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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Politikspektakel Von Helmut Digel<br />

aber auch durch eine entschiedene Parteilichkeit zu Gunsten<br />

<strong>der</strong> sauberen Athletinnen <strong>und</strong> Athleten auszeichnen. Anstelle<br />

von Gerüchten müssen nachvollziehbare <strong>und</strong> empirisch<br />

belegbare Fakten zur Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> notwendigen Entscheidungen<br />

gemacht werden.<br />

Ein weiteres Merkmal ist kaum weniger wichtig. Ein Anti-<br />

Doping-Kampf darf sich nicht in moralischen Appellen<br />

erschöpfen. Sie sind aus <strong>der</strong> Sicht jener wohl verständlich, die<br />

sich auf die Moral berufen, sie haben sich jedoch längst als<br />

stumpfe Waffe im Anti-Doping-Kampf erwiesen. Ethik <strong>und</strong><br />

Moral begründen wohl die entscheidenden Maximen <strong>des</strong><br />

Sports, an denen sich je<strong>der</strong> Anti-Doping-Kampf zu orientieren<br />

hat. Allen voran ist dabei das Prinzip <strong>des</strong> Fair Play zu nennen.<br />

Moralische Urteile können sich jedoch gerade in <strong>der</strong> Welt <strong>des</strong><br />

Sports sehr schnell in ihr Gegenteil verkehren. Eine "Zeigefinger-Moral"<br />

ist nicht zuletzt <strong>des</strong>halb unglaubwürdig, weil sich<br />

<strong>der</strong> ausgestreckte Finger immer auch auf die Moralisten<br />

richtet.<br />

Die Unschuldsvermutung hat auch in <strong>der</strong> Welt <strong>des</strong> Sports<br />

eine gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong> herausragende Bedeutung. Die<br />

öffentliche Diskussion über mögliche Täter sollte <strong>des</strong>halb<br />

diesem Prinzip zwingend folgen. Funktionäre sollten so lange<br />

als unschuldig gelten, so lange nicht das Gegenteil bewiesen<br />

ist. Dies muss auch für einen Vizepräsidenten <strong>des</strong> Radsports<br />

gelten. Ein Beweis für <strong>des</strong>sen Schuld ist dann erbracht, wenn<br />

er vor einem Sportgericht o<strong>der</strong> einem ordentlichen Gericht<br />

präsentiert wird <strong>und</strong> durch eine richterliche Entscheidung<br />

Anerkennung erhält. Ein Athlet ist erst dann aus einem Wettkampf<br />

zu suspendieren, wenn entsprechende juristische<br />

Bedingungen erfüllt sind, die schriftlich nie<strong>der</strong>gelegt sein<br />

müssen <strong>und</strong> die vor den Ereignissen codifiziert wurden. Dies<br />

hat dann auch für einen italienischen Radsportweltmeister zu<br />

gelten, auch wenn einem sein sonstiges Gebaren nicht gefällt.<br />

Ehrenerklärungen, die nicht sanktioniert werden können <strong>und</strong><br />

nicht Bezug nehmen auf vereinbarte Regeln innerhalb <strong>des</strong><br />

Sports, müssen sich zwangsläufig als Schall <strong>und</strong> Rauch erweisen<br />

<strong>und</strong> haben <strong>des</strong>halb allenfalls ideologische o<strong>der</strong> propagandistische<br />

Funktion.<br />

Wer wirklich einem Anti-Doping-Kampf verpflichtet ist, <strong>der</strong><br />

muss sich auch dem Prinzip <strong>der</strong> Gleichbehandlung unterwerfen.<br />

Eine Turnweltmeisterschaft, ein Weltfinale <strong>der</strong> Leichtathletik,<br />

ein Boxkampf bei ARD o<strong>der</strong> ZDF am Samstagabend um<br />

22.00 Uhr, eine Radweltmeisterschaft, sie alle müssen an den<br />

gleichen moralischen Maximen orientiert <strong>und</strong> gemessen<br />

werden, möchte man einen glaubwürdigen Anti-Doping-<br />

Kampf führen.<br />

Wer ankündigt, Kontrollen zu verschärfen, <strong>der</strong> sollte sich <strong>des</strong><br />

Problems <strong>der</strong> Kontrollierbarkeit von Betrugshandlungen<br />

bewusst sein. Er sollte auch die Grenzen kennen, die je<strong>des</strong><br />

Kontrollsystem aufweist, <strong>und</strong> er sollte wissen, dass man mit<br />

Kontrollen allein dem Problem nur bedingt gerecht werden<br />

kann. Wer vermehrte Kontrollen for<strong>der</strong>t, sollte sich auch die<br />

Frage <strong>der</strong> Finanzier- <strong>und</strong> Durchsetzbarkeit eines weltweit<br />

gleichwertigen Kontrollsystems stellen. Kontrollen, die auf die<br />

Schnelle vereinbart werden, ohne dass man über das geeignete<br />

Kontrollpersonal, ausgebildete Anti-Doping-Ärzte <strong>und</strong><br />

das erfor<strong>der</strong>liche Begleitpersonal verfügt, wird zu Recht <strong>der</strong><br />

Vorwurf <strong>der</strong> Effekthascherei gemacht. Genau dies war bei fast<br />

allen internationalen Radsportveranstaltungen <strong>der</strong> letzten<br />

Wochen <strong>und</strong> Monate <strong>der</strong> Fall.<br />

Der wirkliche Anti-Doping-Kampf, das sollen diese Hinweise<br />

zeigen, bedarf <strong>des</strong> langen Atems <strong>und</strong> einer f<strong>und</strong>ierten fachlichen<br />

Kompetenz. Er bedarf aber vor allem <strong>der</strong> Kooperation<br />

zwischen Sport <strong>und</strong> Staat. Dabei ist auch eine beson<strong>der</strong>e<br />

Bescheidenheit vonnöten. Er bedarf schließlich auch einer<br />

gegenseitigen Vertraulichkeit <strong>der</strong> beteiligten Partner. Nicht<br />

immer ist dabei Öffentlichkeit angesagt. Öffentlichkeit ist<br />

gerade im Anti-Doping-Kampf wohl ein demokratisches<br />

Gebot, doch sie hat zum richtigen Zeitpunkt zu erfolgen, <strong>und</strong><br />

sie hat den Schutz <strong>der</strong> Individuen zu gewährleisten. Auch<br />

dieser Rechtsanspruch besteht zu Recht in <strong>der</strong> Welt <strong>des</strong><br />

Sports, <strong>und</strong> er muss beachtet werden.<br />

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