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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Geisteswissenschaften:<br />

bangt um ihren akademischen Status Von Holger Schück<br />

Diesseits verheißen wollen, geraten nicht einmal mehr<br />

länger zu Holzwegen <strong>und</strong> Sackgassen, son<strong>der</strong>n gelten als<br />

über die Klippen gestürzt; Utopien wurden zu Gunsten einer<br />

ethisch-pragmatischen Kurssteuerung in den Irrgarten<br />

verbannt <strong>und</strong> dort verriegelt. Der Politik gelingen nur kurzzeitige<br />

Antworten, die bis zum nächsten Wahltag, wenn<br />

überhaupt, Gültigkeit haben.<br />

Allüberall wird das Defizit einer verantwortungsvollen Steuerung<br />

von gesellschaftlichen Entwicklungen beklagt. Zumin<strong>des</strong>t<br />

halten die Geisteswissenschaften "die Zukunftshorizonte<br />

offen für Verän<strong>der</strong>ungen", wie es <strong>der</strong> Literaturwissenschaftler<br />

Prof. Hans Ulrich Gumbrecht von <strong>der</strong> University of Stanford<br />

beschreibt.<br />

Diese Diagnose gilt<br />

auch für die<br />

geisteswissenschaftlichen<br />

Fel<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Sportwissenschaft,<br />

die als<br />

Dauerpatient im<br />

Wartesaal in einer<br />

tiefen Krise steckt.<br />

Eine begleitende<br />

Beobachtung <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit im<br />

Spitzensport, aber<br />

auch <strong>der</strong> vielen<br />

Facetten im organisiertenVereinsleben<br />

zeigt sich<br />

allenfalls im<br />

Ansatz. Defizite<br />

verbucht vor allem<br />

die Sportpädagogik,<br />

die es wie die<br />

Erziehungswissenschaft<br />

generell<br />

nicht geschafft<br />

hat, objektive<br />

Wissenschaftskriterienherauszuar-<br />

beiten <strong>und</strong> Anwendungsforschung zu betreiben. Unmittelbares<br />

Handlungswissen zu generieren, ist ihr in den letzten<br />

Jahren nicht gelungen. Ein Schattendasein fristet auch die<br />

Sportphilosophie als Deutungswissenschaft. Öffentlich ist sie<br />

auf dem Feld <strong>des</strong> Sports kaum wahrnehmbar, allenfalls durch<br />

aktuelle Statements zu Schattenfel<strong>der</strong>n <strong>des</strong> unter ökonomischem<br />

Druck ächzenden Spitzensportbetriebs. Es gibt respektable<br />

Hochschullehrer <strong>und</strong> Wissenschaftler, die eine Fülle von<br />

weltentrückten Publikationen herausgeben, aber international<br />

längst nicht mehr das Renommee ihrer Protagonisten genießen.<br />

Wo bleibt die Akzentuierung ethischer Maßstäbe? Im<br />

Leeren, denn Forschungsanträge zu gr<strong>und</strong>lagenorientierten<br />

Projekten in <strong>der</strong> Dopingbekämpfung, die eine ethische F<strong>und</strong>ierung<br />

zukunftseröffnen<strong>der</strong> Perspektiven konkret leisten<br />

könnten, werden abgelehnt <strong>und</strong> nicht finanziert: we<strong>der</strong> an<br />

Universitäten <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Kompetenzzentren, noch vom organisierten<br />

Sport, noch von Institutionen <strong>der</strong> Wirtschaft o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Einzig die Sportsoziologie, die als Reflektionsinstanz für die<br />

multidisziplinäre Sportwissenschaft einen Bedeutungsschub<br />

erfahren konnte, hat in den letzten Jahren Antworten auf die<br />

Krisenphänomene gesucht <strong>und</strong> - mit Abstrichen - auch<br />

gef<strong>und</strong>en. Zumin<strong>des</strong>t bemüht sie sich, die Glaubwürdigkeit<br />

<strong>des</strong> sozialen <strong>und</strong> kulturellen Überbaus <strong>des</strong> Sports zu verfestigen<br />

<strong>und</strong> Lösungswege für die zahlreichen Problemstellungen,<br />

wie Doping, Spitzensportsysteme <strong>und</strong> Vereinskultur, zu finden.<br />

Dabei kommt es allerdings häufig zu eigentlich gegensätzlichen<br />

Wahrnehmungen <strong>der</strong> Faktizität: Sozialwissenschaftler<br />

messen mit den Fragebögen <strong>und</strong> Interviewtechniken<br />

<strong>der</strong> Makrosoziologie <strong>und</strong> liefern hartes Material, das eine<br />

detaillierte Sicht <strong>der</strong> Dinge vermissen lässt. Sie kratzen also<br />

nur an <strong>der</strong> Oberfläche, ohne den Wurmstich zu erkennen,<br />

während beispielsweise Epidemiologen Sachverhalte intensiver<br />

begleiten, präziser beobachten <strong>und</strong> auch komplexere<br />

Resultate liefern.<br />

Krisengejammer entsteht vor allem um die sportwissenschaftliche<br />

Sektion "Sportgeschichte" als Teil <strong>der</strong> Geschichtswissenschaft,<br />

die seit den siebziger Jahren viel Aufmerksamkeitspotenzial<br />

erlangte <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> deutschen Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />

mit <strong>der</strong> Aufarbeitung <strong>der</strong> SED-Diktatur eine Hochphase<br />

erfuhr: Materialien <strong>der</strong> Zeitgeschichte wurden in den<br />

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