Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Kampfbereitschaft ist ein Zeichen für fehlenden<br />
inneren Frieden.“<br />
(Kris Weller)<br />
Selbstständigkeit gewann. Durch neue Eindrücke von fremden Kulturen<br />
und Ländern, durch Blutgemetzel, Schmerz, Verlust von Angehörigen<br />
oder Freunden oder vielleicht auch durch Nahtoderlebnisse kann<br />
sich vieles in der persönlichen Sichtweise ändern. Insbesondere bei<br />
einem Zeitraum von vielen Jahren und der für damalige Verhältnisse<br />
unglaublich großen Distanz zur Heimat und all den einschneidenden<br />
Erlebnissen sind Zweifel nicht mehr so abwegig. Das wäre jedoch ein<br />
wirklich großer Zielkonflikt im Spannungsfeld von äußerem Zwang und<br />
inneren Bedenken. Während die für Absolution Kämpfenden geradlinig<br />
durch das Abenteuer marschieren, zerreißt es den wahrhaft für Heiligkeit<br />
Streitenden innerlich komplett.<br />
O: Religiöser Fanatismus ist immer gefährlich. Doch inwiefern hat eures<br />
Erachtens Religion eventuell auch etwas Gutes?<br />
KW: Wie vorhin schon erwähnt, hat Religion meiner Meinung nach<br />
vor allem eine sinnstiftende Wirkung, die Halt gibt. Vertrauen, Liebe<br />
und Hingabe spielen dabei eine große<br />
Rolle. Das war für jemanden im rauen<br />
Mittelalter sicherlich nicht unwichtig.<br />
Aber allem Anschein nach rückt im<br />
Lauf der Zeit, mit zunehmenden<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen und<br />
steigender Lebensqualität, der Glaube<br />
aus dem Mittelpunkt des Blickfeldes.<br />
Die Astrophysik suggeriert heute ein<br />
Universum, das aus einem punktuellen<br />
Nichts herausknallt, während die<br />
Frage, wie Seiendes aus Nichtseiendem<br />
entstehen kann, ungeklärt bleibt.<br />
Diese Situation ist fruchtbarer<br />
Boden für einen sich ausbreitenden<br />
Agnostizismus. Man zahlt heute vielleicht noch Kirchensteuer und<br />
besucht die Messe zu Weihnachten. Aber seien wir ehrlich: Wie viele<br />
halten noch ein Tisch- oder Abendgebet? Betrachten wir nun aber mal<br />
eine Lebenssituation, in der es uns nicht so gut geht, zum Beispiel bei<br />
einem Flugzeugabsturz, dann brauchen wir plötzlich wieder einen Halt,<br />
dann besinnen wir uns bezeichnenderweise wieder auf Gott, der uns<br />
helfen möge, und rufen ein Stoßgebet aus. Nun kann man aber nicht<br />
alle Religionen über einen Kamm scheren. Was würde ein Buddhist in<br />
einem solchen Moment beten? Das Gebet würde sich jedenfalls nicht an<br />
eine höhere Macht, sondern er würde es an sich selbst richten. Für ihn<br />
gibt es nämlich keinen Gott. Aber die humane Spiritualität, die hinter<br />
den Lehren Buddhas steckt, bewirkt im Grunde genommen trotzdem<br />
das Gleiche. Sie spendet dem Menschen Halt und inneren Frieden.<br />
O: Ist den Menschen heutzutage einfach das Falsche heilig? Oder war<br />
es das nicht auch früher schon, betrachtet man die Schattenseiten der<br />
Kreuzzüge?<br />
FG: Jerusalem war den Menschen damals ganz offensichtlich sehr heilig.<br />
Wenn aber durch eine persönliche Wahrnehmung sich Heiligkeit bei<br />
den Wahrnehmenden im wahrgenommenen Objekt manifestiert und es<br />
dadurch eigentlich erst zu einem solchen Unheil kommt, heiligt dann<br />
der Zweck die Mittel? Ist die Befreiung Jerusalems für Millionen von<br />
Todesopfern also gerechtfertigt? An dieser Stelle kann es wohl kaum<br />
darum gehen, ob dem Menschen nun das Richtige oder das Falsche<br />
heilig ist. Im Gegenteil, es drängt sich vielmehr die Frage auf, wie<br />
überhaupt ein Objekt heilig sein kann, wenn es zu so viel Unheil führt?<br />
Die Geschehnisse widersprechen doch komplett der theologischen Ethik<br />
der Zehn Gebote. Dort heißt es: „Du sollst nicht morden.“ Aber wie<br />
kann dann ein solch kollektiver Massenverblendungswahn überhaupt<br />
entstehen? Die Antwort findet man möglicherweise in den damaligen<br />
Lebens- und Machtverhältnissen. Baut sich einerseits aufgrund widriger<br />
Lebensumstände eine Spannung im Volk auf, und gibt es andererseits<br />
noch einen gewichtigen Rädelsführer, der mit einem vermeintlichen Plan<br />
die Emotionen der Menschen trifft, so verblassen mögliche Zweifel an<br />
der Redlichkeit des Planes vor dem Hintergrund des persönlichen Leids.<br />
Wir müssen in unserer eigenen Geschichte gar nicht weit zurückblicken,<br />
um zu erkennen, wie leicht sich ein geplagtes Volk instrumentalisieren<br />
lässt.<br />
O: Was ist euch selbst heilig?<br />
FG: Da gibt es im sprachlichen Jargon so einiges. Werte, Familie,<br />
Freunde. Aber im eigentlichen Sinne ist etwas nur dann heilig, wenn es<br />
einer göttlichen Sphäre zugehörig ist. Das führt uns zur Glaubensfrage.<br />
Meine Einstellung wird dabei immer die gleiche bleiben. Würde ich<br />
wissenschaftlich unerklärliche Wunder erleben, dann vielleicht schon.<br />
Eher glaube ich aber an das Gute im Menschen. Da wir ja – wenn es<br />
einen schöpferischen Gott gibt – alle von ihm erschaffen wurden, wohnt<br />
er uns und allem Dinglichen inne.<br />
KW: Ich reduziere mich in der Antwort<br />
auf inneren Frieden. Aus meiner Sicht<br />
ergibt sich alles Gute daraus von selbst.<br />
O: Wofür würdet ihr kämpfen?<br />
FG: Ich kämpfe für meine Überzeugung,<br />
für das, woran ich glaube.<br />
KW: Ich bin da eher Pazifist. Kämpfen<br />
kommt für mich höchstens in Frage,<br />
wenn es um Leib und Leben geht.<br />
Kampfbereitschaft ist ein Zeichen für<br />
fehlenden inneren Frieden.<br />
O: Und wofür wäret ihr sogar bereit, zu<br />
sterben?<br />
FG: Wenn das Dem-Tode-geweiht-Sein von vornherein eine beschlossene<br />
Sache ist, dann gibt es wohl nichts, außer, um meine Kinder zu retten,<br />
oder eben im Kampf um das eigene Leben.<br />
KW: Da bin ich bei Fritz. Wenn die Frage wortwörtlich gemeint ist,<br />
sprechen wir ja von einer Selbstaufgabe. Das käme für mich niemals in<br />
Frage... höchstens für das Chili-Chocolate-Eis von der Eisdiele nebenan.<br />
O: Was erwartet den Hörer auf eurem bald erscheinenden Album?<br />
KW: Angefangen vom tollen Artwork, das schon bildhaft vom Okzident<br />
zum Orient führt, über ein 20-Seiten-Booklet mit einleitenden<br />
Geschichten zum jeweiligen Thema, bis hin zu den Texten, die<br />
entsprechend bebildert sind, ziehen wir den Hörer schon mit den ersten<br />
visuellen Eindrücken in die große Atmosphäre der Kreuzzüge. Was<br />
er dann zu hören bekommt, ist ein vielschichtiges Klangerlebnis. Die<br />
Instrumente treten mal spielerisch einzeln hervor, mal schmettern sie<br />
wie aus einem Guss verschmolzen wuchtig ein. Wir arbeiten mit großer<br />
Dynamik, davon leben die Songs. Stimmungsbilder erzeugen wir zwar<br />
rein musikalisch und arbeiten dabei auch abend- und morgenländische<br />
Melodien oder Instrumente ein, aber an manchen Stellen sind filmische<br />
Effektsounds einfach notwendig, um den Hörer kompromisslos<br />
mitzureißen.<br />
www.schlafes-bruder.com<br />
Axel Schön<br />
Photos: Oliver Rath<br />
Line-Up:<br />
Fritz Graner – Gesang<br />
Ricky Grasser – Gitarre<br />
Halid Pestil – Bass<br />
Kris Weller – Keyboard, Synthesizer<br />
Andreas Schulz – Schlagzeug<br />
86 - <strong>Orkus</strong>!