editors seinen Platz im Regal finden darf. Dass Martin Kleid<br />
hier namenstechnisch die interessanteste Figur abgeben, steht wohl<br />
außer Frage. Dahinter steckt noch nicht mal eine vermutbare tiefere<br />
Bedeutung: „Wir suchten einfach einen griffigen Namen für eine fiktive<br />
Person, in der wir vier uns wiederfinden können. Nach ein bisschen<br />
Brainstorming und dem Blick in ein deutsches Wörterbuch war Martin<br />
Kleid geboren.“<br />
Mit Unterstützung eines Labels bekommt 8lights nun endlich die<br />
verdiente Aufmerksamkeit, wurde es doch 2011 nur in digitaler<br />
Form veröffentlicht – und vielleicht springt jetzt auch die italienische<br />
Musikgemeinde darauf an, denn „Italiener sind etwas träge, wenn es um<br />
die Akzeptanz neuer Bands geht, und unsere hiesige Plattenfirma war zu<br />
klein, um unseren Bekanntheitsgrad zu steigern. Umso mehr freuen wir<br />
uns natürlich besonders auf die Promotion in unserem Heimatland“,<br />
zeigt sich Sasha gespannt. Verwunderlich, dass die Künstler trotz dieser<br />
Konstellation bereits in einem Land wie Russland gastierten, obschon<br />
es „lediglich eine Handvoll Auftritte in kleinen Clubs war“ und das<br />
Ensemble hofft, jene Erfahrungen in diesem Jahr ausbauen zu können.<br />
Weniger verwunderlich scheint es aber gleich, wenn man weiß, dass<br />
Sashas Mutter aus Moskau stammt, sein Großvater immer noch dort<br />
lebt und auch seine Frau in der russischen Hauptstadt gewohnt hat.<br />
Diese Tatsache beeinflusste das Debutalbum inhaltlich, kreist doch<br />
alles um einen terroristischen Akt, bei dem sich im März 2010 zwei<br />
Selbstmordattentäterinnen in Moskauer Metrostationen in die Luft<br />
sprengten. „Meine Frau wohnte damals nicht weit entfernt vom Ort<br />
des traurigen Geschehens, und ich erinnere mich, wie ich nachts durch<br />
Sirenengeheul geweckt wurde. Als ich dann den Fernseher anschaltete,<br />
sah ich das ganze Ausmaß dieser Katastrophe. Es folgte ein wahrlich<br />
deprimierender frühmorgendlicher Spaziergang in die Nähe der<br />
Metrostation“, erzählt Sasha noch immer bewegt von den Ereignissen.<br />
Eine politische Band sind Martin Kleid trotzdem nicht, wiewohl sie<br />
bereits über ihr Heimatland eine Menge zu schreiben hätten: „Das<br />
ist zwar nicht zu bestreiten, aber ich kenne mich mit Politik viel zu<br />
wenig aus, um irgendwelche Debatten darüber vom Zaun zu brechen.<br />
Dennoch ist die Politik nun mal unabänderlich mit dem wirklichen<br />
Leben verwoben, und so drehen sich unsere Texte eher generell um die<br />
Unsicherheit und Instabilität unserer heutigen Zeit.“<br />
www.martinkleid.com<br />
Lars Schubert<br />
Line-Up:<br />
Sasha Polita – Gesang, Gitarre, Programmierung<br />
Claudio Santoni – Gitarre, Synthesizer<br />
Francesco Pellegrinelli – Bass<br />
Michele Bellagamba – Schlagzeug<br />
68 - <strong>Orkus</strong>!