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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Die Zukunft <strong>des</strong> Sports liegt in <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Technik<br />

Sport <strong>und</strong> Technik waren nie <strong>und</strong> sind weniger denn je zu<br />

trennen. Technischer Fortschritt dringt immer schneller in<br />

die Sportarten ein, erleichtert den Zugang <strong>und</strong> erhöht die<br />

Attraktivität. Er verän<strong>der</strong>t das Zuschauerverhalten <strong>und</strong> er<br />

ermöglicht individuellere, selbstorganisierte Formen <strong>des</strong><br />

Kompetenzgewinns. Arbeit <strong>und</strong> Kommunikation führen zu<br />

notwendigen Organisationsformen im gemeinnützigen<br />

Sport. Darauf müssen sich die Vereine <strong>und</strong> Verbände konsequent<br />

einstellen <strong>und</strong> den Prozess aktiv mitgestalten; er ist<br />

Von Sven Güldenpfennig<br />

Spielfeldbegrenzung erschwerte Beherrschung <strong>der</strong> Bewegung<br />

eines kleinen Balles mit einem vom Körperschwerpunkt<br />

wegverlagerten <strong>und</strong> entsprechend schwieriger präzise zu<br />

handhabenden Schlaggerät in Tennis, Badminton, Tischtennis<br />

usw.; Benutzung eines Trampolins nicht zur Erleichterung <strong>des</strong><br />

Absprungs bzw. zur Steigerung <strong>der</strong> Absprungkräfte als solche,<br />

son<strong>der</strong>n zur Gewinnung von Zeit für die Ausführung schwierigerer<br />

Drehungen in <strong>der</strong> Luft während <strong>der</strong> Flugphase;<br />

u.v.a.m.: Stets ist das Ziel eine Konstituierung zusätzlicher<br />

sportlicher Hin<strong>der</strong>nisse, nicht aber eine Erleichterung <strong>der</strong><br />

Bewältigung von Hin<strong>der</strong>nissen. Sportliches Handeln ist reales<br />

Handeln aus Ideen: Die schöpferische A<strong>der</strong> kommt dort<br />

sowohl in <strong>der</strong> Erfindung neuer Regeln für Sportarten <strong>und</strong> -<br />

disziplinen als auch in <strong>der</strong>en Bewältigung im Wettkampf zum<br />

Tragen. Mit Technik im Sinne von substitutiven <strong>und</strong> komplementären<br />

Funktionen aber hat dies nichts zu tun.<br />

Ist also sportliches Handeln, so eine letzte Annahme, die hier<br />

diskutiert werden soll, tatsächlich durch eine Verschränkung<br />

zweier Mythen - Technik <strong>und</strong> Sport - gekennzeichnet, wobei<br />

in beiden Mythen das Überwinden <strong>der</strong> eigenen Grenzen im<br />

Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehe? Nein. Nicht Gemeinsamkeit <strong>und</strong> Parallelität<br />

"verschränken" die beiden Mythen. Vielmehr sind sie in<br />

ihrem Sinnkern durch einen scharfen Gegensatz voneinan<strong>der</strong><br />

geschieden: Durch Technik sollen in <strong>der</strong> Tat natürliche Grenzen<br />

überschritten werden, im Sport hingegen nur ausgelotet<br />

<strong>und</strong> ausgeschöpft unter Respektierung dieser natürlichen<br />

Grenzen <strong>und</strong> zusätzlicher Setzung <strong>und</strong> Respektierung künstlicher<br />

Grenzen. Der Eigensinn technischen Handelns bleibt<br />

somit aus dem Eigensinn sportlichen Handelns gerade ausge-<br />

bereits in vollem Gange <strong>und</strong> läuft auch ohne sie rasch<br />

weiter.<br />

Den Sportorganisationen kommt dabei auch eine ethische<br />

Rolle zu. Nicht jede neue Technologie ist positiv; Doping,<br />

überfor<strong>der</strong>nde Maschinen, riskante Geschwindigkeiten, ungerechte<br />

Verteilung <strong>und</strong> unvertretbares Gewinnstreben müssen<br />

kritisch begleitet werden. Die Gewerkschaften haben zusammen<br />

mit <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung ein umfangreiches Projekt zur<br />

Abschätzung <strong>der</strong> Technikfolgen für die Berufstätigen durchgeführt.<br />

Dies könnte heute für die Sporttreibenden mehr als<br />

hilfreich sein.<br />

schlossen. Nur durch Doping o<strong>der</strong> regelwidrige Manipulation<br />

von Sportgeräten wird jener Eigensinn technischen Handelns<br />

illegal <strong>und</strong> sportwidrig durch die Hintertür wie<strong>der</strong> einzuführen<br />

versucht! Die Beschwörung <strong>des</strong> ferngesteuerten elektronisierten<br />

Sportlers, welcher zu einer Marionette geworden,<br />

sich <strong>der</strong> Maschine unterwerfe <strong>und</strong> so zu einem fremdbestimmten<br />

Teil von ihr werde, <strong>und</strong> wie die Horrorszenarien<br />

sonst lauten mögen, ist hingegen ein schieres Hirngespinst<br />

ohne empirischen Realitätsgehalt. Ein Popanz, an dem sich<br />

eine vermeintlich sportkritische Theorie austoben kann.<br />

Wenn man das Diktum eines Ortega y Gasset, <strong>der</strong> seit einem<br />

legendären Vortrag beim DSB-Bun<strong>des</strong>tag 1954 einen festen<br />

Platz im kollektiven Gedächtnis <strong>des</strong> deutschen Sports hat,<br />

folgen will - dass nämlich <strong>der</strong> menschliche Organismus heute<br />

über Fähigkeiten <strong>und</strong> Kräfte verfüge wie nie zuvor, so kann<br />

dies für das vorliegende Thema nur in einem sehr präzisen<br />

Sinne Geltung beanspruchen: Es ist gerade nicht <strong>der</strong> homo<br />

technologicus sportivus, <strong>des</strong>sen kulturelle Bedeutung von<br />

Ortega hier indirekt beschworen <strong>und</strong> zu Recht gefeiert wird.<br />

Es ist vielmehr gerade <strong>der</strong> homo sportivus, also <strong>der</strong> homo atechnologicus,<br />

wie er idealtypisch verkörpert wird von Reinhold<br />

Messners Grenzgängertum.<br />

Fazit: Statt aufzulisten, dass Technik <strong>und</strong> Sport irgendwie<br />

miteinan<strong>der</strong> zusammenhängen, dabei Disparates miteinan<strong>der</strong><br />

unentwirrbar zu verrühren <strong>und</strong> auf so ungesichertem Boden<br />

sogar verallgemeinernde Schlüsse o<strong>der</strong> Empfehlungen für die<br />

Zukunft <strong>des</strong> Sports aufzubauen, kommt es darauf an zu<br />

ermitteln, worin genau tatsächliche <strong>und</strong> auch legitime<br />

Zusammenhänge bestehen <strong>und</strong> worin genau nicht. Nur so<br />

können irreführende Schlussfolgerungen vermieden werden.<br />

Den homo technologicus sportivus zum neuen Leitbild auszurufen,<br />

kann vor dem Gerichtshof kritischer Aufklärung ebenso<br />

wenig bestehen, wie ihn zum Menetekel, Zeichen an <strong>der</strong><br />

Wand <strong>des</strong> heutigen Sports zu dämonisieren.<br />

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